Bis zu 50 Stunden arbeitet Franco Furlanetto an einer Fórcola.

Bis zu 50 Stunden arbeitet Franco Furlanetto an einer Fórcola. (Foto: © Louis Simon)

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Ruderdollen: Intention und Erfahrung führen Hand

Franco Furlanetto: 700 Jahre Handwerkskunst der Remèri. Hergestellt in einer kleinen Werkstatt von einem der vier letzten seiner Zunft. Ein Werkstatt-Besuch!

Die meisten Passanten werden durch die engen Gassen von San Polo auf dem schnellsten Weg zum Markusplatz einfach an der Hausnummer 2768/B vorbeigeschoben. Zu unscheinbar ist das, was es auf den ersten Blick im kleinen Schaufenster zu sehen gibt: die typische Rudergabel der venezianischen Gondeln als Lesezeichen.

Die Morso, die charakteristische Kerbe der Fórcola, in Bearbeitung einer Fórcola. Foto: © Louis SimonDie Morso, die charakteristische Kerbe der Fórcola, in Bearbeitung einer Fórcola. Foto: © Louis Simon

Ein aufgeschlagenes Buch, Fotos von Ruderregatten mit Widmungen und Holzskulpturen lassen im Eingang schon mehr erahnen. Franco Furlanetto schaut nur selten hinter seinem Strohvorhang heraus. Meist nur, wenn seine Werkstatthündin Biba ihren Lieblingsplatz verlässt und bellt.

Der Mann mit den grauen, wuscheligen Haaren ist einer der vier letzten seiner Zunft, die in Venedig seit 1307 die Ruderdollen, die Fórcole (Dollen) und Remi (Riemen) der Gondeln, und Ruderboote herstellt und repariert. Franco Furlanetto ist einer der Remèri. Der 55-Jährige macht darum kein Aufheben, genauso wenig darum, dass er bei Saverio Pastor, einem der Großmeister, das Handwerk gelernt hat, bevor er sich 1994 mit einer eigenen Werkstatt selbstständig gemacht hat.

Franco Furlanetto hat viel zu tun

Foto: © Louis SimonFoto: © Louis Simon

Franco hat viel zu tun. Die Riemen im Regal sind eng aufgereiht. Auf den Holzböcken liegen mit Schraubzwingen Tannen- und Buchenleisten fixiert, die zu einem neuen Riemen verleimt werden. Daneben klemmt eine Fórcola im Schraubstock, an der Wand hängen Schablonen. Der 55-Jährige arbeitet abwechselnd an den Riemen und den Dollen. Die Arbeitsprozesse und die Konzentration erfordern es.

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Foto: © Louis SimonFoto: © Louis Simon

Franco Furlanetto nimmt eine Fero da Carador, eine Eisenklinge, und zieht die Morso nach. Die Kerbe unter der oberen Nase ist einer von acht Anlenkpunkten, an dem der Riemen auf der Fórcola beim Rudern aufgelegt wird. Damit ist es möglich, trotz des seitlichen Ruders geradeaus zu fahren, langsamen oder schnellen Schub auf das Riemenblatt zu geben, abzubremsen oder gar rückwärts zu rudern. Im Markusbecken ist das Wasser durch den vielen Verkehr sehr unruhig, der Mann am Ruder steht breitbeinig, damit hält er den Schwerpunkt des Bootes niedrig. In den schmalen Kanälen der Innenstadt dagegen muss das Ruder eher steil geführt werden, um im 90-Grad-Winkel in kleine Kanäle einzubiegen.

Franco Furlanetto weiß das. Er hat, wie die meisten Jugendlichen seiner Generation, bei Ruderregatten als Regatante den Wettbewerb gesucht. Natürlich im eleganten Voga-Stil, dem typischen venezianischen Stehrudern.

Traditionelle Fertigkeit

Die Riemen warten auf die nächste Regatta. Foto: © Louis SimonDie Riemen warten auf die nächste Regatta. Foto: © Louis Simon

Bootstyp, Körperbau des Gondoliere, Ruderstil: Keine Fórcola von Franco Furlanetto gleicht der anderen. Handwerkliches Geschick, räumliches Vorstellungsvermögen, aber auch Wissen um den Bewegungsablauf beim Rudern mit den Booten und Gondeln braucht er, wenn er die Remi herstellt. Der Gondoliere steht am Heck am höchsten Punkt, um die optimale Übersicht zu haben und das Boot am besten manövrieren zu können. Die drei Meter langen Riemen sind aus bis zu fünf verleimten Buchenleisten gefertigt, um die Biege- und Torsionskräfte aufnehmen zu können. Das Riemenblatt hingegen ist zumeist aus leichter Tanne gefertigt, um es leichter aus dem Wasser zu heben. Nur der Hobel ist mittlerweile elektrisch betrieben, um das Riemenblatt in grobe Form zu bringen. Danach ist in mehreren Schritten beim Schleifen mit verschiedenen Körnungen Handarbeit angesagt. Franco Furlanetto reibt die Riemen mit Strohöl ein und versiegelt das Holz in drei Schichten mit transparentem Lack. Zeit zum Trocknen.

Die Ruderdollen der Boote in Venedig ragen wie Skulpturen hervor. Foto: © Louis SimonDie Ruderdollen der Boote in Venedig ragen wie Skulpturen hervor. Foto: © Louis Simon

Franco kramt aus der Schublade für das Finish der Fórcola nun noch feinstes Glaspapier hervor und taucht es in Strohöl. Der letzte Schliff: 20 bis 50 Stunden arbeitet er an der skulpturhaften Dolle. Wie viele er schon geformt hat? Er zuckt mit den Achseln.

Die meiste Zeit braucht der Venezianer, um das geeignete Holz für die Fórcole zu finden. Häufig werden Stämme von Kirsch- und Birnenbäumen verwendet. Der 55-Jährige hat seinen eigenen Kopf, verarbeitet nur Walnussbäume. Das Holz sei besonders fest, hart und witterungsbeständig. Die Stämme sucht er aus und sägt diese im Sägewerk selbst zurecht, die Stammviertel lässt vier Jahre lang trocknen, erst dann lässt er diese in seine kleine Werkstatt bringen. Mit einer Schablone der Bandsäge wird der Rohling gesägt, dann arbeitet Franco bei Neonlicht nur noch mit Stecheisen, Ziehklingen und Glaspapier. Intention und Erfahrung führen seine Hand.

Text: / handwerksblatt.de

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