Jens Schmitt ist seit November 2023 Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes und stellt sie modern und zukunftsfest auf. Im Interview beschreibt er den Weg dahin und die Zusammenarbeit mit der saarländischen Politik.
DHB: Sie sind jetzt ein Jahr Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes – was haben Sie angetroffen?
Schmitt: Wenn man sich vor Augen hält, dass ich im Oktober 2023 angefangen habe und am 7. November 2023 die Staatsanwaltschaft erneut ins Haus kam, war das alles andere als ein Traumstart. Wir stehen in engem Austausch mit unserer Rechtsaufsicht, dem Wirtschaftsministerium, um alles aufzuarbeiten.
DHB: Die Ermittlungen dauern noch an…
Schmitt: …weshalb ich dazu erst einmal nichts sagen kann und möchte, bis alles juristisch aufgearbeitet ist. Wir bemühen uns gegenüber allen Seiten um höchstmögliche Transparenz und haben einen sehr guten Weg eingeschlagen.
DHB: Wie würden Sie den beschreiben?
Schmitt: Ich fange am besten mit meinen Zielen an. Priorität Nummer eins ist für mich das Image der Handwerkskammer, was eng verbunden ist mit dem Vertrauen der Betriebe in uns als Institution, aber auch mit Transparenz. Wir sind gegenüber dem Wirtschaftsministerium, aber auch gegenüber der Vollversammlung und den Betrieben rechenschaftspflichtig. Gerade die Betriebe müssen wissen, was wir mit ihren Beiträgen machen.
DHB: Sie verändern damit die Kommunikation der Kammer?
Schmitt: Ja, wir sind nach außen deutlich offener geworden und haben uns in der Öffentlichkeitsarbeit, inklusive der Sozialen Medien, wesentlich breiter aufgestellt und die Aktivitäten deutlich erhöht. Alles kam auf den Prüfstand, so arbeiten wir auch mit neuen Veranstaltungsformaten.
DHB: Ist das in der Öffentlichkeit und vor allem bei den Betrieben schon angekommen?
Schmitt: Ob es überall schon angekommen ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Viele Betriebe haben in den 12 Monaten schon definitiv gemerkt, dass wir "Kümmerer" sind, dieser Begriff trifft es am besten. Soll heißen, dass wir uns für die Belange der Betriebe einsetzen, sowohl was die betrieblichen Angelegenheiten als auch die Lobbyarbeit für das Handwerk angeht. Wir haben eine gute Basis gefunden, die wir jetzt verstetigen müssen.
DHB: Das funktioniert sicherlich nicht ohne interne Umstrukturierungen.
Schmitt: Richtig. Eine der wichtigsten Neuerungen für das nächste Jahr ist Umstellung unseres Haushalts von der Kameralistik auf die Doppik. So erreichen wir und unsere Gremien einen noch besseren, tieferen Einblick in unsere Finanzen, können besser und gründlicher analysieren, um notwendige Anpassungen vorzunehmen. Wir werden daher auch neue Prozesse einführen und weiter umstrukturieren, was in ein neues Organigramm mündet. Vieles ist noch nicht sichtbar, aber die Analysen und die Arbeiten, was wir wie verändern, sind im vollen Gang.
Ein Blick in die Zukunft: So soll das neue Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer des Saarlandes in Saarbrücken aussehen. Die Fertigstellung ist für Herbst 2025 vorgesehen. Foto: © HwK Saarland DHB: Eines ihrer laufenden Projekte ist das neue Berufsbildungszentrum.
Schmitt: Wir wollen voraussichtlich Ende 2025 die Eröffnung feiern. Bislang liegen wir gut im Plan. Bei so großen Bauprojekten muss man aber immer mit Verzögerungen rechnen. Die Eröffnung wollen wir eventuell mit der Feier zum 125-jährigen Jubiläum der Handwerkskammer verbinden. Da sind wir noch in der Planung.
DHB: Sind die Kosten für den Bau explodiert?
Schmitt: Nein, aber wir mussten leider auch Kostensteigerungen hinnehmen. Ursprünglich waren rund 45 Millionen Euro geplant und wir liegen derzeit bei 53 Millionen Euro. Mit den beteiligten Geldgebern, Bund und Land, sind wir im Gespräch, um das stemmen zu können. Da sind wir zuversichtlich, denn die Alternative, eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, wollen wir vermeiden, weil die Beiträge stabil bleiben sollen. Schon jetzt ist es uns ein großes Anliegen, uns bei den Fördergeldgebern zu bedanken, ohne die dieser Neubau nicht zu stemmen wäre.
DHB: Sie wollen mehr für Ihre Betriebe tun, weg von der reinen Selbstverwaltung hin zum Dienstleister für die Betriebe.
Schmitt: Das hatte ich vorhin mit dem Begriff "Kümmerer" schon angedeutet. Wir müssen beide Seiten erfüllen, unsere hoheitlichen Aufgaben und als Dienstleister für die Betriebe. Mit den jungen Meisterinnen und Meistern bekommen wir neue Mitglieder, die eine völlig andere Sichtweise auf die Kammer haben – mit einer anderen Erwartungshaltung. Das heißt zum Beispiel, dass wir unser Beratungsportfolio ausdehnen müssen. Ein Beispiel: Wir sind es gewohnt, Filme, Nachrichten oder Informationen rund um die Uhr abrufen zu können. Klassische Öffnungszeiten allein sind daher nicht mehr zeitgemäß. Die Konsequenz: Wir müssen digitaler werden und vieles online beantworten können – auch mit Hilfe der KI. Das Anspruchsdenken wird größer und eine Kammer muss sich modern aufstellen.
