Drohender Mangel an Berufsschullehrern
Deutschland gehen die Fachlehrer aus. Besonders trüb sind die Aussichten in den Metall- und Elektroberufen. Für Wilhelm Schröder ist das nichts Neues.
"Es war schon immer schwierig, gewerblich-technischen Lehrernachwuchs zu rekrutieren", sagt der Landesvorsitzende des Verbands für Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs (vlbs) NRW. Schon seit langem wetteifern die Berufsschulen mit der freien Wirtschaft um die besten Köpfe. In Nordrhein-Westfalen verschärfen zudem politische Entscheidungen die Mangelsituation. Dass die erste Staatsprüfung im Lehramt weggefallen und durch die Bachelor- und Masterabschlüsse ersetzt worden ist, hält Schröder für einen großen Fehler. "Das Land hat ohne Not ein zentrales Steuerungselement aus der Hand gegeben."
Das Ruder haben inzwischen die Universitäten übernommen. Dank des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Hochschulfreiheitsgesetzes entscheiden sie selbst, welche Studienleistungen sie anerkennen und welche Studiengänge sie an ihrem Standort einrichten wollen. "Vorher konnte das Land in besonderen Bedarfssituationen durch die Anerkennung von Studienleistungen steuern, ob jemand doch noch den Weg zum Berufsschullehrer einschlägt."
Schwierige Akkreditierung
Die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse bringt jedoch noch ein weiteres Problem mit sich. So müssen die einzelnen Studiengänge vom Akkreditierungsrat zugelassen werden. "Pro Verfahren können die Hochschulen leicht mit einem fünfstelligen Euro-Betrag rechnen", erklärt Schröder.
Die Rechnung ist dann ganz einfach: Je weniger der Studiengang nachgefragt wird, desto unwahrscheinlicher ist die Akkreditierung. An der Universität Duisburg-Essen können sich die Studenten schon nicht mehr für die Fachrichtung Maschinentechnik einschreiben. Auch an der RWTH Aachen droht die Lehrerausbildung in einer Reihe von Fachrichtungen wegzubrechen, weil die Studiengänge nicht akkreditiert werden sollen. "Man sollte grundsätzlich überlegen, ob Akkreditierungsverfahren das geeignete Mittel sind, um die Qualität zu erhalten", regt Schröder an. Eine verschlankte erste Staatsprüfung in NRW wäre dem vlbs-Landesvorsitzenden allerdings lieber.
Gewaltige Versorgungslücke
Schon jetzt ist absehbar, wie groß die Not an den Berufskollegs sein wird. Die Kultusministerkonferenz hat eine Prognose bis zum Jahr 2020 aufgestellt. Bundesweit fehlen demnach durchschnittlich rund 700 Lehrer pro Jahr. An Rhein und Ruhr erwartet Wilhelm Schröder in einigen Fachrichtungen eine "gewaltige Versorgungslücke". Nach seinen Recherchen scheiden in den nächsten acht Jahren etwa im Bereich Elektrotechnik und Metalltechnik jährlich mindestens 79 bzw. 98 Fachlehrer aus. Dem stehen pro Jahr bestenfalls zwölf bzw. 23 Nachrücker gegenüber. Alles in allem werden bis zum Jahr 2020 in sieben von Schröder untersuchten gewerblich-technischen Fachrichtungen mindestens 3.052 Fachlehrer pensioniert. 942 Fachlehrer befinden sich momentan im Studium. Macht unterm Strich eine Deckungslücke von 2.110 Fachlehrern allein in NRW.
Wer beim Kampf um die besten Köpfe gegen Ford und RWE antritt, muss sich etwas einfallen lassen. Da ist zunächst die Bezahlung. Damit sich mehr Studenten für das Lehramt gewinnen lassen, fordert der vlbs höhere Einstiegsgehälter für Jung-Lehrer. Auch Stipendien könnten ein Anreiz sein, damit mehr Studenten die Lehrer-Laufbahn einschlagen. Für viele spielt die berufliche Sicherheit bei der Berufswahl eine wichtige Rolle. In NRW liegt die Verbeamtungsgrenze bei 40 Jahren. Rheinland-Pfalz verbeamtet bis 45 Jahren, Hessen sogar bis 50 Jahren. Dort haben gerade beruflich qualifizierte Seiteneinsteiger also deutlich bessere Karten – ein Standortnachteile für NRW. Wie sich der Lehrermangel an den Berufskollegs beheben lässt, hat der vlbs in einem Zehn-Punkte-Programm zusammengefasst. Gefordert werden unter anderem bessere Übergangs- und Anerkennungsbedingungen für alle Bachelor-Absolventen, aber auch eine Imagekampagne. So lange die "harten Fakten" nicht stimmen, erhofft sich Schröder davon aber keine Impulse, um das Nachwuchsproblem zu lösen. "Was nützt uns die schönste Fassade, wenn die Wände dahinter nicht tragfähig sind?"Ohne qualifizierte Seiteneinsteiger dürfte sie nicht zu füllen sein. "Es wäre toll, wenn wir Meister oder Techniker fänden, weil sie aus der betrieblichen Praxis wissen, wie die jungen Leute ticken", erklärt der vlbs-Landesvorsitzende. Dazu müssten sie aber auch entsprechend qualifiziert sein. Den Ausbildereignungsschein allein hält Schröder als pädagogisches Grundwissen für "zu schmal". Ein Studium an einer Universität – vielleicht berufsbegleitend – müsste schon sein. Ein solches Modell gebe es bereits für Bachelor-Absolventen. "Die Schulen können sie als Lehrer mit einer Unterrichtsverpflichtung von 50 Prozent einstellen und sie den Rest der Zeit freistellen, damit sie den universitären Master-Abschluss machen können."
Duale Ausbildung ist in großer Gefahr
Der Lehrermangel ist in einigen Berufen und Regionen schon spürbar. Wird er nicht behoben, sind die Konsequenzen klar: "Die Klassen werden größer, Unterricht fällt aus oder muss von fachfremden Kollegen gegeben werden", zählt Schröder auf. Leidtragende werden dann aber nicht nur die Jugendlichen und Betriebe sein. "Eine ganz wichtige Säule unseres Wirtschaftssystems – die duale Ausbildung – ist in großer Gefahr", ist er überzeugt.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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