Foto: © Alexander Sell/MWVLW RLP
HWK Koblenz | Dezember 2024
Die meisten "Landesbesten" kommen von der HwK Koblenz
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt zeichnete jahrgangsbeste Absolventen von Meister- und Fortbildungsprüfungen aus.
Fotobeitrag von Madeleine Kuss: Zukunft – Frauen im Handwerk – Teilnehmerin beim HWK PHOTO.AWARD. (Foto: © M. Kuss)
Vorlesen:
Frauen im Handwerk - Themen-Specials
Mai 2023
Eine Karriere im Handwerk und dessen Organisation ist nicht eine Frage des Geschlechts. Doch um den Frauen-Anteil wirklich auszubauen, müssen sich Strukturen, aber auch Denkmuster ändern, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft – und überhaupt.
Eigentlich klingt es richtig gut. Frauen stellen fast die Hälfte der Erwerbstätigen, sind bestens qualifiziert und arbeiten immer häufiger auch in Bereichen mit einem hohen Männeranteil. Als Selbstständige schaffen sie neue Produkte und Dienstleistungen, aber auch Arbeits- und Ausbildungsplätze: Selbstständige Frauen beschäftigen in Deutschland 3,4 Millionen Personen und bilden rund 100.000 junge Menschen aus.
So klingt es auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums, ehe der entscheidende Satz fällt: "Es gibt jedoch noch viel Luft nach oben." Das machen vor allem zwei Fakten klar. Trotz einer fast identischen Erwerbsquote finden sich Frauen nur in 29 Prozent aller Führungspositionen. Und von den 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen haben nur 16 Prozent eine Frau an der Spitze.
"Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind immer noch geschlechterspezifisch aufgeteilt", sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). "Das ist leider so, gerade auch im Handwerk." Denn im Handwerk liegt die Führung nur jedes fünften Betriebs in weiblichen Händen – und nur jede fünfte Meisterprüfung wird von einer Frau abgelegt.
Für 2022 lag der Anteil von Frauen bei den Meisterprüfungen bei 17,9 Prozent. "Ohne die frauentypischen Gewerke sähe die Quote im Handwerk noch magerer aus", kommentiert Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, das Zahlenwerk.
Die Chefin der Handwerkskammer ist auch eine Ausnahmeerscheinung im Handwerk – denn die Frauenquote sieht innerhalb der Handwerksorganisation ähnlich düster aus. Obermann ist nur eine von zwei Hauptgeschäftsführerinnen – und das bei 53 Handwerkskammern. Auf Ehrenamtsseite gibt es immerhin drei Präsidentinnen, denen aber 50 Männer gegenüberstehen.
Auf Fachverbandsseite sieht es nur deshalb etwas besser aus, weil die frauentypischen Gewerke für eine bessere Quote sorgen – ein Spiegelbild der Geschlechterverteilung in den Gewerken.
Wer daran etwas ändern will, muss den Hebel an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen – und einen langen Atem haben. "Damit Frauen in vollem Umfang ihre Potenziale im Wirtschafts- und Arbeitsleben einsetzen können, sind vielfältige Ansätze erforderlich", heißt es denn auch beim Bundeswirtschaftsministerium. "So müssen unter anderem die Rahmenbedingungen angepasst werden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege, das Bewusstsein für partnerschaftliche Verantwortung und somit die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zu stärken.«
Dahinter stehen Erkenntnisse, die alles andere als neu sind – und in denen sich die Frauen mühsam jeden Schritt erkämpfen mussten, weil sich in der männerdominierten Wirtschaft und Politik etablierte Denkmuster nur schwer durchbrechen ließen. Das beweist die Geschichte. Erst in den 1960er Jahren kämpften sich die Frauen aus der klaren Rollenverteilung – der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um Haushalt und Kinder – heraus.
Das sogenannte Hamburger Abkommen von 1964 sorgte für Vereinheitlichung der Schulsysteme unter den Bundesländern und ermöglichte breiteren Kreisen Zugang zur Schulbildung. Für Mädchen stieg damit die Chancengleichheit und half, aus der "Heimchen-am-Herd"-Rolle auszubrechen. Ab den 1970er Jahren nahmen prompt Frauen verstärkt am Erwerbsleben teil, spätere Errungenschaften wie der Mutterschutz oder eine Elternzeit machten eine Verteilung der Kinderbetreuungsaufgaben möglich.
Allerdings gilt auch, dass eine vollständige Gleichberechtigung immer noch nicht gegeben ist. Gerade beim Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen viele Frauen nicht nur gegen Klischees anrennen, sondern sind schlichtweg nicht abgesichert. Der Grund: Die gesetzlichen Regelungen dafür gelten für Beschäftigte, nicht aber für Selbstständige. Der ZDH hat dazu eine klare Haltung: "Schwangerschaft darf kein unternehmerisches Risiko sein", formuliert der Verband und fordert eine funktionierende und durchdachte Absicherung während der Schwangerschaft und nach der Geburt für weibliche Selbstständige ein.
Mit Johanna Röh, einer Tischlermeisterin aus Alfhausen bei Osnabrück, hat die Forderung ein Gesicht bekommen. Mit einer Petition hat sie Bewegung in diese Frage gebracht. Doch weil mehrere Ministerien daran arbeiten, wird es mit der Umsetzung noch eine Weile dauern – auch wenn die Politik grundsätzlich die Mutterschutzfalle für Selbstständige erkannt hat. Denn Angestellte erhalten eine Lohnfortzahlung im Falle einer Schwangerschaft, die für Chefinnen ausbleibt – und gerade für kleine Unternehmen existenzbedrohend sein kann.
