"Man kann die Konjunktur im Ergebnis nicht am Leben erhalten, wenn so ein tragender Pfeiler wie der Wohnungsbau bröckelt und wegbricht", sagt Thomas Weiler, Hauptgeschäftsführer der  Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz.

"Man kann die Konjunktur im Ergebnis nicht am Leben erhalten, wenn so ein tragender Pfeiler wie der Wohnungsbau bröckelt und wegbricht", sagt Thomas Weiler, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. (Foto: © ahfotobox/123RF.com)

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Interview: "Geld allein wird die Konjunktur nicht retten"

Das Baugewerbe – vor allem der Wohnungsbau – steht aktuell unter einem enormen Druck. Thomas Weiler, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz, fordert Verlässlichkeit, Investitionen und schnellere Genehmigungsverfahren.

Thomas Weiler ist Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. Der Wirtschafts- und Arbeitgeberverband vertritt die Interessen von über 1.300 Unternehmen mit rund 30.000 Beschäftigten. Dazu gehören Baubetriebe aller Größen vom Handwerksbetrieb über mittelständische Bauunternehmen bis hin zu Baukonzernen. Als Lösung gegen die Krise im Wohnungsbau fordert der Verbandschef Investitionen und Verlässlichkeit. Die eine Milliarde mehr im Bundeshaushalt für klimafreundliche Neubauten sei eine der seltenen guten Nachrichten.

DHB: Herr Weiler, vom Wohnungsbau hört man zuletzt nur alarmierende Nachrichten. Wie ist die Situation aktuell bei den rheinland-pfälzischen Bauunternehmen?
Weiler:
Die Unternehmen im Wohnungsbau stehen tatsächlich sehr unter Strom und sind angespannt. Wir haben auf Bundesebene seit zehn Monaten einen kontinuierlichen zweistelligen Auftragsrückgang zu verzeichnen. Im November lag der Auftragseingang in Rheinland-Pfalz über 34 Prozent hinter dem Vorjahr. Zwar ist die Auslastung in anderen Gewerken des Handwerks noch deutlich besser. Aber man kann die Konjunktur im Ergebnis nicht am Leben erhalten, wenn so ein tragender Pfeiler wie der Wohnungsbau bröckelt und wegbricht. Deshalb wird es in diesem Jahr auch erstmals seit langer Zeit nicht nur zu Kurzarbeit, sondern auch zum Arbeitsplatzabbau kommen. Die Unternehmen sind aber trotz angespannter Auftragslage bereit alles zu tun, um Fachkräfte zu halten. Wir befürchten sonst den sogenannten Gastroeffekt: Einmal weg, immer weg.

DHB: Werden Sie nach dem Vorbild der Landwirte auf die Straße gehen und protestieren?
Weiler:
Die Unzufriedenheit mit den politischen Weichenstellungen kommt auch bei uns an. Das transportieren wir ungefiltert an die Politik, nutzen dazu aber die traditionell guten Kontakte zur Landesregierung. Uns geht es als Fachverband dabei vor allem darum, ›unsere‹ Inhalte und die Themen zu platzieren, die für den Bau und für das Handwerk wichtig sind. Die aktuell durch die Bundesregierung zugesagte Milliarde für den Wohnungsbau wurde durch kontinuierliche und nachdrückliche Lobbyarbeit erreicht. Diesen Weg halten wir für zielführend. 

Thomas Weiler ist Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. Foto: © Jaqueline Friederich, Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz Thomas Weiler ist Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. Foto: © Jaqueline Friederich, Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz

DHB: Im Bundeshaushalt 2024 wurde kurzfristig eine Milliarde Euro zusätzlich für die Förderung klimafreundlicher Neubauten vorgesehen.
Weiler:
Das ist eine der seltenen guten Nachrichten, aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unternehmer erwarten, dass Zusagen seitens der Politik auch eingehalten werden. Bundeskanzler Olaf Scholz hat im September beim Wohnungsgipfel ein Paket aus 14 Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise vorgestellt. Diese Ziele wurden nach und nach bis Dezember alle wieder einkassiert. Die für uns wichtige ›Degressive Abschreibung‹ hängt mit dem Wachstumschancengesetz im Vermittlungsausschuss. Die Milliarde mehr für den Wohnungsbau ist insofern zwar ein gutes Signal und es ist ein Zeichen der Wertschätzung für die Branche. Die Politik hat endlich erkannt, dass der Bau ein zentraler Wirtschaftsfaktor ist. Wichtig ist aber, dass die Gelder auch an den richtigen Stellen ankommen und nicht etwa durch unnötig hohe Anforderungen an Energiestandards verbrannt werden. 

