Bundeskabinett beschließt Eckpunkte für Bürokratieentlastungsgesetz
Mit dem Bürokratieentlastungs- und dem Wachstumschancengesetz soll die Wirtschaft im Bereich Bürokratie um 2,3 Milliarden Euro entlastet werden. Das Handwerk reagiert enttäuscht auf die beschlossenen Eckpunkte. Sie blieben deutlich hinter den Möglichkeiten zurück.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Bürokratiewahnsinn im Handwerk
Das Bundeskabinett hat in Meseberg die Eckpunkte für das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet. Die Bundesregierung will damit das "Bürokratie-Dickicht" lichten, das nur noch schwer zu durchdringen sei. Die bürokratischen Hürden seien mittlerweile zu einem Investitionshemmnis geworden, vor allem für mittelständische Unternehmen. Verfahren sollen beschleunigt, Bürokratie abgebaut und möglichst keine neue aufgebaut werden", heißt es im Zehn-Punkte-Plan der Regierung für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Das BEG IV ist ein Teil des Plans, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Zusammen mit dem ebenfalls im Rahmen der Kabinettsklausur beschlossenen Wachstumschancengesetz soll das BEG IV die Wirtschaft einen bürokratischen Ballast im Gegenwert von 2,3 Milliarden Euro von den Schultern nehmen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) spricht von einer Trendwende: "Weg von immer mehr Bürokratie, hin zu Entlastung und neuen Freiräumen zum Wirtschaften."
Gesetzentwurf noch in diesem Jahr
Mit den Maßnahmen soll der Bürokratiekostenindex auf den niedrigsten Stand seit Beginn seiner Erhebung fallen. Noch in diesem Jahr soll ein Referentenentwurf für das Gesetz vorliegen. Auch danach will Buschmann die Bürokratieentlastung voranbringen: "Der Abbau von Bürokratie ist kein einmaliges, abgegrenztes Projekt, sondern ein Prozess, bei dem wir dauerhaft am Ball bleiben müssen." Die Eckpunkte des Entlastungsgesetzes wurden auch auf Grundlage einer Verbändeabfrage erstellt, an der 57 Verbände teilgenommen und 442 Vorschläge eingereicht haben.
Das Eckpunktepapier sieht diese Neuerungen vor: Informationspflichten: Diese sollen auf Aktualität, Harmonisierungsmöglichkeiten und sonstige Ansatzpunkte zur Entlastung für den Mittelstand überprüft werden. Dabei werden die Informationspflichten im Energierecht, im Außenwirtschaftsrecht, im Mess- und Eichwesen sowie im Rahmen der Wirtschaftsstatistik, Gewerbe- und Handwerksordnung als auch in branchen- und berufsspezifischen Verordnungen auf den Prüfstand gestellt.
Aufbewahrungsfristen: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
Hotelmeldepflicht: Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige soll abgeschafft werden.
Schriftformerfordernisse: Die Elektronische Form soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Regelform werden. Deshalb sollen zahlreiche Schriftformerfordernisse soweit wie möglich aufgehoben werden. Auch soll der Rechtsverkehr für die Wirtschaft sowie für Bürgerinnen und Bürger vereinfacht und weitmöglichst digitalisiert werden.
Arbeitsverträge: Im Nachweisgesetz soll eine Regelung geschaffen werden, wonach wie bereits bisher bei schriftlichen Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfällt, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Entsprechendes soll für in elektronischer Form geschlossene Änderungsverträge bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen gelten. Ausgenommen werden sollen die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach Paragraph 2a Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
Arbeitszeit: Für die Regelung zur Erteilung von Arbeitszeugnissen in Paragraph 630 BGB soll ebenfalls die elektronische Form ermöglicht werden. Das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz soll mit dem Ziel angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten durch den Arbeitgeber auch erfüllt werden, wenn dieser die geforderten Informationen über die im Betrieb oder in der Dienststelle übliche Informations- und Kommunikationstechnik (etwa das Intranet) elektronisch zur Verfügung stellt, sofern alle Beschäftigten freien Zugang zu den Informationen haben.
Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung: Für die nach Paragraph 4 Absatz 4 Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) vorzuhaltenden schriftlichen Aufzeichnungen über in loser Ware enthaltene Allergene soll die digitale Form ermöglicht werden. Dies gilt dann auch für verpflichtende Informationen über in loser Ware enthaltene Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen, da für die Art und Weise der Kennzeichnung in den einschlägigen Vorgaben auf die Regelung der LMIDV verwiesen wird.
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz: Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden.
Küstenschifffahrtsverordnung: Die Küstenschifffahrtsverordnung, wonach Seeschiffe, die nicht aus der EU stammen, eine Genehmigung für innerdeutsche Transporte in den Küstengewässern benötigen, soll abgeschafft werden. Damit wird das Gewerbe und die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt von etwa 150 Verwaltungsverfahren pro Jahr entlastet. Die Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung lag bislang in über 90 Prozent der Fälle vor.
Beschleunigung von Baumaßnahmen an der Schieneninfrastruktur: Um die artenschutzrechtliche Prüfung in Bezug auf ausgewählte und im Schienenbereich besonders relevante Arten fachgerecht zu standardisieren, werden Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften geschaffen. Der Schutzumfang der betroffenen Arten wird nicht abgesenkt.
Quelle: Bundesjustizministerium
Zusätzlich hat das Kabinett ein Impulspapier für eine Initiative zur Bürokratieentlastung auf europäischer Ebene beschlossen. Es soll als Basis für künftige Verhandlungen mit der EU dienen. "Die Ursache für das Bürokratie-Burn-Out unserer Unternehmen ist nicht nur auf nationaler Ebene zu finden. Er wird auch von der europäischen Ebene angeheizt", so Buschmann. Bereits bestehende Instrumente der besseren Rechtsetzung, und besonders die Folgenabschätzungen, sollen konsequenter angewendet werden. Außerdem regt das Papier an, eine Bestandsaufnahme der Bürokratiekosten auf EU-Ebene durchzuführen.
Gemeinsame Initiative mit Frankreich
Im Mittelpunkt sollen besonders kleine und mittlere Unternehmen stehen. Sie sollen mit einer Reihe an Maßnahmen entlastet werden. Die Bundesregierung sucht für die Initiative den Schulterschluss mit der französischen Regierung und will sich mit ihr koordinieren. Ziel dabei ist es, ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Buschmann: "Wir brauchen Beschleunigung und Entlastung, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten. Zu diesem Zweck möchten wir nun auf europäischer Ebene mit unseren französischen Partnern eine gemeinsame Bürokratieentlastungsinitiative starten und für ein entsprechendes Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission werben."
ImpulspapierDas Impulspapier regt an, eine Bestandsaufnahme der Bürokratiekosten auf EU-Ebene durchzuführen. Ähnlich dem deutschen Vorbild könne ein Bürokratiekostenindex aufgesetzt werden, der die Entwicklung der Kosten darstellt. Zudem sollen Berichtspflichten auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert und doppelte Berichtspflichten abgeschafft werden. Wichtig sei auch, dass die Digitalisierung weiter vorangetrieben und bei der Rechtsetzung stets konsequent mitgedacht wird. Die Bundesregierung schlägt daher vor, neues EU-Recht konsequent wirksamen Digitalchecks zu unterziehen, um die Qualität der Rechtssetzung auf EU-Ebene zu verbessern.
Das Handwerk reagiert enttäuscht auf das Eckpunktepapier des Kabinetts. Es sei zwar ein gutes Signal für die Betriebe, aber nach zwei Jahren der Ankündigungen und Versprechen auch längst überfällig. Trotz der langen Wartezeit bleibe das Papier weit hinter den Möglichkeiten zurück, erklärt Holger Schwannecke. "Handwerksbetriebe erwarten zu Recht einen echten Entlastungsimpuls. Alle Ressorts sind aufgefordert, hier nachzulegen. Die Zeit des Zögerns muss endgültig vorbei sein, es braucht einen erkennbar stärkeren politischen Willen und mehr Zielstrebigkeit als bisher", sagt der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
Echtes Umdenken gefordert
Die angekündigte Initiative, gemeinsam mit Frankreich für Entlastung einzutreten, sei ein richtiger Schritt. Viele Belastungen kämen aus Europa und seien oft unüberwindbare Hürden für die Betriebe. "Hier ist ein echtes Umdenken erforderlich. Es braucht dringend spürbare Entlastungen, die in der Praxis der Betriebe auch tatsächlich ankommen", fordert Schwannecke. Denn die überbordende Bürokratie wirke in ohnehin wirtschaftlich schwierigen Zeiten als zusätzliche Wachstumsbremse.
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben