Bundeskabinett beschließt Bürokratieentlastungsgesetz
Das von der Bundesregierung verabschiedete Bürokratieentlastungsgesetz IV soll die Wirtschaft um knapp eine Milliarde Euro jährlich entlasten. Der ZDH begrüßt das, fordert aber weitere Maßnahmen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Bürokratiewahnsinn im Handwerk
"Heute gehen wir den nächsten Schritt bei der Bekämpfung des Bürokratie-Burnouts", verkündete Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), nachdem das Bundeskabinett seinen Entwurf für das Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (BEG IV) verabschiedet hatte. Das BEG IV soll die Unternehmen pro Jahr um 944 Millionen Euro entlasten. Es ist Teil des von der Bundesregierung im Sommer 2023 auf der Kabinettsklausur in Meseberg beschlossenen Entbürokratisierungspakets.
Außerdem Teile des Pakets sind das Wachstumschancengesetz, die Anhebung der Schwellenwerte zur Bestimmung der Unternehmensgrößenklassen nach der Bilanzrichtlinie, eine Initiative zur Reduktion von Bürokratielasten auf EU-Ebene gemeinsam mit Frankreich und eine Sammelverordnung zur Reduktion von Bürokratie auf Verordnungsebene. Durch alle Maßnahmen soll die Wirtschaft mehr als drei Milliarden Euro einsparen. "Damit sind die Mesberger Beschlüsse das größte Bürokratieabbauprogramm, das es in Deutschland je gab. Der Bürokratiekostenindex fällt dadurch auf sein Allzeittief", betont Buschmann.
Entlastungsvolumen gestiegen
Das Justizministerium hatte im Januar dieses Jahres den Referentenentwurf zum Gesetz vorgelegt. Der jetzt verabschiedete Entwurf sieht ein um 262 Millionen größeres Entlastungsvolumen vor. Ursprünglich sollte es bei 682 jährlich liegen. Buschmann: "Das zeigt: Die Bundesregierung hat verstanden. Das BEG IV darf nur ein nächster, nicht der letzte Schritt sein. Denn Bürokratieabbau ist ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif. Wir müssen weitere Gesetze abbauen, vereinfachen und entschlacken – darüber besteht in der Bundesregierung Einigkeit. Klar ist: Bürokratieabbau muss ein Dauerbrenner dieser Legislaturperiode sein."
Diese Maßnahmen sind vorgesehenAufbewahrungsfristen werden verkürzt: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie etwa Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Die Unternehmen können die Belege daher früher als bisher entsorgen und sparen dadurch erhebliche Aufbewahrungskosten.
Zentrale Vollmachtsdatenbank für steuerberatende Berufe: Steuerberater können künftig Generalvollmachten im Bereich der sozialen Sicherung zentral hinterlegen.
Hotelmeldepflicht wird abgeschafft: Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige wird abgeschafft.
Schriftformerfordernisse werden reduziert: Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sollen Schriftformerfordernisse zu Textformerfordernissen herabgestuft werden, soweit dies angemessen und sachgerecht ist. Anders als die Schriftform setzt die Textform keine eigenhändige Unterschrift voraus: Beispielsweise reichen auch eine E-Mail, eine SMS oder eine Messenger-Nachricht aus. Entsprechende Herabstufungen sind unter anderem im Vereinsrecht und im Gesellschaftsrecht geplant. So sollen Vereinsmitglieder ihre Zustimmung zu einem Beschluss, der ohne Mitgliederversammlung gefasst wurde, künftig auch in Textform erklären können. Auch sollen GmbH-Gesellschafter – bei Beschlüssen außerhalb einer Versammlung – ihre Stimme in Textform abgeben können, wenn sämtliche Gesellschafter damit einverstanden sind. Zudem sollen Schriftformerfordernisse im Schuldverschreibungsgesetz sowie im Depotgesetz herabgestuft werden.