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DHB: Abgesehen vom Wohnungsbau stehen viele Gewerke noch gut da. Warum ist die Stimmung so schlecht?
Weiler:
Wirtschaft hat auch viel mit Emotionen zu tun. Unternehmer brauchen ein Licht am Ende des Tunnels. Da dieses Licht immer wieder an- und ausgeht, ist die Stimmung angespannt. Die Unternehmen stehen gleichzeitig unter einem großen Transformationsdruck. Sie sollen Innovationen anschieben und die Digitalisierung voranbringen. Die Politik verändert aber alle drei, vier Monate die Rahmenbedingungen und Förderrichtlinien. Das ist in hohem Maße kontraproduktiv. Die Unternehmen brauchen Verlässlichkeit.

DHB: Die Baubranche war in den letzten Jahrzehnten die Konjunkturlokomotive im Mittelstand. Krise war nie ein Thema für die Unternehmen...
Weiler:
Das ist vor allem eine Herausforderung für die junge Generation. In vielen Unternehmen werden gerade Nachfolgeregelungen vorbereitet. Die aktuelle Entwicklung entmutigt die potenziellen Nachfolger. Aus unserem Mitgliederkreis werden einige Unternehmen, gerade im ländlichen Bereich, schließen, weil die jungen Leute keine Perspektive sehen und es an der Wertschätzung für das Unternehmertum fehlt. 

Foto: © HDBFoto: © HDB

DHB: Was sind Ihre Hauptforderungen, was könnte die Situation verbessern?
Weiler:
Erst einmal muss die Politik verlässlich sein und darf die Rahmenbedingungen nicht monatlich ändern. Eingeleitet wurde der Niedergang im Wohnungsbau mit der Streichung der Förderung für das Effizienzhaus 55 im Januar 2022. Das ging wie eine Schockwelle durch die Republik. Davon hat sich der Markt bisher nicht erholt. Das Maßnahmenpaket aus dem Wohnungsgipfel mit dem Bundeskanzler wurde bis heute nicht umgesetzt. Wir benötigen im Wohnungsbau als Impuls die degressive AfA und ein verlässliches Paket zur Zinsstützung für das Effizienzhaus 55. Wir fordern echte Investitionen und keine pauschalen Subventionen mit der Gießkanne. 

Was das Handwerk außerdem ausbremst, ist die Bürokratie. Es gibt auf Bundesebene rund 4.000 Bauvorschriften. Die extrem hohen technischen Standards in Deutschland können wir uns auf lange Sicht nicht mehr leisten. Um schneller bauen zu können, müssen Standards reduziert und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Es bringt die Branche außerdem nicht voran, wenn die Unternehmen Prozesse digitalisieren und die Verwaltung nicht nachzieht. Geld allein wird die Konjunktur nicht retten, da bin ich mir sicher.

DHB: Haben Sie auch Wünsche an die Landesregierung?
Weiler:
Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz sollte als Vorbild für die Ampel im Bund stehen. Die Parteien sind sich nicht immer einig, aber sie sprechen miteinander und nicht übereinander. Konkret wünschen wir uns, dass die Landesregierung im Vermittlungsausschuss das Wachstumschancengesetz und Initiativen für eine degressive AfA unterstützt und eine Investitionsinitiative speziell für das Handwerk auslöst. Und wir wünschen uns Ehrlichkeit. Dass man ehrlich sagt ›Klimaziele kosten Geld. Nicht nur den Staat, sondern jeden Einzelnen‹ kann man den Bürgern durchaus zumuten. 

Das Interview führte Kirsten Freund 

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Text: / handwerksblatt.de

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