Fachkräfteeinwanderung wird einfacher
Der Bundestag hat das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen und der Bundesrat hat dem zugestimmt. Das Handwerk hofft nun auf eine schnelle Umsetzung ohne bürokratische Hürden für die Betriebe.
Es sei "notwendig, dass wir alle Register im Inland ziehen, um Arbeits- und Fachkräftesicherung zu betreiben", sagte Bundesarbeitminister Hubertus Heil (SPD) anlässlich der Debatte zum novellierten Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Deutschen Bundestag. "Wir brauchen alle helfenden Hände und klugen Köpfe, die wir kriegen können – im eigenen Land und durch gesteuerte qualifizierte Einwanderung." Das geänderte Gesetz soll ein Baustein sein im Kampf gegen den Fachkräftemangel und es Betrieben erleichtern, qualifiziertes Personal aus Drittstaaten zu beschäftigen.
Die Bundesregierung sieht für die Einwanderung von Fachkräften drei Wege vor: Mit der Blauen Karte EU können sie schon jetzt mit einem anerkannten Abschluss nach Deutschland kommen. Dieser Weg soll künftig noch mehr Fachkräften mit Hochschulabschluss offen stehen. Wer einen solchen Abschluss hat, soll in Zukunft jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen. Außerdem soll es noch attraktiver werden, für eine Berufsausbildung oder ein Studium einzuwandern und auch nach dem Abschluss hier zu arbeiten.
Einfachere und kürzere Verfahren
Der zweite steht die Berufserfahrung im Mittelpunkt. Arbeitskräften, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben, dürfen über diesen Weg einwandern. Hier ist entweder eine Gehaltsschwelle einzuhalten oder der Arbeitgeber muss tarifgebunden sein. Der Berufsabschluss muss dann nicht mehr in Deutschland anerkannt sein. So will die Regierung die Verfahren vereinfachen und verkürzen. Wer die notwendige Schwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss weiterhin anerkennen lassen.
Die Anerkennung eines Berufsabschlusses in Deutschland soll auch nach der Einreise möglich sein. Dafür müssen Fachkräfte und Arbeitgeber eine Anerkennungspartnerschaft eingehen. So kann der Arbeitnehmer kann das Anerkennungsverfahren in Deutschland nachholen und nebenher schon qualifiziert arbeiten, während der Arbeitgeber schneller eine qualifizierte Fachkraft beschäftigen kann.
Chancenkarte mit Punktsystem
Für Menschen, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, aber Potenzial für den Arbeitsmarkt mitbringen, wird eine Chancenkarte eingeführt. Sie basiert auf einem Punktesystem. Zu den Kriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und Potenzial der Lebens- oder Ehepartnerinnen oder -partner. Bereits während der Arbeitsplatzsuche ist eine Beschäftigung im Umfang von bis zu zwanzig Wochenstunden erlaubt. Erlaubt ist auch die Probebeschäftigung bei einem zukünftigen Arbeitgeber für bis zu zwei Wochen.
Zusätzlich will die Regierung weitere Hürden für die Einwanderung aus dem Weg räumen. Die Westbalkan-Regelung wird deshalb entfristet und das Kontingent verdoppelt. Damit dürfen künftig jährlich bis zu 50.000 Staatsangehörige aus den sechs Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien nach Deutschland zuwandern. Sie können für jede Beschäftigung nach Deutschland einreisen ohne berufliche Qualifikationen nachweisen zu müssen.
Erleichterungen für IT-Spezialisten
IT-Spezialisten, die hierzulande derzeit besonders gefragt sind, können bereits heute ohne anerkannten Abschluss nach Deutschland kommen. Für sie wird die Gehaltsschwelle gesenkt und die Dauer der notwendigen Berufserfahrung. Außerdem sollen IT-Fachleute künftig keine Deutschkenntnisse mehr nachweisen müssen.
