Jahreswirtschaftsbericht: Bremsen der Betriebe lösen
Der Sachverständigenrat rechnet in seinem Jahreswirtschaftsbericht für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum von nur 0,7 Prozent. Die Politik müsse endlich handeln, fordert das Handwerk.
"Die Corona-Pandemie und die Energiekrise haben in Europa und insbesondere in Deutschland deutliche Spuren hinterlassen." Das schreibt der Sachverständigenrat in seinem Jahreswirtschaftsbericht 2023/24 mit dem Titel "Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren". Die Wirtschaftsleistung Deutschlands liege aktuell fast auf demselben Niveau wie zu Beginn der Pandemie vor rund vier Jahren. "Deutschland verzeichnet damit seit Beginn der Corona-Pandemie das geringste Wachstum aller Volkswirtschaften des Euro-Raums."
Während Deutschland noch recht gut durch die Krankheitswelle gekommen sei, habe sich die Wirtschaft mit Einsetzen der Energiekrise nur sehr schwach entwickelt. "Gegenüber dem Vorjahr dürfte die Wirtschaftsleistung im aktuellen Jahr schrumpfen und im kommenden Jahr deutlich langsamer wachsen als in den 2010er-Jahren." Die politischen Maßnahmen zur Umstellung der Energieversorgung und zur Abfederung der Auswirkungen der Energiekrise hätten einen tieferen Einbruch verhindern können, auf lange Sicht erkennen die Experten jedoch "deutliche Wachstumshemmnisse".
Erwerbsanreize verbessern
JahreswirtschaftsberichtHier finden Sie den ausführlichen Bericht des Sachverständigenrats.Dazu gehöre der demografische Wandel und der damit verbundene Rückgang der Gesamtbevölkerung und des inländischen Arbeitsvolumens. Zudem sei das Produktivitätswachstum und das Wachstum des Kapitalstocks (Bestand an technischen Anlagen, Maschinen und zu Produktionszwecken genutzten Gebäuden und Grundstücken), aber auch der Modernitätsgrad des Kapitalstocks, rückläufig. Indikator dafür seien die niedrigen und gesunkenen Gründungsraten und die geringe Verfügbarkeit von Wagniskapital für junge Unternehmen. All dies zeichne sich bereits seit vielen Jahren ab.
"Deutschland droht somit eine Alterung nicht nur seiner Bevölkerung, sondern auch seiner industriellen Basis", folgert der Sachverständigenrat. Er rät dazu, die Erwerbsanreize zu verbessern und die Zuwanderungspolitik zu modernisieren, um das Sinken des Arbeitsvolumens zu dämpfen. "Gleichzeitig sollten die Innovations- und Investitionstätigkeit gesteigert werden, um die Wirtschaft zu modernisieren und das Produktivitätswachstum zu steigern." Hier könnten Technologien wie künstliche Intelligenz zur Modernisierung der Wirtschaft beitragen.
Strukturwandel der Wirtschaft unterstützen
Es sei Aufgabe der Politik, den Strukturwandel der Wirtschaft zu unterstützen. Der Rat empfiehlt Reformen des Kapitalmarkts auf deutscher und europäischer Ebene, um zu einem "tieferen und besser integrierten" Kapitalmarkt zu kommen. Denn: Das derzeit knappe Angebot an kapitalmarktbasierter Finanzierung für Unternehmen in Europa behindere Investitionen und bremse die grüne Transformation und die Digitalisierung. Außerdem gebe es verschiedene Reformoptionen für das Steuer-Transfer-System, um die Armutsgefährdung zu reduzieren und die Erwerbsanreize zu stärken.
Holger Schwannecke Foto: © ZDH / Schuering"Die deutlich nach unten korrigierte Konjunkturprognose ist in ihrer Botschaft an die Politik eindeutig: Es ist keine Zeit mehr für lange politische Grundsatzdiskussionen und schon gar keine Zeit mehr für politisches Taktieren, weder auf Landes- und noch weniger auf Bundesebene", betont Holger Schwannecke. "Alle politischen Entscheidungen müssen darauf ausgerichtet sein, dass wir wieder auf einen Wachstumspfad kommen. Aktuell sind die Betriebe zu stark belastet, zu sehr gefesselt und zugleich mit einer vielerorts nur unzulänglichen Infrastruktur konfrontiert."
Bremsen der Betriebe lösen
Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks fordert "echte, strukturelle Reformen, um die Konjunktur zu beleben, Investitionen anzureizen und anstehende Transformationsaufgaben zu meistern". Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft seien überfällig. "Für die Politik ist der Handlungsauftrag, Bremsen der Betriebe zu lösen, Belastungen zu stoppen, Leistung wertzuschätzen, Planbarkeit zu schaffen."
Zu den kurzfristigen Maßnahmen müsse jetzt die Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes gehören. Schwannecke: "Die bisherige Hängepartie hat dazu geführt, dass Betriebe Zukunftsinvestitionen zurückhalten, die gerade jetzt dringend erforderlich wären. Sollte wegen einer fehlenden Einigung im Vermittlungsausschuss das Wachstumschancengesetz weiter in der Schwebe bleiben, wäre das ein herber Rückschlag und würde die Betriebe des Handwerks weiter verunsichern."
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben