Scheinselbstständigkeit: Hohe Nachzahlungen an die Sozialversicherung
Rund 100.000 Euro Sozialabgaben musste eine Baufirma nachzahlen, die Scheinselbstständige als Bauarbeiter eingesetzt hatte. Das Hessische Landessozialgericht sah in ihnen keine Nachunternehmer.
Bauarbeiter, die im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit maßgeblich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Der Fall
Eine Baufirma ließ drei ungarische Männer, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet hatten, Trockenbauarbeiten ausführen. Vor allem verkleideten sie Säulen mit Brennschutzplatten. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Männer nicht abgeführt. Das Hauptzollamt ermittelte und die Deutsche Rentenversicherung führte eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie fest, dass die drei Männer als sogenannte Scheinselbstständige abhängig beschäftigt gewesen seien und forderte von der Baufirma Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von rund 100.000 Euro.
Der Inhaber der Baufirma widersprach und argumentierte mit dem abgeschlossenen Nachunternehmervertrag. Die Arbeiter seien selbstständig.
Das Urteil
Die Richterinnen und Richter beider Instanzen gaben jedoch der Rentenversicherung Recht. Bei den Bauarbeitern handele es sich um abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Die kaum Deutsch sprechenden Männer hätten lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. Ein Unternehmerrisiko hätten sie nicht getragen.
Der Inhaber der Baufirma habe auch von der Sozialversicherungspflicht der Bauarbeiter ausgehen müssen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die drei Bauarbeiter als Scheinselbstständige für ihn tätig gewesen seien. Der "Nachunternehmervertrag" habe lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse und der Umgehung der Sozialabgabenpflicht gedient. Vor allem könne sich der Baufirmenchef nicht auf unverschuldete Unkenntnis berufen, da diese bei illegaler Beschäftigung von vornherein ausgeschlossen sei.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. Januar 2023, Az. L 8 BA 51/20
Was ist Scheinselbstständigkeit? Scheinselbstständigkeit liegt vor allem immer dann vor, wenn ein vermeintlich Selbstständiger:
- Vorwiegend oder sogar ausschließlich für einen Auftraggeber tätig ist und damit fünf Sechstel oder mehr seines Umsatzes erzielt.
- Fest in das Unternehmen eingegliedert ist und zum Beispiel einen festen Arbeitsbereich oder einen festen Arbeitsplatz im Unternehmen des Auftraggebers hat.
- Keine eigenen Angestellten beschäftigt.
- Kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt.
- Nicht frei über Arbeitszeiten entscheiden kann.
- An Weisungen seines Auftraggebers gebunden ist.
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
Scheinselbstständigkeit vermeiden Wann sind Helfer im Betrieb sozialversicherungspflichtig? > Hier mehr lesen!
StatusfeststellungsverfahrenDas Statusfeststellungsverfahren des Deutschen Rentenversicherung kann der Arbeitgeber selbst beantragen, wenn er Klarheit über seinen Staus oder den von Mitarbeitern haben möchte. Es soll ihm und den Rentenversicherungsträgern Rechtssicherheit darüber verschaffen, ob sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt sind. Das Ergebnis gibt fünf Jahre Vertrauensschutz für die getroffenen Feststellungen. Das Verfahren wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund, Clearingstelle, 10704 Berlin, durchgeführt. > Hier können Sie mehr erfahren.DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
2 Kommentare
Kommentar schreiben