Genießern geht es gut in Graz
Es gibt keine Berge. Das ist vermutlich das Schlechteste, was man über Graz sagen kann. Ansonsten bietet die zweitgrößte Stadt Österreichs fast alles. Vor allem für Genießer.
Ein Blick über die Altstadt von Graz. Foto: © Werner Krug Weil Graz nun mal in Österreich liegt, muss man zuerst von den Titeln reden. 1999 ging es damit los. Damals wurde die Grazer Altstadt wegen ihres hervorragend erhaltenen Stadtkerns zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. 2003 ging es weiter, die Landeshauptstadt der Steiermark wurde die einzige Kulturhauptstadt Europas – und rückte damit erstmals in Bewusstsein vieler Deutscher. Damit nicht genug. 2011 wurde Graz auch noch zur „City of Design“ ernannt, nur elf Städte weltweit tragen diesen Titel.
Doch die schönste Auszeichnung errang Graz 2008. In diesem Jahr wurde die Stadt an der Mur zur Genusshauptstadt Österreichs ernannt. Zuerst war das wohl nur eine Marketingidee, damals hat die Stadt ein neues touristisches Profil gesucht, denn mit Skifahren und Bergsteigen kann sie nun mal nicht punkten.
Aus der Marketingidee wurde ein Konzept und dann Wirklichkeit. Inzwischen geht es Genießern gut in Graz, richtig gut. Dafür sorgt vor allem Waltraud Hutter. Sie hat damals das Konzept eingebracht und ist immer noch verantwortliche Projektmanagerin. „Am Anfang wurde Graz wegen dieses Titels belächelt, heute sind die anderen Städte eher neidisch“, freut sich Frau Hutter.
Qual der Wahl
Den Besuchern dürfte diese Konkurrenzgedanken wenig jucken, denn sie profitieren als Genusstouristen davon. Sie haben die Qual der Wahl: Wollen sie beim Grazer Genussball sich durch die Kreationen von steirischen Spitzenköchen schlemmen? Oder vielleicht beim Duell „Pitchen in den Kitchen“ das Ergebnis eines Wettkochens der besten Grazer Köche genießen? Oder lieber mit der Liebsten im Park picknicken, einen fertigen Schlemmer-Korb vom örtlichen Delikatessengeschäft im Gepäck?
Oder bei den kulinarischen Stadtrundgängen schlemmend durch die Stadt schlendern? Vielleicht einmal den eigenen Gaumen mit einer Kürbiskernöl-Verkostung herausfordern? Oder über einen der schönen Bauernmärkte bummeln, wo die Landwirte aus dem Umland nur ihre eigenen Produkte anbieten dürfen? Oder sich in einem der 27 Partnerrestaurants der Genusshauptstadt verwöhnen lassen?
Krauthäuptle und Käferbohne
Käferbohnen. Foto: © Graz Tourismus Die Angebote sind vielfältig, haben aber eins gemeinsam: Überall stehen einheimische Produkte auf dem Speiseplan. Ob es das Krauthäuptle ist, ein krauser grüner Salat mit dunklem Rand und wunderbar nussigem Geschmack, die Käferbohne, eine dunkelrote, dicke Bohne, das bekannte Kernöl, steirischer Kren (Meerrettich), der Speck des Vulcano-Schweins oder der einheimische Rankenfisch – alles wird aus den umliegenden Regionen bei ausgewählten Betrieben beschafft.
Das sich dort Kürbisse, Kren und Vulcano-Schweine so wohlfühlen ist kein Wunder: Denn die Steiermark profitiert vom milden Klima, das ähnlich wie im benachbarten Kärnten vom Mittelmeer beeinflusst wird.
Die lange Tafel
Lange Tafel. Foto: © Graz Tourismus Das schönste Genuss-Event ist vermutlich die „lange Tafel“ zu der die Stadt einmal im Jahr einlädt: Schon Wochen vorher stellen sich die Köche der 27 Partnerbetriebe der Genusshauptstadt an den Herd, um für das Fünf-Gänge-Menü probezukochen. Bei einer Blindverkostung wählen Sommeliers die besten Weine und Biere zu den Speisen ausgewählt.
Am 17. August ist es dann in diesem Jahr soweit: Eine barocke Tafel für 700 Gäste wird in den Altstadt-Gassen gedeckt, im Landhaushof spielt zur Eröffnung die Musik auf, dort gibt es Bier- und Wein-Degustationen und die Teilnehmer können die ersten Amuse geule genießen. Anschließend nehmen sie Platz, schlemmen sich Seite an Seite mit wildfremden Menschen durch die Gänge und lassen sich von 30 Köchen, 75 Servicekräften und 20 Sommeliers verwöhnen. Das Konzept kommt derart gut an, dass die lange Tafel schon Monate vorher ausgebucht ist…
Der Traminerweg
Der Traminerweg. Foto: © Graz Tourismus Wer sich dem Genuss in Graz allzu hemmungslos hingegeben hat, kann im nahegelegenen Thermenland Steiermark entspannen oder die Pfunde auf einem der Wein-Wanderwege ablaufen. Der Traminerweg Klöch etwa führt an der Grenze zu Slowenien und Ungarn auf einem 13,5 Kilometer langen Rundweg an zehn Buschenschänken vorbei durch eine liebliche Mittelgebirgslandschaft, in der bereits seit dem 14. Jahrhundert Wein angebaut wird.
Der Vulkanboden und viel Sonne sorgen dafür, dass der dort angebaute Klöcher Traminer zu den besten Traminern der Welt gehören soll. Inzwischen haben die einheimischen Winzer die Anbaumenge auf dem 200 Hektar großen Gebiet fast halbiert, jährlich werden so nur noch 600.000 Liter geerntet.
Für zusätzlichen optischen Genuss sorgen Rosenstöcke, die überall als Läusealarm in die Weinberge gepflanzt wurden. Geschäftstüchtig wird deshalb der Traminer aus Klöch als „Wein mit dem Duft der Rose“ vermarktet. Und einen Titel braucht man halt in Österreich…
Fotos: Graz Tourismus und Werner Krug
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben