Das regionale Handwerk ist derzeit gebeutelt. Einige Betriebe trifft es besonders hart: Neben der Coronapandemie und der Materialknappheit machen ihnen nun die jüngsten Hochwasserschäden zu schaffen. Im Kammerbezirk Trier sind rund 200 Handwerksunternehmen von den Auswirkungen des Jahrhunderthochwassers im Juli stark bis sehr stark betroffen – am heftigsten im Eifelkreis Bitburg-Prüm. In den anderen drei Landkreisen gab es ebenfalls gravierende Schäden. In der Stadt Trier kam es ausschließlich im Stadtteil Ehrang zur Katastrophe.
Nach den Überschwemmungen sind Hans-Werner Lichter und Torsten Kaiser von der Handwerkskammer täglich in die Hochwassergebiete gefahren. In rund 170 betroffenen Betrieben haben sie sich vor Ort ein Bild von den Schäden gemacht, die Unterstützung der Kammer angeboten und den Betriebsinhabern Mut zugesprochen. Die finanziellen Schäden, die das Hochwasser in den Handwerksbetrieben an der Substanz angerichtet hat, belaufen sich ihrer Einschätzung nach auf insgesamt etwa 80 Millionen Euro. Darüber hinausgehende Verluste – etwa Umsatzausfälle, Konventionalstrafen oder die Abwanderung von Kunden und Mitarbeitern – sind dabei nicht eingerechnet. "Vom Bagatell- bis zum Totalschaden ist alles vertreten", berichtet Lichter, der in den vier betroffenen Landkreisen unterwegs war. "Der kleinste Schaden, den ich erfasst habe, beläuft sich auf etwa 1.000 Euro. Der höchste liegt im zweistelligen Millionenbereich – ein Großbetrieb. Aber auch kleine Handwerksbetriebe haben große Sachschäden erlitten, denn viele von ihnen arbeiten kapitalintensiv." So beläuft sich die durchschnittliche Schadenssumme nach Einschätzungen der betroffenen Betriebsinhaber und Berechnungen der HWK auf etwa 400.000 Euro. Elementarversichert ist nach Aussagen befragter Geschädigter etwa jeder zweite.
Bestandsaufnahme zeigt Schadensausmaß
In weniger stark betroffenen Betrieben sind die Aufräumarbeiten weitgehend abgeschlossen. Die Bestandsaufnahme offenbart das Ausmaß der Schäden: Jeder zehnte Betrieb, dem das Hochwasser zugesetzt hat, verzeichnet Totalschaden am Gebäude, am Inventar oder an beidem. "Manche Betriebe sind völlig zerstört, andere sind mit einem blauen Auge davongekommen", so Lichter. "Wo zum Beispiel lediglich der Boden etwas verschlammt war, kann die Produktion nach der Reinigung weiterlaufen, sofern keine Maschinen beschädigt sind." Naturgemäß seien Betriebsanlagen, Maschinen oder Geräte mit Elektronik viel empfindlicher gegen Schlamm- und Hochwasserschäden, so der HWK-Berater, der unter anderem für die Bewertung des technischen Anlagevermögens bei Betriebsübergaben oder -übernahmen zuständig ist.
Viele existenzielle Fragen sind derzeit noch offen, beispielsweise wie viele der 200 schwer betroffenen Betriebe schließen müssen, wie viele Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen und wie viele Ausbildungsverhältnisse bedroht sind. Die meisten Betriebe machen mehr oder weniger direkt weiter. Andere wiederum fallen wochen- oder monatelang aus, wie Hans-Werner Lichter bei seinen Betriebsbesuchen in den Krisengebieten erfahren hat. "Nach unseren Beratungen tragen sich leider recht viele der 200 Betriebe mit dem Gedanken, ihr Unternehmen aufzugeben", sagt Dr. Matthias Schwalbach, Chef der HWK-Wirtschaftsförderung. "Darunter sind auch Top-Unternehmen, die bis zum Hochwasser sehr gut dastanden. In einigen Fällen liegt die Betriebsaufgabe auch aus Altersgründen nahe, besonders wenn kein Nachfolger in Sicht ist. Wir setzen alles daran, möglichst viele Betriebe, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu retten. An diesen Zielen arbeiten wir in ständigem Austausch mit der Politik. Wir setzen uns für die staatliche Unterstützung der Betriebe ein. Hilfsprogramme halten wir für unerlässlich!"
Hilfe auch durch Informationen
Kommentar schreiben