Öffentliche Versteigerungen auch online möglich: Die Möglichkeiten, öffentliche Versteigerungen durchzuführen, sollen erweitert werden. Künftig sollen sie wahlweise auch online per Livestream oder in hybrider Form (vor Ort und online) stattfinden können.
Die Fluggastabfertigung kann künftig auch digital erfolgen: Hierdurch werden die Abläufe am Flughafen beschleunigt. Zum Zweck der digitalen Fluggastabfertigung können, mit ausdrücklicher Einwilligung des Reisenden, bestimmte Daten aus dem Reisepass ausgelesen werden.
Äußerungsfrist wird verkürzt: Die Äußerungsfrist bei Öffentlichkeitsbeteiligungen in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, in denen aufgrund von Änderungen des Vorhabens eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist, soll angemessen verkürzt werden können.
Quelle: BMJ
"Es ist wichtig, dass das Bürokratieentlastungsgesetz nun auf den Weg gebracht wird", sagt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er weist auf weitere Entlastung durch die fast abgeschlossene ressortübergreifende Bürokratieentlastungsverordnung hin. "Gleichzeitig ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können, um zu spürbaren Entlastungen zu kommen. Wir müssen das BEG IV daher mit weiteren themenspezifischen Entlastungspaketen ergänzen."
Praxischecks ausweiten
Der Minister kündigt an, dass das verstärkte Anwenden von Praxischecks aller Ressorts und der Länder zur zweiten Säule der Bürokratieentlastung werden soll. "Das Instrument werden wir deshalb schrittweise auf weitere, vor allem für den breiten Mittelstand relevante Themen wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung, dem Beauftragtenwesen oder den Datenschutz ausrollen", so Habeck. Auch sollen weitere Erleichterungen für Start-ups und innovative, gemeinwohlorientierte Unternehmen geschaffen werden.
Weitere geplante Maßnahmen: Die nachhaltige Beschaffung soll mit einem Vergabetransformationspaket einfacher und so gestaltet werden, dass davon auch regionale und lokale Unternehmen profitieren können. "Wir streichen das vorgelagerte Genehmigungsverfahren sowie die Stichprobenprüfung durch die Eichbehörden in Bezug auf Software-Updates bei Smart-Meter-Gateways. Wir verfolgen konsequent den Aufbau des Basisregisters für Unternehmen. Zukünftig sollen Unternehmen ihre Daten der Verwaltung nur einmal mitteilen müssen." Zudem soll die Außenwirtschaftsverordnung so geändert werden, dass neben dem schriftlichen auch der elektronische Erlass von Verwaltungsakten vorgesehen wird.
Handwerk fordert weitere Maßnahmen
"Die Bundesregierung schärft beim Bürokratieabbau richtigerweise nach und greift insbesondere beim Nachweisgesetz den Vorschlag des Handwerks für eine weitgehende Abschaffung der Schriftform für Arbeitgeber auf. Die eingeschlagene Richtung stimmt", kommentiert Holger Schwanncke. Die Maßnahmen reichten aber bei weitem nicht, um Handwerksbetriebe insgesamt und spürbar zu entlasten, so der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. "Eine noch deutlichere Botschaft des Bürokratieabbaus ist notwendig." Potenzial dafür bestehe, der Bundestag sei nun gefordert, weitere Entlastungsmaßnahmen zu verabschieden."
Ähnlich argumentiert der Geschäftsführer des Sächsischen Handwerkstages, Andreas Brzezinski: "Der Gesetzentwurf zielt aus Handwerkssicht in die richtige Richtung. Dennoch: Unseres Erachtens reichen die beschlossenen Maßnahmen keinesfalls aus, um Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen so zu entlasten, dass diese Effekte im Unternehmensalltag auch tatsächlich spürbar sind. Immerhin sind gerade kleine Player im Wettbewerb am Markt durch eine Fülle an Melde-, Berichts- und Dokumentationspflichten gegenüber Großunternehmen seit jeher besonders benachteiligt."
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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