Interview: Lieber eine Umweltspur als Fahrverbote
Heinrich Bottermann, Staatssekretär im Umweltministerium NRW, will die Mobilität der Bürger und der Unternehmen erhalten. Deswegen seien Fahrverbote als Maßnahme für die Luftreinhaltung wenn möglich zu vermeiden.
Staus, drohende Fahrverbote, hohe Kosten für emissionsarme Fahrzeuge und das Bemühen der Kommunen, die Luftreinhaltepläne einzuhalten, stehen wenig im Einklang mit dem Wunsch nach flüssiger Mobilität. Dr. Heinrich Bottermann, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, sprach mit dem Handwerksblatt über die verkehrspolitische Klimawende.
Infos zum Thema "Fahrverbote"!
DHB: Drohende Fahrverbote, ein quälend langsamer bis stehender Berufsverkehr an Stadtgrenzen dank Umweltspur und Pförtnerampeln – heißt die verkehrspolitische Klimawende nicht erst einmal Stau?
Bottermann: Es stimmt, ein Stau im Berufsverkehr regt natürlich die Pendlerinnen und Pendler auf, wenn kein echtes Hindernis vorhanden ist, sondern es in diesen Fällen um die Einhaltung von Grenzwerten geht. Da fehlt oft das Verständnis, aber wie zum Beispiel hier in Düsseldorf sind verkehrslenkende Maßnahmen oft die einzige Chance, um generelle Fahrverbote zu vermeiden. Entscheidend ist immer die lokale Situation, die vorgibt, mit welchen Maßnahmen Grenzwerte in der Luftreinhaltung einge halten werden können. Da gibt es viele gute Ideen, um den Verkehr flüssig zu halten. Aber auch die Anreize, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, müssen stimmen.
DHB: Wer morgens im Umweltspur-Stau steckt, vermutet aber eher, dass die Emissionen in den neuen Stauzonen die Luftreinhaltung konterkarieren.
Bottermann: Die Luftreinhaltung ist eines unserer zentralen Themen. Wir müssen die Luftqualität in unseren Ballungsräumen nachhaltig verbessern und den Ausstoß von Stickoxiden reduzieren, um den Stickstoffdioxidgrenzwert zügig und fl ächendeckend einzuhalten und Fahrverbote zu vermeiden. Unser Ziel ist es, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, die Mobilität der Menschen und der Unternehmen zu erhalten und sie dabei so emissionsarm wie möglich zu gestalten. Umweltspuren sind dabei ein mögliches Instrument, um Verkehrsströme kurzfristig anders zu lenken. Sie sollen den Umstieg auf Bus und Bahn, Fahrrad oder auch Fahrgemeinschaften fördern. Zu hohe Stickstoffdioxid-Werte können dadurch in belasteten Straßen kurzfristig reduziert werden. Wenn sich Kommunen entscheiden sollten, das Konzept der Umweltspur nicht fortzuführen, müssen die Verantwortlichen Alternativmaßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte schnellstmöglich entwickeln, um so Fahrverbote zu vermeiden.
DHB: Die Infrastruktur ist ja oft auch nicht ideal.
Bottermann: Hier wurde vieles in den vergangenen 20 Jahren stark vernachlässigt. Ein Beispiel sind Pendlerparkplätze und ein Nahverkehr, der die Menschen in angemessener Zeit zum Arbeitsplatz bringt. Gleiches gilt für die Schiene: Ein besseres Netz und eine erhöhte Taktfrequenz könnten mehr Menschen zum Umstieg bewegen.
Infos zum Thema "Elektromobilität– eine Alternative für Handwerker"!
DHB: Wobei der Berufsverkehr das eine, der gewerbliche Verkehr das andere ist. Welchen Mix sollte ein Handwerksbetrieb in Sachen Flotte heute unterhalten?
Bottermann: Wer nur in der Innenstadt fährt und kurze Wege hat, kann natürlich auf ein E-Auto setzen, das Angebot ist da. Aber der normale Ein- und Auspendler im Handwerk mit einer Tagesleistung von 100 bis 150 Kilometern wird das kaum tun. Hier kann kurzfristig die Hardware-Nachrüstung ein sinnvoller Ansatz sein. Wir müssen Fahrzeuge haben, die emissionsarm sind und eine gezielte Lenkungswirkung in den Ballungszentren bekommen, um aus dem Stau rauszukommen. Da gibt es viele Ansätze, aber einen Königsweg hat noch keiner gefunden.
Alle Infos zum Reizthema Dieselfahrverbot!
DHB: Von jetzt auf gleich wird aber keiner seine Flotte umstellen können.
Bottermann: Wir unterstützen die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge ausdrücklich. Die jetzt auf Initiative Nordrhein-Westfalens erhöhten Förderbeträge helfen. Ich kann nur an die Handwerker appellieren, ihre Fahrzeuge umzurüsten. Die Luftreinhaltung ist eine Daueraufgabe, die dem Gesundheitsschutz aller Bürgerinnen und Bürger dient.
