Entdeckt – verfemt – gefeiert
Jubiläumsschau: Wie kein anderes Museum ist das Museum Folkwang mit dem Expressionismus verbunden. Karl Ernst Osthaus entdeckte Anfang des 20. Jahrhunderts die neue Kunstrichtung. 1922 wurde seine Sammlung nach Essen verkauft. Eine Erinnerungsreise.
Die Geschichte der Expressionisten mit all ihren Höhen und Tiefen ist zugleich auch die Geschichte des Museums Folkwang. In der zweiten großen Sonderausstellung im Jubiläumsjahr haben daher alle Exponate einen direkten Bezug zu der Essener Kunstgalerie. "Wie kein anderer schaffte es Osthaus mit seiner Leidenschaft und seinem Enthusiasmus, die junge Kunst in Deutschland zu etablieren", so Peter Gorschlüter, Direktor des Museums bei der Eröffnung der neuen Sonderausstellung.
Mäzen und Sammler
Schnell avancierte Karl Ernst Osthaus zum Mäzen vieler junger Künstler. Schon früh erwirbt er Gemälde für seine Sammlung. Mit vielen Künstlern verband ihn eine enge Freundschaft. Eine enge Beziehung hatte er auch zur Künstlergemeinschaft "Brücke". Einen ersten großen Einschnitt in die Geschichte des Expressionismus bedeutet für Osthaus und die Künstler der 1. Weltkrieg. August Macke, Walter Böttcher oder Franz Marc meldeten sich voller Euphorie freiwillig. Viele von ihnen fielen an der Front. Andere kehrten psychisch marode zurück, wie Ernst Ludwig Kirchner. Osthaus versuchte durch Ankäufe die Künstler zu unterstützen. Vielfach zahlte er den Aufenthalt in Sanatorien oder wickelte Aufträge für sie ab. Viel zu früh verstirbt einer der vielleicht wichtigsten Kunstmäzene im Jahr 1921 im Alter von nur 46 Jahren. Im Jahr 1922 wird die Osthaus-Sammlung nach Essen verkauft.
Franz Marc, Liegender Stier, 1913 Tempera auf Papier, 40 x 46 cm Foto: © Museum Folkwang, Essen Der Mäzen und seine Künstler im Zeitstrahl
100 Jahre später stellt auf 1.400 Quadratmetern Ausstellungsfläche Kurator Tobias Burg die Gemälde so zusammen, dass sie einen Zeitstrahl bilden und die künstlerische Entwicklung zwischen Osthaus und den damaligen Künstlern darstellen. Darunter Edvard Munch, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und sogar die Gemälde von Emil Nolde bekommen bis zum 8. Januar 2023 einen Platz in den Ausstellungsräumen.
"Nolde bekommt da einen Platz, wo er zeitgeschichtlich wichtig ist", betont Tobias Burg hinsichtlich einiger Gemälde des umstrittenen Künstlers. Osthaus und Nolde lernen sich 1906 kennen. 1912 gehörten bereits 36 Arbeiten zur Sammlung. Eine Reise in die Südsee und sein verklärter Blick auf ein "vermeintlich ursprüngliches Leben" in Zeiten der Kolonialisierung werfen einen ersten Schatten auf den Künstler. Später wird er Parteimitglied der NS-Diktatur.
Zitat"In kürzester Zeit schaffte es Karl Ernst Osthaus mit seiner Leidenschaft und Enthusiasmus, die junge Kunst zu etablieren." Peter Gorschlüter, Direktor Folkwang-Museum
Ernst Ludwig Kirchner, Doris mit Halskrause, um 1906, Öl auf Leinwand, 71,9 x 52,5 cm Foto: © Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid Untergang des Museums durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten
Die Ausstellung "Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – verfemt – gefeiert" erzählt auch die Geschichte des Museumsdirektors Ernst Gosebruch. Nachdem die Sammlung ins Ruhrgebiet gekommen war, war er es, der den Weg Osthauses weiterführte. Mit weiteren Ankäufen und Ausstellungen bildete auch für ihn der Expressionismus eine wichtige Kunstrichtung. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beginnt der Untergang des Museums und des Expressionismus. Bereits 1933 wird Ernst Gosebruch aus dem Amt gedrängt. Es folgt der linientreue Klaus von Baudissin. Es beginnt die dunkle Zeit der "entarteten Kunst" und damit verbunden die dramatischen Folgen, die bis heute spürbar sind.
Über 1.400 Werke des Museums Folkwang, darunter alle Gemälde der Expressionisten, wurden konfisziert und "aus heutiger Sicht zu Cent-Preisen verkauft zwecks Devisenbeschaffung", so der Museumsdirektor Peter Gorschlüter. Die, die nicht verkauft werden konnten, wurden zerstört. Der letzte Raum ist ganz dem Wiederaufbau der Sammlung gewidmet. Unmittelbar nach Kriegsende begann das Museum die Sammlung wieder aufzubauen. Teils konnten Gemälde zurückgekauft werden. Teils erwarb das Museum Werke privater Sammler. Es wurden auch Werke angekauft, die vor 1945 in privater Hand waren. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Verfolgten der NS-Diktatur zwischen 1933 und 1945 entzogen wurden, ist dies bis heute ein wichtiger Teil der Ursprungsrecherche und Teil der Arbeit des Museums.
Ein eigenes Ausstellungskapitel ist Paula Modersohn-Becker gewidmet. Die Künstlerin hatte die Familie Osthaus bereits im Jahr 1905 kennengelernt. Osthaus erwarb von der früh verstorbenen Paula Modersohn-Becker das Selbstbildnis mit Kamelienzweig sowie fünf Zeichnungen. Ergänzt wird die beeindruckende Schau aus Sammlungen internationaler Leihgaben aus ganz Europa. Dank des Engagements von Karl Ernst Osthaus und Ernst Gosebruch, die schon früh die große Bedeutung der Kunstrichtung entdeckten und der Rechercheleistung der Menschen im Folkwang Museum ist die Zeitreise entlang der rund 250 Werke ein unvergleichliches Erlebnis und zugleich ein Glücksgefühl, dass viele der bedeutenden Gemälde in das Museum der Expressionisten wieder zurückgekehrt sind.
Infos Folkwang Museum
Museumsplatz 1
45128 Essen
T +49 201 8845 000
info@museum-folkwang.essen.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Donnerstag bis Freitag 10 bis 20 Uhr
Eintrittspreise:
Standard 14 Euro/ermäßigt 8 Euro
Familienkarte 15 oder 29 Euro (Ermäßigungskonditionen auf der Website des Museums)
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen
Expressionisten am Folkwang
Entdeckt – Verfemt – Gefeiert
Museum Folkwang (Hrsg.) 392 Seiten, 340 Abbildungen, 38 Euro
Zur Ausstellung gibt es einen Audioguide mit 15 neuen Auditracks. Der kann über die App des Museums
Folkwang geladen kostenfrei bei Google Play bzw. im App Store geladen werden.
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Text:
Brigitte Klefisch /
handwerksblatt.de
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