DHB: Wie ist die Zusammenarbeit mit der Politik im Saarland?
Schmitt: Die Kommunikation ist sehr gut, unsere Arbeit wird sehr wohlwollend aufgenommen, was auch gut ist. Wir brauchen schließlich die Politik, wenn wir die Rahmenbedingungen für das Handwerk verbessern wollen – und Kommunikation, der Dialog, das ist der erste Schritt. Und wenn man auf die Rahmenbedingungen blickt, wird klar, für das Handwerk muss es Verbesserungen geben, die nur die Politik liefern kann. Es gilt aber auch: Als Kammer des Saarlandes sind wir zugleich alleinige Landeshandwerksvertretung, was der Größe des Bundeslandes geschuldet ist. Wir haben uns vorgenommen, den Dialog mit der Politik noch intensiver zu führen, um die zentrale Rolle des Handwerks stärker in den Fokus zu rücken.
DHB: Das Saarland kommt ohne Kreishandwerkerschaften aus.
Schmitt: Richtig. Wir haben Innungen, die sich über Verbände, also Körperschaften des Privatrechts, organisiert haben, aber das Verhältnis zu denen hatte sich in der Vergangenheit leider verschlechtert. Derzeit intensivieren wir wieder die Kontakte, weil wir die Innungen brauchen. Allein schon vom Dienstleistungsangebot: Wir können in den Bereichen, die alle Betriebe gleichermaßen betreffen, exzellent beraten, aber die fachspezifische Komponente können wir nicht leisten. In unserem kleinen Bundesland können wir uns Doppelstrukturen nicht leisten. Wir müssen nicht parallel, sondern eng verzahnt zusammenarbeiten.
DHB: Helfen Kontakte nach Rheinland-Pfalz?
Schmitt: Bei den Arbeitstreffen der rheinland-pfälzischen Handwerkskammern sitzen wir mit am Tisch – und das hilft auch der Kammer. Durch den Austausch mit den Nachbarkammern, aber auch anderen Kammern generell, finden sich immer interessante Ideen, die der eigenen Arbeit Impulse geben. Wichtig ist für uns als Grenzkammer auch der Austausch mit den Nachbarn in Frankreich, Belgien und Luxemburg, auch wenn die Kontakte wegen Corona ziemlich gelitten hatten. Aber auch da haben wir den Gesprächsfaden wieder aufgenommen, mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen wie der Außenwirtschaft oder Energie.
DHB: Mal eben auf eine Tasse Kaffee nach Frankreich?
Schmitt: Ganz so einfach ist es nicht. Mich haben doch viele Sachen sehr überrascht. Bei uns kennt man die oft überbordende Bürokratie, aber auch in Frankreich gibt es viele Auflagen. Das bereitet etwa beim Thema Arbeitnehmer oder Aufträge immer erhebliche Schwierigkeiten. Das habe ich mir einfacher vorgestellt. Aber der Austausch ist enorm wichtig, um zu versuchen, solche Hürden – dann im Gespräch mit der Politik – abzuräumen oder zumindest zu minimieren. Wie wichtig aber der Austausch ist, sehe ich beim Lehrlingsaustauch mit unserer Partnerkammer in der Normandie. Die jungen Leute, die jeweils beim Partnerbetrieb arbeiten und bei einer Gastfamilie leben, erweitern ihren Horizont massiv.
DHB: Die jungen Leute müssen aber die Sprachhürde meistern…
Schmitt: …die auch oft eine Barriere im direkten Austausch bildet. Die Sprachkompetenz darf man nicht unterschätzen, sie ist eine Grundqualifikation, auch wenn es darum geht, ob Fachkräfte bei uns arbeiten können. So wie es für unsere Lehrlinge beim Austausch ohne Französisch in den Betrieben drüben schwierig wird, erleben die französischen Lehrlinge dies umgekehrt im deutschen Betrieb. Wer das Fachkräfteproblem bei uns mit ausländischen Menschen lösen will, muss auch dafür sorgen, dass diejenigen, die bei uns arbeiten sollen und wollen, deutsch können – und dann natürlich auch noch die handwerksspezifischen Fachbegriffe draufhaben.
DHB: Der Fachkräftemangel treibt Sie wie auch die Betriebe um!
Schmitt: Ja, wie in allen Branchen. Die Zuwanderung ist ein wichtiger Lösungsweg, um den Mangel zu beheben, aber er sollte einfacher und unbürokratischer sein. Der Fachkräftemangel bremst das Wachstum und er verringert den Pool von Handwerkerinnen und Handwerkern, die künftig einen Betrieb und damit Verantwortung übernehmen, ausbilden und sich womöglich ehrenamtlich engagieren können. Wir brauchen diese Kräfte, diese Ehrenämter, ohne die zum Beispiel Gesellen- oder Meisterprüfungen gar nicht möglich werden. Deshalb zählten für mich im ersten Jahr Würdigungen und Jubiläen, aber auch die Meisterfeier zu den beruflichen Höhepunkten, weil es um Anerkennung und Respekt von Leistungen geht.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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