Elektronische Zeiterfassung wird Pflicht – aber nicht für Kleinbetriebe
Unternehmen müssen künftig alle geleisteten Arbeitsstunden elektronisch erfassen. Das sagt ein Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums. Ausnahmen soll es für Tarifparteien und Kleinstbetriebe geben.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitszeit erfassen - aber wie?
Laut einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums müssen Unternehmen sicherstellen, dass die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau erfasst wird. Das Gesetz sieht vor, dass die tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten in Deutschland elektronisch aufgezeichnet wird. Tarifparteien können jedoch Ausnahmen vereinbaren. Auch Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeiter sind ausgenommen.
Keine Pflicht für Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern
Der Arbeitgeber soll laut dem Gesetzentwurf dazu verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer elektronisch aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung kann jedoch auch durch die Arbeitnehmer selbst oder durch einen Dritten erfolgen. Die Tarifpartner sollen dem Entwurf zufolge Ausnahmen vereinbaren können. So sollen sie von der elektronischen Form abweichen und eine händische Aufzeichnung in Papierform zulassen können.
Diese konkreten Änderungen sind geplant:
1. § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz wird dahingehend geändert, dass generell Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen sind.
2. Es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber die Aufzeichnung auf die Arbeitnehmer "delegieren" kann.
3. Der Arbeitgeber kann auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Hierfür hat er sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit und der Ruhezeiten bekannt werden.
4. Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten verlangen. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen.
5. In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung können Abweichungen vereinbart werden:
- von der elektronischen Form,
- vom Zeitpunkt der Aufzeichnung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen,
- für Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.
6. Für Arbeitgeber, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, gilt die Verpflichtung zur Erfassung in elektronischer Form nicht.
7. Für alle anderen Arbeitgeber gelten hinsichtlich der Form (nicht hinsichtlich des Zeitpunkts) Übergangsvorschriften ab Inkrafttreten des Gesetzes, die wie folgt gestaffelt sind: für Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmern eine Mindestübergangszeit von einem Jahr, für Arbeitgeber ab 50 aber weniger als 250 Arbeitnehmern zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern aber mehr als zehn Arbeitnehmern fünf Jahre.
Urteile sind Auslöser
Der Gesetzentwurf wird derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Eigentlich sind Arbeitgeber schon heute verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Belegschaft zu erfassen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits in einer viel beachteten Entscheidung Mitte September 2022 verkündet. Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems genügt nicht. Voran gegangen war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das eine Erfassung der Arbeitszeiten verlangt.
Das "Stechuhr-Urteil" des EuGH Die Arbeitszeiten der Beschäftigten müssen durch ein verlässliches System gemessen werden. Das sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 14. Mai 2019, Az C-55/18. Alle EU-Mitgliedstaaten der EU müssten die Unternehmen verpflichten, die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Nur so ließe sich überprüfen, ob die zulässigen Höchstarbeitszeiten überschritten würden. Bekannt wurde der Richterspruch in den Medien als das "Urteil zur Rückkehr der Stechuhr".
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) verlangt vom deutschen Gesetzgeber Ausnahmen für kleine Betriebe und betont, dass der EuGH diese ausdrücklich für kleinere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugelassen hat. In dem EuGH-Urteil heißt es, dass die nationalen Gesetze "den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung tragen" könnten.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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