Urteil: Dieselfahrverbote drohen
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gibt einer Klage der Deutschen Umwelthilfe auf die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart statt. Dieselfahrverbote seien dafür möglich.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Gezerre um Fahrverbote
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Baden-Württemberg stattgegeben. Die DUH hatte auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart geklagt. Damit sollen Maßnahmen ergriffen werden, die zu der schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für Stickstoffoxid (NO2) in der Umweltzone Stuttgart führen. Das Gericht hat der DUH Recht gegeben und dabei pauschale Dieselfahrverbote als mögliche Maßnahme nicht ausgeschlossen.
Das Verkehrsverbot verstoße unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil der Schutz von Leben und Gesundheit der von den Immissionen betroffenen Wohnbevölkerung in der Umweltzone Stuttgart höher zu gewichten sei, als die dagegen abzuwägenden Einschränkungen der von dem Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer, heißt es in der Urteilsbegründung.
Stichtag ist der 1. Januar 2018
Das Land Baden-Württemberg muss nun den Luftreinhalteplan ändern, damit die Grenzwerte zum 1. Januar des kommenden Jahres eingehalten werden. Ob und in welcher Form dann tatsächlich Dieselfahrverbote ausgesprochen werden ist noch offen. Das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgericht hat Signalwirkung. Die DUH hat gegen mehr als ein Dutztend Städte ähnliche Klagen eingereicht.
Das Handwerk der Region Stuttgart wertet das Urteil als unsägliche Hängepartie. "Auch nach dem Urteil ist nicht klar, welche Fahrzeuge ab 1. 1. 2018 nach Stuttgart einfahren dürfen", kommentiert Thomas Hoefling, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Für Unternehmen sei das eine unzumutbare Situation. "Täglich erreichen uns Anrufe von Betrieben, die seit Monaten Investitionen in ihren Fuhrpark zurückstellen müssen, weil es keine Rechtssicherheit gibt."
Handwerk fordert Planungssicherheit
Alle seien wegen der unklaren Situation stark verunsichert. Deshalb fordere das Handwerk endlich Planungssicherheit. Nach wie vor verlasse sich das Handwerk auf die Zusagen des Verkehrsministeriums und des Regierungspräsidiums, dass Handwerker auch zukünftig in die Stadt fahren dürfen, so Hoefling. "Wir brauchen die Ausnahmen für den handwerklichen Wirtschaftsverkehr, sonst bleiben ab Januar Aufzüge stecken, Baustellen leer und Heizungen können auch nicht repariert werden – wir können dann schlichtweg nicht mehr arbeiten."
Der Richterspruch des Verwaltungsgerichts Stuttgart habe zur Folge, dass nur komplette Dieselfahrverbote möglich sind, da es eine blaue Plakette nicht gibt, so der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, Dr. Ortwin Weltrich. Damit wären Ausnahmeregelungen für Handwerksfahrzeuge ebenso ausgeschlossen wie für moderne Euro-6-Fahrzeuge. "Beides ist unverhältnismäßig", sagt Weltrich. Außerdem sei das Urteil nicht rechtskräftig. Man müsse das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abwarten und das sei erst für nächstes Frühjahr angekündigt.
Weltrich warnt Kommunen vor Aktionismus
Weltrich warnt deshalb auch die Kommunen im Kölner Kammerbezirk vor Aktionismus bei der Fortschreibung der Luftreinhaltepläne. "Dieselfahrverbote sind unverhältnismäßig und sie treffen Handwerksbetriebe besonders stark, weil der handwerkliche Fuhrpark zu 80 Prozent aus Dieselfahrzeugen besteht. Wir brauchen ein Bündel an schnell umsetzbaren und wirksamen Maßnahmen, um die Belastung an den Hotspots spürbar zu senken: umweltsensitive Ampelanlage, Elektrobusse, Lkw-Durchfahrtverbote, strengere Kontrollen, Verkehrsumleitungen über umweltsensitive Navigation, Ausschluss von Umgehungsverkehren. Vieles davon ist sofort umsetzbar beziehungsweise könnte bereits seit Monaten umgesetzt sein".
Foto: upixel123/123RF.com
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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