Die Politik lasse derzeit eine Fokussierung auf die Überwindung der strukturellen wirtschaftlichen Probleme in der Metropolregion Ruhr vermissen, sagt Carsten Harder. (Foto: © Frank Rogner)

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Ruhrgebiet: Metropolregion im Umbruch

Handwerkspolitik

Carsten Harder, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dortmund, spricht mit dem Handwerksblatt über die Entwicklung des Ruhrgebiets nach dem Kohleabschied. Manches gehe in die richtige Richtung, viele Chancen würden aber vertan.

Im Wettbewerb mit anderen Metropolregionen müsse die Region Ruhr an wirtschaftlicher Stärke zurückgewinnen, fordert das Handwerk im Ruhrgebiet. Es komme darauf an, Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Handwerksblatt: Vor gut einem Jahr haben die Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften an der Ruhr ihre Erwartungen zur Entwicklung der Metropolregion nach dem Kohleabschied in einem Positionspapier formuliert. Wurden die Anliegen des Handwerks auf allen politischen Ebenen gehört und haben Sie das Gefühl, dass auch danach gehandelt wird?
Harder: Wir haben eine Reihe von positiven Rückmeldungen und Impulsen aus der Politik erhalten. Zusammenfassend betrachtet fehlt jedoch noch eine zielgerichtete und strukturierte Entwicklung hin zu einer Mittelstandsorientierung der Region. Die im Rahmen der Ruhr-Konferenz erarbeiteten 75 Projektideen bestärken leider diesen Eindruck. Insgesamt lassen die Projektvorschläge in weiten Teilen eine Fokussierung auf die Überwindung der strukturellen wirtschaftlichen Probleme in der Region vermissen und bedienen stattdessen möglichst jede und jeden. Die sicherlich begrenzten finanziellen Mittel können so nicht auf das Notwendige konzentriert werden.

Handwerksblatt: Ökonomische Mono­strukturen haben sich im Revier aus Ihrer Sicht als nicht wettbewerbsfähig erwiesen, weil sie zu unflexibel waren. Können Sie bereits den von Ihnen geforderten mentalen Wechsel zu kleineren, dezentralen Einheiten feststellen?
Harder: Nach wie vor spielen Lösungen, die durch die öffentliche Hand erzielt oder die durch Großstrukturen aufgegriffen werden sollen, eine bedeutende Rolle. Sowohl die Erkenntnis, durch Dezentralität und durch eine Vielzahl von kleineren Einzelmaßnahmen neue strukturelle Entwicklungen anzustoßen, als auch die Anwendung von geeigneten Instrumenten und eine entsprechende Schwerpunktsetzung sind für die Region noch erheblich ausbaubar. Die von uns geforderte Flexibilität und Offenheit benötigen wir jedoch dringend, um nachhaltige und zukunftsweisende Wirtschaftseinheiten zu fördern und Innovationsprozesse zu stärken.

Handwerksblatt: Sie fordern besonders für die Metropole Ruhr hervorragende Angebote der beruflichen Bildung. Was hat sich in einem Jahr getan?
Harder: Der Mangel an Fachkräften und Auszubildenden ist aktuell das größte Konjunkturrisiko in der Metropole Ruhr. Unternehmen fällt es zunehmend schwer, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Neben Demografie werden die durch die Digitalisierung voranschreitenden Veränderungen der Arbeitswelt das Problem weiterhin verschärfen. Es ist daher wichtiger denn je, die Attraktivität und Leistungsfähigkeit der dualen Ausbildung, Fort- und Weiterbildung zu stärken. Der erst kürzlich von Land und Wirtschaft unterzeichnete „Modernisierungspakt Berufliche Bildung“ ist daher ein richtiger und wichtiger Schritt. Wenn wir über die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung reden, ist auch die Einführung des Azubi-Tickets NRW ein wertvolles Signal.

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Handwerksblatt: Sie fordern auch eine mittelstandsorientierte Verwaltung. Wie weit sind Land und Kommunen bei der Umsetzung einer einfacheren Verwaltung?
Harder: Es gibt in der Region eine Vielzahl von Anstrengungen, insbesondere durch die Digitalisierung Transparenz und Effizienz in der Verwaltungsstruktur zu erzielen. Es sind allerdings bisher nur einzelne konkrete Maßnahmen erkennbar oder in der Umsetzung. Im Rahmen der Ruhr-Konferenz haben die Wirtschaftskammern deshalb das Projekt eines digitalen Behördenportals vorgeschlagen, bei dem es um Schaffung eines einheitlichen Portals geht, das Unternehmen und Bürgern die Kommunikation mit der Verwaltung erleichtert und hilft kommunale Insellösungen zu vermeiden. Wir halten weiterhin am Projektvorschlag fest, weil wir der festen Überzeugung sind, dass der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet davon erheblich profitieren würde.

Handwerksblatt: Wie sehr belastet die von Ihnen kritisierte unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand den Mittelstand an der Ruhr?
Harder: Eine überdehnte wirtschaftliche Betätigung schwächt grundsätzlich den ortsansässigen Mittelstand. Gesunde und leistungsstarke Wirtschaft basiert stets auf natürlichem Leistungswettbewerb. Eine wirtschaftspolitische Intervention leistet selten einen Beitrag zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung eines Wirtschaftsstandortes.

Handwerksblatt: Der Landtag hat Änderungen des Landesentwicklungsplans zugestimmt. Kommunen haben nun mehr Spielraum bei der Flächenausweisung. Was erwarten Sie nun von den Gemeinden angesichts der Flächenengpässe, die es besonders im Ruhrgebiet für die Wirtschaft gibt?
Harder: Die Änderungen des Landesentwicklungsplanes müssen Eingang in den Regionalplan Ruhr finden, um der wirtschaftlichen Entwicklung mehr Spielraum zu geben. Der Regionalplan sollte ein schlüssiges Konzept für die Lösung der Strukturprobleme der Region liefern. Da das Aufstellungsverfahren des Regionalplans Ruhr jedoch auf die Zeit nach der Direktwahl des Ruhrparlaments 2020, wahrscheinlich bis 2023, verschoben wurde, ist diese Chance nun erst einmal vertan. Es gilt jetzt nach vorne zu blicken und den neuen Regionalplan sorgfältig, aber auch zielgerichtet vorzubereiten. Dabei müssen die Voraussetzungen für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung geschaffen werden. Eine höhere Priorität muss dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen und damit der Ausweisung von ausreichend verfügbaren Gewerbeflächen beigemessen werden. Ergänzend muss die Altlastensanierung insbesondere auch von schwerbelasteten Flächen umfassend erfolgen. Zwischenzeitlich müssen zeitnah Regionalplanänderungsverfahren eingeleitet werden. Eine Stagnation darf es nicht geben.

Die Fragen stellte Lars Otten

Text: / handwerksblatt.de

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