DHB: Das heißt aber auch Neuanschaffung. Und das trifft die Betriebe, die noch vor drei Jahren einen Transporter mit Euro 5 angeschafft haben.
Bottermann: Wir fördern daher auch Neuanschaffungen von Elektrofahrzeugen. Klar, wer vor drei Jahren ein Fahrzeug mit Euro 5 gekauft und viel Geld in den Aufbau investiert hat, steht vor einem Problem. Da fehlt die Verlässlichkeit, und ich finde, man sollte sich an Abschreibungszeiträumen von Fahrzeugen orientieren. Wer sein Fahrzeug nicht in die Ecke stellen will, dem bleibt alternativ die – geförderte – Nachrüstung.
DHB: Wo sehen Sie die Mobilität der Zukunft?
Bottermann: Der Anteil an E-Fahrzeugen wird steigen, aber wir werden auch auf andere Technologien setzen müssen. Die Brennstoffzelle ist eine davon, mein Lieblingsbeispiel ist aber das Erdgas. Das ist überall in Deutschland verfügbar, und wir können Methan über Biomasse produzieren oder synthetisch gewinnen. Das hat den Charme, dass wir Verbrennungsmotoren in Betrieb halten können, aber mit einem CO2 - neutralen Treibstoff fahren.
DHB: Trotzdem schwebt über vielen Betrieben noch das Damoklesschwert der Fahrverbote.
Bottermann: Die Fahrzeugflotten verändern sich, die Maßnahmen der Luftreinhaltepläne greifen und die ersten Messergebnisse aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass unsere Luft besser wird. Ich will nicht verhehlen, dass die Deutsche Umwelthilfe, mit der wir natürlich ausgiebig diskutieren, mit vielen ihrer Forderungen weit über das Ziel hinausschießt. Das Oberverwaltungsgericht in Münster zeigt bislang eine ausgewogene Rechtsprechung, die die Einhaltung der Werte fordert, bei den Maßnahmen aber auch die Interessen der Verkehrsteilnehmer berücksichtigt und Maßnahmen einer nachhaltigen Verkehrswende gegenüber Verboten bevorzugt.
Die Fragen stellten Stefan Buhren und Lars Otten.
Handwerk muss mobil sein!
Ein Kommentar von Andreas Ehlert, Präsident Handwerk.NRW
Andreas Ehlert, Präsident Handwerk.NRW Foto: © HWK DüsseldorfDie Anstrengungen zur Luftreinhaltung werden vom Handwerk nachdrücklich unterstützt. Wir beraten die Betriebe bei der Erneuerung ihres Fahrzeugbestandes und bei neuen Formen betrieblicher Mobilität. Unsere Kfz-Betriebe stehen als Partner für die Nachrüstung privater und gewerblicher Fahrzeuge bereit, unsere Elektrobetriebe bringen Ladeinfrastruktur zum Kunden und unterstützen damit die Etablierung der Elektromobilität. Rund ein Fünftel unserer Betriebe ist auf die eine oder andere Weise mit Produkten und Dienstleistungen rund um Klimaschutz, Mobilität und Energieeffizienz befasst und hilft, technische Innovationen zu verbreiten.
Auf der anderen Seite gilt: Handwerk muss mobil sein und für die Kunden erreichbar sein. Umweltspuren treffen daher auch das Handwerk ganz unmittelbar und sehr empfindlich. Umweltspuren sind nur dann zu verantworten, wenn flankierende Maßnahmen bereits im Vorfeld geplant und umgesetzt werden, damit die Menschen über echte Mobilitätsalternativen verfügen. Dazu zählt ein attraktiveres ÖPNV-Angebot, zum Beispiel durch vergünstigte Tickets, Parkand-Ride-Angebote, erhöhte Taktung, Erreichbarkeit auch von Gewerbegebieten.
Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten
Wo dies bislang nicht geschehen ist, muss dies schnellstmöglich nachgeholt werden. Es geht letztlich auch um die Frage, ob Umweltspuren tatsächlich einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten. Im Rahmen von vorgeschalteten Verkehrsgutachten müssen geeignete Strecken identifiziert und Ausweichstrecken mit Blick auf unerwünschte Emissionsverlagerung genau untersucht werden, damit Umweltspuren die Luftreinhaltung nicht konterkarieren. Solche Gutachten müssen auch darauf eingehen, wo insbesondere Einpendlern zum Beispiel durch Mobilitätsstationen der Umstieg auf den ÖPNV möglichst einfach und barrierefrei ermöglicht werden kann.
Umweltspuren sind kontraproduktiv und sinnlos, wenn sie durch Staus zu mehr Emissionen führen. Einen wichtigen Beitrag zur Schadstoffminimierung leisten dagegen Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung. Hier eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten wie Parkleitsysteme oder flexible Ampelschaltungen. Klimapolitik darf nicht in Aktionismus und Panikaktionen ausarten. Auch hier kommt es auf Konstanz und Kohärenz der Politik an: Sie muss verlässlich und berechenbar sein und darf sich nicht in Zielkonflikten verheddern. Nur dann gelingt eine nachhaltige Verkehrswende! Text: Andreas Ehlert
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben