Ausbildungsabbruch rechtzeitig erkennen
Andrea Greilinger hat geforscht, warum Betriebe und Azubis sich trennen, wie man einen drohenden Abbruch erkennt und welche Lösungsansätze es gibt, um das Ruder doch noch herumzureißen.
Im Prinzip ist keiner schuld gewesen. Wird die Ausbildung abgebrochen, spielen die Betriebe den Auszubildenden den schwarzen Peter zu. Die geben ihn postwendend zurück. In ihrer Studie macht Andrea Greilinger vom Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) "sehr deutliche Unterschiede“ in der Wahrnehmung beider Seiten aus, was letztlich zur Vertragslösung geführt hat.
Die Betriebe führen in erster Linie unzureichende betriebliche und schulische Leistungen, unentschuldigte Fehlzeiten, Unpünktlichkeit, fehlende Motivation und falsche Berufsvorstellungen an. Bei den Jugendlichen steht an erster Stelle, dass sie das Betriebsklima belastet hat. Dazu zählen Konflikte mit den Kollegen, fehlende Kommunikation und Mobbing. Ebenfalls auf ihrer schwarzen Liste befinden sich Routinetätigkeiten, Zeit- und Leistungsdruck, ausbildungsfremde Aufgaben sowie häufige oder unbezahlte Überstunden.
Ausbildungsabbrüche sind keine Seltenheit. Im Handwerk wird gut ein Viertel aller Verträge vorzeitig gelöst. Die Initiative geht dabei eher von den Auszubildenden aus, wie die Forscherin vom LFI bei ihren Befragungen ermittelt hat. Und sie entscheiden sich schnell. Bei 18 Prozent der Azubis sind zwischen den ersten Anzeichen und der tatsächlichen Vertragslösung weniger als zwei Wochen verstrichen. 14 Prozent haben bis zu vier Wochen für die Entscheidung gebraucht. Weitere 17 Prozent lassen sich an die zwei Monate dafür Zeit.
Ausbildungsabbrüche oft noch im zweiten Lehrjahr
Ein weiterer interessanter Aspekt: "Ausbildungsabbrüche sind kein ausschließliches Problem der Probezeit“, hat Andrea Greilinger festgestellt. So beendeten 25 Prozent der befragten Lehrlinge ihre Ausbildung während des ersten Jahres, 31 Prozent sogar noch im zweiten Ausbildungsjahr. "Auch wenn die ersten Monate erfolgreich verlaufen sind, dürfen sich die Ausbilder nicht in Sicherheit wiegen!“
Umso entscheidender ist es, rechtzeitig die Warnsignale zu erkennen. Die Alarmglocken sollten beim Ausbilder schrillen, wenn der Azubi oft unentschuldigt bei der Arbeit fehlt, desinteressiert und lustlos ist, sich häufig und längere Zeit krank meldet, die Leistungen in der Berufsschule absacken oder wenn er ständig zu spät im Betrieb erscheint. "Sprechen Sie Ihren Auszubildenden möglichst früh und offen darauf an!“, empfiehlt Andrea Greilinger. Im Handwerk hapere es häufig an der Kommunikation. Unter Umständen können auch andere Parteien behilflich sein, den Ausbildungsabbruch zu verhindern. Naheliegend sind die Kollegen, Eltern oder Berufsschullehrer.
Ausbildungsberatung der Kammern wird kaum genutzt
Selbst für Betriebsinhaber scheinbar noch ein Geheimtipp: Als kompetente Ansprechpartner können auch die Ausbildungsberater der Handwerkskammer herangezogen werden. Ihren Rat haben während der Konfliktsituation nur acht Prozent der Betriebe eingeholt. Bei den Azubis waren es 13 Prozent. Im Nachhinein hätten 17 bzw. 35 Prozent die Hilfe der Ausbildungsexperten für nützlich gehalten. "Hier gibt es also ein großes, bisher aber kaum genutztes Potenzial.“
Greilingers Vorschlag: Wird ein Lehrvertrag neu abgeschlossen, erhalten die Auszubildenden automatisch ein Schreiben der Handwerkskammer, in dem die Ausbildungsberater vorgestellt werden. Auch durch Lehrgänge zur Konfliktbewältigung, Kurse für das Ausbildungspersonal und die Schulung von Ausbildungsberatern zu Mediatoren ließen sich Ausbildungsabbrüche vermeiden.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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