Das wissen auch die vielen Initiativen und Netzwerke von Frauen, allen voran die Unternehmerfrauen im Handwerk, kurz UFH. Aus dem alten Rollenverständnis heraus arbeiteten viele Ehefrauen automatisch in den Betrieben mit, aber oft ohne Vertrag und soziale Absicherung. Mit ihrer Lobbyarbeit trugen die UFH entscheidend dazu bei, den Status als oft despektierlich "mithelfende" Partnerin abzugeben hin auf dem Weg zur Selbstständigkeit auf Augenhöhe mit dem Partner. Ein wichtiger Schritt, denn mehr als 75 Prozent aller Handwerksbetriebe sind Familienunternehmen, an deren Spitze ein Ehepaar oder eine Partnerschaft steht.
An einem führen alle Änderungen der Rahmenbedingungen aber nicht vorbei: Gerade junge Frauen müssen in Berührung mit dem Handwerk kommen, ausprobieren, was ihnen liegt, und die Karrierechancen kennenlernen. Darum bemühen sich zahlreiche Initiativen und Aktionen, zu denen der Girl’s Day, MINT-Initiativen oder die Initiative Klischeefrei zählen. Die Initiative Klischeefrei bemüht sich darum, dass gerade junge Frauen vorurteilsfrei ihre Berufswahl treffen. Dahinter steht auch die Idee, durch den Wegfall einer geschlechtsspezifischen Berufswahl dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Das scheint sich in der Tat langsam, aber sicher auszuwirken, auch wenn die Pandemie den ganzen Bemühungen einen Rückschlag versetzt hat. Der Anteil weiblicher Lehrlinge lag vor der Pandemie im Jahr 2018 bei 19,2 Prozent, um kontinuierlich auf aktuell 16,7 Prozent zurückzufallen. Statistisch unverkennbar ist aber dennoch: Die Anteile von Frauen in klassischen Männerdomänen nehmen zu. Ausgerechnet die Digitalisierung hilft ihnen, dort besser Fuß zu fassen. Das bestätigt Tatjana Lanvermann, Vorsitzende des Bundesverbandes der UFH und selbst im Heizungs- und Sanitärgewerbe tätig. Die Auftragsabwicklung in ihrem Gewerk wie auch generell im Bau- und Ausbaugewerk via Tablet kommt den kreativen Skills junger Frauen näher, in vielen Betrieben nehmen Maschinen wie Bau-Roboter Mitarbeitern und damit den Frauen körperlich schwere Arbeit ab. Lanvermann: "Das hilft auch, klassische Rollenbilder nach dem Motto 'Das schaffst Du doch nicht' abzubauen."
Mehr noch: Das hilft generell, das Vorurteil gegenüber bestimmten Jobs abzubauen. Die Krux ist, dass diese Botschaft in der Gesellschaft generell ankommen muss, die nicht nur mit veralteten Rollenbildern, sondern auch mit einem veralteten und zum Teil falschen Bild vom Handwerk im Kopf arbeitet.
Um noch mehr junge Frauen fürs Handwerk zu begeistern und Betriebe dafür zu sensibilisieren, bei der Suche nach Fachkräften verstärkt auf Frauen zu setzen, hat die Handwerkskammer Dortmund die Kampagne "Starke Frauen. Starkes Handwerk." gestartet. Die Kampagne möchte Frauen und Mädchen von den guten Karrierechancen im Handwerk überzeugen und echte Handwerkerinnen als Vorbilder zeigen und vernetzen. Die Kampagne portraitiert erfolgreiche Gesellinnen, Meisterinnen und Unternehmerinnen aus dem Kammerbezirk. "Handwerk ist bunt und vielfältig und lebt auch von der Vielfalt seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darum brauchen wir noch mehr Frauen in den Betrieben, Führungsetagen und der Selbstverwaltung des Handwerks, die neue Impulse setzen und mitgestalten wollen", sagt Kammervizepräsidentin Kerstin Feix.
Ein Baustein der Kampagne war ein Fotowettbewerb, mit dem die Sichtbarkeit von Frauen in handwerklichen Berufen gestärkt werden sollte. Profi-, Nachwuchs- und Hobby-Fotografen aus ganz Deutschland waren aufgerufen, fotografische Arbeiten einzureichen, die Frauen im Handwerk in den Mittelpunkt setzen. Die ästhetischen Fotos, die im Foyer des Bildungszentrums der Handwerkskammer zu sehen sind, sollen junge Frauen animieren, das Rollendenken abzulegen und diesen oder einen ähnlichen Weg zu gehen.
Die Statistik mit dem Frauenanteil im Handwerk ist eindeutig: Vor allem im Bereich des Bau- und Ausbauhandwerks sind viele Berufe männerdominiert. Ein Beispiel: Bei den Maurern und Betonbauern lag der Anteil der Frauen in der Ausbildung 2022 bei gerade mal 2,1 Prozent: Von den 9.261 Lehrlingen sind nur 198 weiblich. Noch schlechter sieht die Quote bei den Meisterprüfungen aus: Gerade mal 5 Frauen waren unter den 642 erfolgreichen Meisterprüflingen zu finden, ein Anteil von nicht mal einem Prozent.
Zugegeben: Es gilt zwar die Umkehrung, weil einige, vor allem kreative oder pflegeaffine Berufe einen überdurchschnittlichen Frauenanteil haben. Aber am Gesamtbild ändert das nichts, das Handwerk ist männlich. Über alle Ausbildungsberufe im Handwerk gerechnet, ergibt sich für die Frauen eine Quote von nur 16,7 Prozent. Auf ähnlichem Niveau bewegt sich auch der Frauenanteil bei den Meisterprüfungen: Nur hinter 17,9 Prozent aller 20.532 erfolgreichen Meisterprüfungen steht eine Frau.
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