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Volles Auftragsbuch für neue Landesregierung

Handwerkspolitik

Brandenburg hat gewählt. Die SPD erhielt als stärkste politische Kraft ­erneut den Regierungsauftrag und ist aktuell dabei, Koalitionspartner zu ­finden. Die Erwartungen an die künftige Koalition in Potsdam sind groß.

Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben den politischen Akteuren auf Landesebene mit ihrer Wahlentscheidung am 22. September klare Ansagen gemacht und ihnen zugleich eine wohl nicht einfache Regierungsbildung aufgetragen. Grüne, Linke und Freie Wähler gehören dem neuen Parlament nicht mehr an. Künftig residieren lediglich SPD, AfD, BSW und die CDU auf den Regierungs- bzw. Oppositionsbänken des Potsdamer Landtags.

Welche Koalition der alte und vermutlich künftige Ministerpräsident Dietmar Woidke schmieden wird, stand zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Allzu viel Zeit für die Regierungsbildung sollten sich die Spitzenpolitiker jedoch nicht nehmen. Denn das Auftragsbuch für die neue Landesregierung ist – aus Sicht des brandenburgischen Handwerks - bereits gut gefüllt.

Corina Reifenstein, Präsidentin der Handwerkskammer Cottbus, betrachtet "die Ergebnisse der Landtagswahl in Brandenburg als ein deutliches Warnzeichen an die Politik. Der Zulauf zu den politischen Rändern zeigt die Verunsicherung und auch die Unzufriedenheit vieler Menschen darüber, ob sich das Land in die richtige Richtung entwickelt. Die Handwerksbetriebe brauchen Entlastungen an vielen Stellen. Und das schnell. Dietmar Woidke hat den Bürokratieabbau im Wahlkampf zur Chefsache gemacht. Daran werden wir ihn messen. Rund 40 konkrete Vorschläge aus der brandenburgischen Wirtschaft liegen der Staatskanzlei vor. Hier brauchen wir schnell zählbare Ergebnisse, die in den Unternehmen auch ankommen."

Wolf-Harald Krüger, Präsident der Handwerkskammer Frankfurt (Oder), ermahnt die künftigen Koalitionäre, aus den Fehlern der vergangenen Jahre zu lernen: "Die hohe Wahlbeteiligung zeigt das große politische Verantwortungsbewusstsein der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Und das Wahlergebnis macht deutlich, dass die Wähler die Arbeit der Regierungskoalition sehr kritisch sehen. Die Parteien sollten das Ergebnis mit Demut zur Kenntnis nehmen und sagen: Wir haben verstanden! Ein 'Weiter so' darf es in den nächsten fünf Jahren nicht geben."

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Seiner Kollegin und seinem Kollegen zustimmend, ergänzt der Potsdamer Handwerkskammerpräsident Robert Wüst die Erwartung, "dass Brandenburg weiterhin als offenes und vielfältiges Bundesland wahrgenommen wird, in dem sich Unternehmertum und Investitionen lohnen und Innovationen umgesetzt werden können. Gerade das klein- und mittelständisch geprägte Handwerk in Brandenburg braucht einen funktionierenden Staat und entschlossenes politisches Handeln. Die Praktikumsprämie wurde vor der Wahl zugesagt – wir werden darauf achten, dass sie umgesetzt wird".

Für kostenfreie Meisterausbildung


Forderungen an die politisch Verantwortlichen nach der Landtagswahl äußerten auch Vertreter der brandenburgischen Handwerksinnungen. "Steuerersparnisse sind sicherlich ein Thema", sagt Daniel Konradt, Obermeister der Innung des Schornsteinfegerhandwerks Potsdam. Besonders am Herzen liegt dem Schornsteinfegermeister und Gebäudeenergieberater aus Brieselang aber die Stärkung des Meistertitels im Handwerk. "Uns droht ein Meistermangel in den nächsten zehn Jahren", befürchtet Konradt, "das Land sollte den Erwerb des Meistertitels daher kostenfrei stellen." Die Ausbildung im Handwerk müsse der akademischen Ausbildung endlich gleichgestellt werden. "Andere Länder wie Bayern gehen bei diesem Thema voran, Brandenburg sollte ihrem Beispiel zügig folgen", wünscht sich Konradt.

So ließen sich mehr junge Menschen zum Erwerb des Meistertitels motivieren. Ähnlich sieht es Doreen Vogel, Geschäftsführerin der Augenoptiker- und Optometristen-Innung des Landes Brandenburg: "Die Meisterausbildung sollte kostenlos sein." Gerade im Optikerhandwerk müsse der Meistertitel gestärkt werden. "Der Fokus in der Optikerbranche muss ­weiter auf dem Handwerk liegen", erklärt Doreen Vogel. Die Meisterqualifikation garantiere dem Kunden gute Qualität. Gerade für eine Branche, die mit der Nachfolgeproblematik zu kämpfen habe, sei es wichtig, dass mehr Meisterabschlüsse getätigt werden. Darüber hinaus sollte die Bildungspolitik des Landes in den Schulen Unternehmertum und Leistungsbereitschaft stärker fördern.

Förderung: Mehr Berufsorientierung in Brandenburger Schulen

Eine stärkere Berufsorientierung in den Brandenburger Schulen steht auch bei Jürgen Mahl, Obermeister der Innung für das Metallhandwerk im Landkreis Elbe-Elster, ganz oben auf der Agenda. Der Metallbauer aus Doberlug-Kirchhain fordert, dass das Thema Berufswahl auch in den unteren Klassen bereits im Lehrplan Einzug hält: "Die Kinder sollten früh mit dem Handwerk in Kontakt kommen, praktische Dinge lernen und Berufe vorgestellt bekommen. Das Handwerk muss mehr Möglichkeiten erhalten, in den Schulen präsent zu sein." Deshalb solle die künftige Landesregierung die bereits bestehenden Lehrinhalte weiter ausbauen.

Lutz Kirstein, Obermeister der Bäcker- und Konditorinnung Brandenburg an der Havel/Belzig, hegt noch einen anderen Wunsch. Der Inhaber der Landbäckerei Kirstein in Kloster Lehnin hat, wie viele andere Bäckermeister im Land auch, in energieeffiziente Technik investiert. "Das Fördersystem muss einfacher werden", so sein Appell an die kommende Landesregierung. "Es kann nicht sein, dass kleine Betriebe für die Beantragung von Fördermitteln externe Beratung benötigen." Eine Vereinfachung des Antragssystems würde auch wieder mehr Investitionen im Handwerk auslösen.

Steffen Schoppe, Obermeister der Tischlerinnung Oder-Spree, hatte erst jüngst beim Besuch von Wirtschaftsminister Jörg Steinbach beim Fachverband Tischler Brandenburg Gelegenheit, seine Forderungen direkt zu adressieren. Ob Steinbach auch künftig das Amt bekleiden wird, ist noch offen. Schoppes Wunsch, dass sich das Land stärker an den Kosten der Ausbildung im Handwerk beteiligt, bleibt aber bestehen. Auch für den Bad Saarower Tischlermeister müssen für die berufliche Ausbildung die gleichen Bedingungen wie für die akademische Ausbildung gelten. "Eigentlich ist die Ausbildung und deren Kosten eine Staatsaufgabe", so Schoppe. Wenn die Ausbildungskosten etwa durch höhere Entgelte für Auszubildende noch weiter steigen, zögen sich noch mehr Handwerksbetriebe aus der Ausbildung zurück, ist Schoppe überzeugt.

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Text: / handwerksblatt.de

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