Foto: © Alexander Sell/MWVLW RLP
HWK Koblenz | Dezember 2024
Die meisten "Landesbesten" kommen von der HwK Koblenz
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt zeichnete jahrgangsbeste Absolventen von Meister- und Fortbildungsprüfungen aus.
(Foto: © auremar/123RF.com)
Vorlesen:
Beulen am Auto des Kunden, Farbspritzer auf dem Teppich: Bei kleinen oder größeren Pannen im Betrieb stellt sich die Frage, wer dafür geradestehen muss.
Ramona K. ist verzweifelt: Ihr Chef hat sie angerufen und zusammengestaucht. Er wirft ihr vor, das frisch abgezogene Parkett einer Kundin beschädigt zu haben. Jetzt muss alles neu gemacht werden. Die Auszubildende ist sich keiner Schuld bewusst. Sie hat zwar in der Wohnung der Kundin die Fußleisten geschliffen, dabei war sie aber vorsichtig und hat außerdem den Parkettboden abgedeckt – so, wie es ihr Ausbilder ihr beigebracht hatte. Nach dem Anruf des Chefs hat sie Angst, dass er ihr Gehalt einbehält oder gar kündigt, denn er hat ihr mit Konsequenzen gedroht.
"Keine Sorge", beruhigt Matthias Herold, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln, "es gibt eine ständige Rechtsprechung dazu. Arbeitnehmer haften für Schäden bei betrieblichen Arbeiten nur nach Grad ihres Verschuldens." Dabei gibt es eine klare Abstufung, je nachdem, wie – salopp gesagt – schusselig der Mitarbeiter sich angestellt hat.
Der Unternehmer trägt die Verantwortung für die Risiken seines Betriebs und sollte gut versichert sein. Aber er muss nicht für alles gerade stehen, was seine Leute anstellen. "Das Gesetz kennt die Stufen leichteste, mittlere und grobe Fahrlässigkeit – und außerdem noch Vorsatz, aber dabei geht es nicht um Missgeschicke", erklärt Experte Herold.
Grundsätzlich gilt: Wer leicht fahrlässig handelt, haftet gar nicht. Dazu gehört alles, was unter dem Motto "kann jedem mal passieren" zusammengefasst werden kann. Das ist der Fall, wenn jemand im Büro die Kaffeetasse umkippt und damit die Arbeitspapiere bekleckert. Oder ein Konditorlehrling in der Backstube versehentlich seinen Meister anrempelt, dem daraufhin die Sahnetorte vom Blech fällt. Schäden, die so passieren, gehören zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers und der Mitarbeiter braucht sie nicht zu ersetzen. "Geringfügige Fehlleistungen, die jedem unterlaufen können", nennen die Gerichte das.
Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird die Haftung zwischen Arbeitnehmer und Chef geteilt. Als Faustformel kann man sagen: "Das passiert nicht jedem, ist aber noch verständlich". Wie hoch der Haftungsanteil des Arbeitnehmers ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, es ist allerdings meistens weniger als die Hälfte. Berücksichtigt wird dabei auch das Risiko, das die Arbeit mit sich bringt, die sogenannte Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit. Wer mit dem Schweißgerät umgeht oder hoch auf einem Gerüst arbeitet, richtet schneller einen Schaden an als die Sekretärin am Schreibtisch. Die Gerichte haben die Haftung des Arbeitnehmers auch der Höhe nach begrenzt: Damit seine Existenz nicht gefährdet ist, zahlt er maximal ein Bruttomonatsgehalt.
"Den Chef kann hier auch eine Mitschuld treffen", weiß Herold. "Zum Beispiel, wenn das Arbeitsgerät defekt ist. Oder wenn er den Betrieb nicht gut genug organisiert." Das ist der Fall, wenn Mitarbeiter nicht ausreichend auf ihre Qualifikation überprüft, Maschinen nicht gewartet werden oder zu wenig Personal da ist.
Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in aller Regel für den gesamten Schaden. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt unbeachtet gelassen hat, die jedem einleuchtet, also wenn das Verhalten ein "Wie kann man nur?" geradezu provoziert. Zum Beispiel bei einem Unfall wegen Trunkenheit oder beim Überfahren einer roten Ampel, auch das Betanken eines LKW mit Benzin anstatt mit Diesel. So haben Gerichte in der Vergangenheit entschieden.
"Eine Haftungsbeschränkung ist aber möglich, wenn zwischen Vergütung und Schaden ein deutliches Missverhältnis besteht", weiß Fachanwalt Herold, "dabei wird die Grenze bei drei Bruttomonatseinkommen gezogen." Auch bei gröbster Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers kann es noch Haftungserleichterungen geben.
Für Azubis gelten noch einmal besondere Maßstäbe: "Die Tätigkeit muss dem Stand der Ausbildung entsprechen", betont Herold. Der Ausbilder muss seinen Auftrag klar formulieren, den Auzubildenden in den Umgang mit Maschinen einweisen und sich davon überzeugen, dass er korrekt arbeitet.
Auch das Alter des Lehrlings spielt eine Rolle. War Ramona K. aus unserem Beispiel mit der übertragenen Aufgabe überfordert, kann man ihr keinen Vorwurf machen. Und die Drohung ihres Chefs, die Ausbildungsvergütung einzubehalten, ist ein Bluff: Eine solche Aufrechnung ist nach dem Gesetz nur zulässig, wenn die Vergütung über der Pfändungsfreigrenze liegt, also mehr als 1.073,88 Euro beträgt (gesetzliche Unterhaltspflichten nicht mitgerechnet). Da die meisten Ausbildungsvergütungen jedoch weit geringer sind, ist eine Aufrechnung also gesetzlich verboten.
Kommentar schreiben