Unfallversicherung gilt auch an einem Probe-Arbeitstag
Ein Jobsuchender, der in einem Unternehmen einen Tag zur Probe arbeitet, ist gesetzlich unfallversichert, wenn er sich dabei verletzt.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitsunfälle und die Folgen
Der Unfall eines Bewerbers, der einen Tag zur Probe arbeitete, ist von der Berufsgenossenschaft zu tragen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.
Der Fall
Ein Lkw-Fahrer hatte sich bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen beworben. Im Vorstellungsgespräch vereinbarte er mit dem Unternehmer, einen Probearbeitstag zu absolvieren. Eine Vergütung sollte er dafür nicht erhalten. Der Mann stürzte an dem Tag vom Lkw und zog sich unter anderem Verletzungen am Kopf zu. Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Mann nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei. Daraufhin klagte der Verletzte.
Sozialgericht und Landessozialgericht hatten einen versicherten Arbeitsunfall festgestellt. Auch ohne Bestehen eines Arbeitsverhältnisses könne eine Beschäftigung vorliegen, wenn der Verletzte – wie im vorliegenden Fall durch das Mitfahren und Einsammeln von Abfällen – für ein fremdes Unternehmen tätig sei. Der Unternehmer habe ein Eigeninteresse an dem Probetag gehabt, weil zahlreiche Bewerber nach kurzer Mitarbeit wieder abgesprungen seien. Die Tätigkeit gehe auch über die – in der Regel unversicherte – bloße Arbeitsplatzsuche oder die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch hinaus.
Das Urteil
Auch das Bundessozialgericht stellte sich auf die Seite des verletzten Mannes und verurteilte die Berufsgenossenschaft, für den Unfall aufzukommen.
Nach Auffassung des BSG hat der Kläger zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz gestanden; ein Beschäftigungsverhältnis habe nicht vorgelegen, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgungsunternehmers eingegliedert gewesen sei.
Da der Kläger aber eine dem Entsorgungsunternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht habe, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, sei der Kläger als "Wie-Beschäftigter" gesetzlich unfallversichert gewesen. Vor allem habe die Tätigkeit nicht nur im Eigeninteresse des Mannes gelegen, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Denn der Probearbeitstag habe gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen sollen und habe damit für ihn einen objektiv wirtschaftlichen Wert.
Bundessozialgericht, Urteil vom 20. August 2019, Az. B 2 U 1/18 R
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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