Im parlamentarischen Verfahren wurden nachträglich Änderungen eingebracht: Die Mindestgehaltsschwelle für die Erteilung der Blauen Karte EU für Regelberufe wird auf 50 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung abgesenkt. Asylbewerber mit Qualifikation und Arbeitsplatzangebot, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, können ihr Asylverfahren beenden und eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen ohne auszureisen und ein Visumverfahren zu durchlaufen.
Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug
Den Eltern einer Fachkraft soll künftig eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden können. Gleiches gilt für die Schwiegereltern der Fachkraft, wenn deren Ehepartner sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Zudem ist kann Chancenkarte um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn der Zuwanderer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt.
Jörg Dittrich Foto: © Sächsischer Handwerkstag/Wolfgang SchmidtDer Bundestag hat das Gesetz verabschiedet und der Bundesrat hat dem zugestimmt. Das Handwerk begrüßt das geänderte Gesetz und sieht viele "gute Ansätze, um Hürden aus dem Weg zu räumen und den Zuzug von ausländischen Fachkräften, die im Handwerk so dringend benötigt werden, nach Deutschland zu erleichtern". Handwerkspräsident Jörg Dittrich fordert eine zügige, bürokratiearme Umsetzung des Gesetzes. "Das beste Gesetz nützt nichts, wenn zu viel Bürokratie zu bewältigen ist und es an der Umsetzung hapert", sagt er.
Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung
Die Visaverfahren dauerten immer noch zu lange, die Ausländerbehörden seien überlastet und vor allem den kleinen und mittelständischen Betrieben fehle es an konkreten Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei der Integration vor Ort. Positiv aus Sicht des Handwerks sei, dass die bestehende Vorschrift zur Ausbildungsduldung zukünftig ersetzt wird durch eine neue Regelung, die vorsieht, im Asylverfahren befindlichen geflüchteten Menschen eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung zu erteilen.
Dittrich: "Bereits in der Vergangenheit hat sich das Handwerk intensiv für die Berufsausbildung von anerkannten oder geduldeten Asylbewerbern engagiert und ihnen eine Ausbildung ermöglicht. Die Zahlen sprechen für sich: 23.000 geflüchtete Menschen befinden sich derzeit in einer betrieblichen Ausbildung im Handwerk, was den starken integrativen Charakter dieses Wirtschaftsbereiches verdeutlicht. Jetzt erwartet das Handwerk, dass die neue Regelung bundeseinheitlich und rechtssicher durchgeführt wird, damit Ausbildungsbetriebe und ihre Auszubildenden eine verlässliche Grundlage für ihre Planung erhalten."
Hürden immer noch zu hoch
Felix Pakleppa Foto: © ZDBDie neuen Regeln zur Fachkräfteeinwanderung gingen in die richtige Richtung, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. "Aber sie greifen immer noch zu kurz. Der Praxischeck wird bald zeigen, dass noch nachgesteuert werden muss." Bestanden habe diesen Check schon die entfristete Westbalkan-Regelung. "Wir begrüßen diese Entscheidung sehr. Die Westbalkan-Regelung verzichtet auf den Nachweis einer formalen Qualifikation der Zuwanderungswilligen. Damit können die Unternehmer selbst entscheiden, ob die formelle Qualifikation oder auch eine langjährige Berufserfahrung für den Job ausreicht. In der Praxis funktioniert das gut."
Generell gelte: Je unbürokratischer eine Regelung gestaltet ist, desto besser wirke sie. "Bei allen anderen Zuwanderungsmöglichkeiten sind die formellen Hürden immer noch zu hoch. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verlangt eine mindestens zweijährige Berufsausbildung und eine ebenso lange Berufserfahrung. Da es weltweit in vielen Ländern keine zweijährigen Bau-Berufsausbildungen gibt, schafft dies insbesondere für den Bedarf nach Arbeitskräften unterhalb des Fachkraftniveaus unnötig hohe Zugangshürden."
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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