Bürokratie: Normenkontrollrat erkennt Trendwende
In seiner Bilanz zum Stand des Bürokratieabbaus für 2024 stellt der Nationale Normenkontrollrat ein Abflachen des Belastungstrends fest. Das Handwerk fordert Netto-Bürokratieabbauziele und Praxischecks von allen Ministerien.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Bürokratiewahnsinn im Handwerk
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat seinen Jahresbericht 2024 vorgelegt. Darin zieht er Bilanz zum Stand des Bürokratieabbaus und den Bemühungen der Bundesregierung, die Gesetzgebung zu verbessern und die Verwaltung zu digitalisieren. Der Bericht trägt den Titel "Gute Gesetze. Digitale Verwaltung. Weniger Bürokratie. Momentum nutzen, Wirkung steigern". Der NKR analysiert darin den Zeitraum von Juli 2023 bis Juni dieses Jahres. Demnach verlangsamt sich das Wachstum des Zeitaufwands und der Kosten, die neue Gesetze verursachen.
Gegenüber den Milliardenanstiegen vergangener Jahre liege das Plus in diesem Jahr nur noch bei 400 Millionen Euro, so der NKR. "Während die Verwaltung einen Anstieg von 821 Millionen Euro schultern muss, wird die Wirtschaft erstmalig seit 2019 entlastet – um 433 Millionen Euro. Dabei sinken die durch Informationspflichten verursachten Bürokratiekosten – als Teilmenge des Erfüllungsaufwands der Unternehmen – sogar um 655 Millionen Euro." Um den Belastungstrend dauerhaft umzukehren, brauche es weitere Anstrengungen, bei denen alle Politikressorts mitziehen müssten.
Jährliches Bürokratieentlastungsgesetz
JahresberichtHier finden Sie den ausführlichen Bericht des NKR zum Download.Ein jährliches Bürokratieentlastungsgesetz sei die "richtige Ansage zur richtigen Zeit" und seit Jahren eine Forderung des NKR. Der Rat fordert außerdem ein konkret messbares Abbauziel und eine Berücksichtigung des Aufwands aus EU-Richtlinien. Er empfiehlt, Praxischecks verbindlich in allen Politikessorts einzusetzen – und dies schon während eines Gesetzgebungsprozesses, "um Betroffene frühzeitig in die Lösungsfindung und Alternativenabwägung einzubinden".
Eine Sammlung konkreter Beispiele zum Bürokratieabbau hat der NKR in seinem 60-Punkte-Papier zusammengefasst und greift dabei verschiedene Vorschläge des Handwerks auf. Er sieht das Bündeln von Serviceangeboten der Verwaltung, das Standardisieren von Prozessen als effektive Maßnahme, um bessere Leistungen anzubieten. Die föderale Aufgabenverteilung gehöre deshalb auf den Prüfstand. Zudem müsse die Digitalisierung der Verwaltung tiefer gehen – richtige Maßnahmen seien eingeleitet worden, aber es fehle Geschwindigkeit, Entschlossenheit und Verbindlichkeit.
Verhaltenes Lob für die Bundesregierung
"Angesichts milliardenschwerer Anstiege in den vergangenen Jahren bewertet der NKR positiv, dass sich der Belastungstrend abgeflacht hat", erklärt Lutz Goebel, Vorsitzender des NKR. "Die Bemühungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau beginnen sich auszuzahlen. Das hat ein verhaltenes Lob verdient. Verhalten deshalb, weil wir insgesamt auf einem sehr hohen Aufwands-Plateau angekommen sind. Davon müssen wir dringend runter. Die Politik muss sich weiter anstrengen: Nicht nur Aufwuchs vermeiden, sondern das Bestandsrecht vereinfachen."
Er fordert als verbindliche Zielgröße: 25 Prozent weniger Erfüllungsaufwand in vier Jahren. Der Praxischeck verbunden mit dem Ziel, Gesetze so zu vereinfachen, dass unnötige Hürden für die Umsetzung abgeräumt werden, müsse nicht nur vom Wirtschafts-, sondern auch von allen anderen Ministerien angewandt werden. Zusammen mit dem Digitalcheck, dem Bürgercheck könnte eine ganz neue Philosophie der Gesetzgebung entstehen. "Unter intensiver Beteiligung von Betroffenen und Vollzugsexperten wird Recht praxistauglich und einfach gestaltet", so die Hoffnung von Goebel.
Bürokratieabbau zum Regelfall machen
"Um diesen Zustand zu erreichen, muss die Bundesregierung noch einiges unternehmen. Sonst verhallen alle Ankündigungen und wir schaffen den ersehnten Kulturwandel nie. Die Bundesregierung, allen voran das Justizministerium, müssen dafür die notwendigen Beschlüsse fassen und Ressourcen bereitstellen. Die Vermeidung und der Abbau unnötiger Vorschriften und die Vereinfachung des Vollzugs sind längst kein Randthema mehr. Die Politik darf das Momentum jetzt nicht vorbeiziehen lassen. Sie muss den dauerhaften Willen aufbringen, den Bürokratieabbau vom Einzel- zum systematischen Regelfall zu machen."
Es sei ein gutes Signal, dass der Anstieg neuer Bürokratie für Handwerksbetriebe und die Wirtschaft insgesamt im letzten Jahr gebremst wurde, kommentiert Holger Schwannecke. "Dies kann aber kein Grund zur Entspannung sein, sondern muss vielmehr Motivation für weitere notwendige Entlastungsmaßnahmen sein. Handwerksbetriebe brauchen eine dauerhafte Netto-Entlastung. Anders sind wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für das standortfeste Handwerk nicht zu erreichen", so der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
Praxisexpertise des Handwerks nutzen
Das jüngst verabschiedete Bürokratieentlastungsgesetz sei ein wichtiger Schritt, der aber nicht ausreiche, um spürbare Effekte zu erzielen. "Der NKR greift in seinem Jahresbericht verschiedene Vorschläge und Forderungen des Handwerks auf und weist der Bundesregierung damit den richtigen Weg: Neben der konsequenten Umsetzung der angekündigten jährlichen Bürokratieentlastungsgesetze müssen Netto-Bürokratieabbauziele festgesetzt und Praxischecks durch alle Ministerien verbindlich durchgeführt werden. Das Handwerk unterstützt die Politik dabei mit seinen Vorschlägen und seiner Praxisexpertise."
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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