Hybridantrieb für Schwerstarbeit im Hafenbecken
Elektromotoren helfen nicht nur auf der Straße, Kraftstoff zu sparen. Der aus einem Handwerksbetrieb entstandene Spezialist Schottel liefert weltweit Hybridantriebe für Schlepper aus.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Elektromobilität für Handwerk & Mittelstand
Für Josef Becker gab es 1921 kein Halten mehr – und er machte sich mit einer Schlosserei in Spay am Rhein selbstständig. "Als wir den Betrieb gründeten, hatten wir zwar kein Geld, aber Courage", sagte der Handwerker, der in der Schmiede seines Vaters, aber auch auf Werften gelernt hatte, rückblickend. Vier Jahre später gelang ihm mit einer grundlegend neuen Konstruktion eines Beiboots, der Schaluppesky, 1925 der Einstieg in den Bootsbau. Den baut er weiter aus und schafft 1950 den nächsten Meilenstein: Ein von Josef Becker konstruierter neuartiger Schiffsantrieb vereint erstmals Steuerung und Antrieb. Er entwickelte solange am bekannten Außenborde, bis ein Z-Antrieb ohne separates Ruderblatt mit einem endlos um die eigene Achse steuerbaren Propeller entsteht. Die Käufer standen Schlange und wollten diesen Ruderpropeller. Die Schottel-Werft, wie die Schlosserei seit 1934 heißt, reifte in wenigen Jahren zum Weltkonzern und mischt längst auch in der E-Mobilität zu Wasser mit.
Zuletzt stellte Schottel im Januar 2019 – in enger Zusammenarbeit mit dem dänischen Unternehmen Svitzer – ein neuentwickeltes Hybridantriebskonzept vor. Das basiert auf der Schottel-Y-Hybridantriebstechnologie und zeichnet sich dadurch aus, dass ein an der Steuerbord- sowie an der Backbordseite montierter Azimutantrieb in einem Schiff miteinander verbunden werden. Dadurch können zwei Antriebe mit jedem der beiden Hauptmotoren angetrieben werden. Für Nichttechniker: Ein Azimutantrieb besteht aus einem mehrstufigen Planetengetriebe und Elektromotoren und kann sich in alle Richtungen drehen. Breiter bekannt wurde er durch die Windkraftanlagen, deren Rotoren sich damit der Windrichtung anpassen können, um eine optimale Energieausbeute aus dem Wind zu holen.
Bahnbrechende Erfindung für den Schiffsverkehr
Tatsächlich findet Schottel mit seinen Hybridantrieben die Kunden vor allem im Bereich der Schlepper und der Arbeitsboote. Sie arbeiten bis zu 90 Prozent ihrer Betriebszeit mit niedrigen Motorlasten. "Um Antriebssysteme für solche Lasten zu optimieren, verfügen herkömmliche Hybridantriebe in der Regel über zwei unabhängige Kraftquellen je Propeller, die gewöhnlich mit einem Hauptmotor und einem kleineren Elektromotor konfiguriert sind", so Schottel. Hybridantriebssysteme sind prädestiniert für Anwendungen mit stark variablen Leistungsbereichen. Diese bestehen in der Regel aus zwei getrennten Leistungsquellen pro Propeller – das sind Diesel- und/oder Elektromotoren – mit unterschiedlichen Leistungsstufen. Die Spezialisten von Schottel verfeinern diese Antriebe, die sie unter den Namen Sydrive-M (M steht für mechanisch) und Sydrive-E (E steht für elektrisch) im Programm haben. Das Sydrive-E ermöglicht durch den kombinierten oder sequentiellen Einsatz von Verbrennungsmaschine und Elektromotor mit seinen umfangreichen und intelligenten Betriebsmodi eine effiziente Energie- und Schuberzeugung bei unterschiedlichsten Einsatzbedingungen. Einzigartig ist dabei die beliebige Konfiguration der Krafteingangspositionen, die eine variable Ausführung des Antriebsstrangs ermöglicht. Das sorgt für größere Freiheiten im Schiffsdesign und stellt sicher, dass der individuell verfügbare Bauraum optimal genutzt werden kann.
Erst im vergangenen Jahr kam das Sydrive-E bei einem Schlepper von Sembcorp Marine mit Sitz in Singapur zum Zuge. Das Besondere daran: Der Schlepper ist der erste von insgesamt zwölf Booten, die die weltweit ersten mit Flüssigerdgas (LNG) betriebenen Hybridschlepper sind. Zum Einsatz kommt der Schlepper im Hafen von Singapur. Abhängig von der gewünschten Betriebsart und der benötigten Antriebsleistung aktiviert das Hybridantriebssystem einen oder beide Antriebe. Sowohl die LNG-betriebenen Hauptmotoren als auch die Elektromotoren sind dafür an das Sydrive-System gekoppelt und arbeiten stets effizient im jeweils optimalen Lastbereich. Dies bewirkt einen reduzierten Kraftstoffverbrauch und geringere Emissionen und unterstützt so Sembcorp Marines Engagement im Umweltschutz.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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