"Der Politikwechsel muss kommen"
Auf der Internationalen Handwerksmesse in München kam Olaf Scholz zum letzten Mal als Bundeskanzler mit der deutschen Wirtschaft zum Spitzengespräch zusammen.
In München kam Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Internationalen Handwerksmesse mit den Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft zusammen. Dabei forderten die Verbandspräsidenten einen zügigen und ambitionierten Politikwechsel. "Deutschland braucht endlich eine entschlossene Wirtschaftspolitik mit Klarheit, Ziel, Richtung und vor allem mit Tempo", erklärte Rainer Dulger Präsident, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, bei der Pressekonferenz zum Spitzengespräch. "Wir brauchen wieder Wachstum. Es muss ein Kurswechsel in der Wirtschaftpolitik kommen."
Dulger forderte Reformen und verbesserte Rahmenbedingungen für alle Unternehmen. Die Sondierungsergebnisse von Union und SPD reichten für einen echten Politikwechsel nicht aus. Die Wirtschaftswende brauche in einem fertigen Koalitionsvertrag mehr Priorität. Die geplanten Investitionen in die Verteidigung seien nur mit einer florierenden Wirtschaft zu finanzieren. Deswegen müssten die Koalitionsverhandlungen im Ergebnis "Vorfahrt für Wirtschaft und Wachstum" bedeuten. Alles andere sei kein Politikwechsel.
Zuversicht und Anreize für Investitionen
Die Politik dürfe im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nicht nur über die Finanzen sprechen. "Einfach nur mehr Geld ins System pumpen bringt keine Wettbewerbsfähigkeit", sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Deutschland brauche mehr Zuversicht und Anreize für Investitionen. "Dafür muss Stabilität da sein. Wir leben aber momentan in einem Veränderungsnotstand. Ein großer Punkt sei der Abbau von Bürokratie und zukunftsfeste Sozialsicherungssysteme. Der Politikwechsel sei wichtig für die Stimmung im Land, sagte auch Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie.
Derzeit fehle noch ein transparenter Plan dafür. "Wir haben Verständis dafür, dass man vor dem Hintergrund einer schwierigen politischen Situation große Verschuldung der öffentlichen Haushalte ins Auge fasst", ergänzte Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Aber aus Sicht der Wirtschaft und der Unternehmen muss eine grundlegende Reform dieses Staatsgebildes auf allen Ebenen, um überhaupt in der Lage zu sein, diese Mittel effizient einzusetzen, an erster Stelle stehen. "Dafür brauen wir einen grundlegenden Wandel." Der Kanzler trat nach dem Spitzengespräch nicht vor die Presse.
Zehn Forderungen der deutschen Wirtschaft
- Die Steuerbelastung der Unternehmen und Betriebe muss spürbar reduziert werden. Ziel muss ein international wettbewerbsfähiges Niveau sein.
- Der Standort Deutschland braucht international konkurrenzfähige Energiepreise (Strom, Gas, Wasserstoff) und mehr Versorgungssicherheit.
- Die sozialen Sicherungssysteme müssen dringend reformiert werden, um sie finanzierbar, zukunftsfest und generationengerecht zu gestalten und Unternehmen nicht zu überfordern.
- Die Belastung der Wirtschaft mit Bürokratie muss deutlich gesenkt, Berichts- und Dokumentationspflichten systematisch abgebaut werden.
- Zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren bremsen Wachstum und Innovationen in der Wirtschaft. Daher sind sämtliche Verfahren über alle Fachgesetze hinweg zu vereinfachen und zu verkürzen. Wir plädieren insbesondere für eine schnelle Umsetzung des Bund-Länder-Pakts.
- Weite Teile der für die Wirtschaft notwendigen Infrastruktur weisen erhebliche Defizite auf und müssen dringend saniert oder ausgebaut werden. Dies gilt insbesondere für die Verkehrswege sowie das Energienetz (Strom-, Gas-, Wasserstoff- und CO2-Netz). Die Rahmenbedingungen für den Ausbau der digitalen Infrastruktur müssen verbessert werden.
- Innovationen sind in einem Hochkostenland wie Deutschland die Grundlage zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit. Es muss am 3,5-Prozent-Ziel festgehalten, der Transfer verbessert und die Dual-Use-Forschung intensiviert werden.
- Zur Sicherung eines hinreichenden Fachkräfteangebots ist eine umfassende Gesamtstrategie notwendig, die die Erschließung aller inländischen Potenziale und die Gewinnung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte umfassen muss. Bildung muss über alle Ebenen hinweg eine wesentlich höhere Bedeutung bekommen. Insbesondere die berufliche Bildung muss gestärkt werden.
- Die Politik muss die grundrechtlich geschützte Tarifpartnerschaft und Tarifautonomie respektieren. Die sich wiederholenden politischen Einflussnahmen auf die unabhängige Mindestlohnkommission müssen abgestellt werden. Um die Gestaltungsspielräume der Sozialpartner zu erweitern, sollten Tariföffnungsklauseln geschaffen werden.
- Die EU muss sich angesichts der Ankündigungen des US-Präsidenten für Verhandlungen mit den USA einsetzen, die gegenseitige Zölle möglichst vermeiden und die zu dauerhaften, für beide Seite vorteilhaften Lösungen führen. Trumps Zollankündigungen erhöhen den Druck auf die EU, die eigenen Diversifizierungsbemühungen zu verstärken. Die neue Bundesregierung sollte dabei für mehr Flexibilität und pragmatische Ansätze in den Verhandlungen über neue Handelsverträge werben.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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