Schon die Anfahrt vom Flughafen Innsbruck in die Urlaubsregion Zugspitz Arena ist beeindruckend. Um den Dauerstau auf der Fernpassstraße zu umgehen, nehmen wir die etwas längere, landschaftlich ebenso reizvolle Strecke über Seefeld, Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen – inklusive zweifachem, nach dem G7-Gipfel im nahen Schloss Elmau wieder problemlosem Grenzübergang.
Die Berge rufen
Das in fast 1000 Meter Höhe gelegene kreisförmige Ehrwalder Becken im Nordwesten Tirols ist ein Augenschmaus: In saftigem Grün leuchtet das von dem Gebirgsflüsschen Loisach durchzogene Lermooser Moos. Das ehemalige Sumpfgebiet steht unter Naturschutz und wird landwirtschaftlich genutzt. Umrahmt wird es von den drei Dörfern Ehrwald, Lermoos und Biberwier. Einzigartig ist das Gipfelpanorama um das Becken herum: das Wettersteingebirge mit Zugspitze (2962 Meter), die Mieminger Kette mit Sonnenspitze (2417 Meter), die Lechtaler Alpen mit Grubigstein (2233 Meter) und die Ammergauer Alpen mit Daniel (2340 Meter).
Ehrwalder Geschichte(n)
Foto: © Jürgen Ulbrich Vor unserem Quartier, das familiengeführte Sporthotel Schönruh in der rund 2700 Einwohner zählenden Gemeinde Ehrwald, verzaubert mich der majestätische Anblick des Wettersteinmassivs auf Anhieb. Ich schieße Foto um Foto, während Hotel-Miteigentümer Heinz Kotz (67) die hermetische Abriegelung des Ortes anlässlich des G7-Gipfels verhohnepipelt, der im Juni in nur 35 Kilometer Entfernung stattfand.
Ein Spaziergang führt uns vorbei an Landhäusern mit ausladenden Dachüberhängen und mit üppigen Holzschnitzereien verzierten Balkonen und Fenstern. Die Pfarrkirche "Unsere Liebe Frau Mariä Heimsuchung" ist ein Schmuckstück barocker Handwerkskunst, wurde 1648 geweiht und im 18. Jahrhundert durch einen Zwiebelturm erweitert. Seit Anfang der Sechzigerjahre bereichert ein modernes Fresko die Wand zur Sakristei.
Am Haus Kirchplatz 12 fällt eine Gedenktafel auf: "Dr. Ludwig Ganghofer dem Dichter und Freunde in Erinnerung an seinen Aufenthalt in diesem Hause vom Jahre 1906 bis 1918 das dankbare Ehrwald". Im etwa 20 Kilometer entfernten Gaistal hatte der passionierte Jäger, einer der erfolgreichsten Autoren des 19. Jahrhunderts, ein Jagdrevier, wo er ebenfalls viel Zeit verbrachte. Ehrwald erinnert an den aus dem schwäbischen Kaufbeuren stammenden Heimatschriftsteller (1855-1920) auch mit der Dr. Ludwig Ganghofer-Straße, der Ganghoferhütte, der Ganghofer-Blitz-Sesselbahn und mit der im Winter bei Ski-Langläufern beliebten Ludwig-Ganghofer-Hochloipe.
Edle Tiroler Schnäpse und Brände
Foto: © Jürgen Ulbrich
Einen Katzensprung später erreichen wir unser Ziel: der 1936 gegründete Getränkehandel Linzgieseder, der mit seiner Schnaps-und Weinboutique Touristenströme anzieht. "Wir sind ein klassischer Familienbetrieb, inzwischen in dritter Generation", erklärt Seniorchef und Kommerzialrat Arnold Linzgieseder (78), Sohn des Firmengründers Alfred und gelernter Destillateur, während er stolz eine Auswahl der 70 Sorten umfassenden hauseigenen Schnäpse, Liköre und Edelbrände präsentiert.
Rund 100000 Liter Hochprozentiges destilliert Linzgieseder im Jahr, darunter den typischen Tiroler Marillen-Brand (40% Alkoholgehalt), einen Kräuterlikör mit dem exotischen Namen "Hexenfeuer" (50%) oder den Eislikör "Tiroler Zugspitz" (50%), dessen optisches "Eis" in der Flasche Zucker ist, der nicht mitgetrunken wird.
"Wir verkaufen unsere Produkte nur lokal und regional," ergänzt Linzgieseder, "Grund sind die national unterschiedlichen Brandweinsteuern. Es gibt keine einheitliche EU-Regelung, so dass wir auf Exporte ins Ausland verzichten." Lustig wird’s bei der anschließenden Edelbrand- und Schnaps-Verkostung, danach wandeln wir beschwingt zurück zur Unterkunft.
Wanderung zum Seebensee
Foto: © Jürgen Ulbrich Als Beispiel für die rund 150 regionalen Wanderrouten mit unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden steht eine Tour zum Seebensee auf dem Programm. Von der Talstation der Ehrwalder Almbahn schweben wir auf die 1500 Meter hohe Ehrwalder Alm. Rund 200 Höhenmeter sind in den nächsten zwei Stunden zu bewältigen.
Je höher wir wandern, desto dichter wird der Bergwald, mehrfach wechseln wir auf steilere und kleinere, mit Tiergattern gesicherte Wege, die atemberaubende Ausblicke ins Tal bieten. Vorbei an der Seebenalm (1575 Meter) erreichen wir schließlich den Seebensee (1657 Meter), einen der idyllischsten Plätze Tirols.
Sauerkraut und Röstkartoffeln
Foto: © Jürgen Ulbrich Jetzt begreife ich, was Heimatdichter Ganghofer meinte, als er im Kapitel "Flori" seines Jagdbuches "Von Jägern und Wilderern" einst so poetisch schrieb: "Als sich der Morgen zu lichten begann, erreichten wir den Sebensee, der schön wie eine verlorene Gottesträne in der Öde eines großen Felskares gebettet liegt." Am schönsten ist die Aussicht von der Südseite, dann spiegelt sich das Wettersteingebirge mit der Zugspitze wundervoll im kristallklaren, türkisfarben glänzenden Wasser des Gebirgssees.
Auf dem Rückweg rasten wir auf der Seebenalm. Hier geht’s bei Hauswurst mit Sauerkraut und Röstkartoffeln, einer Tiroler Käseplatte mit Alm- und Rässkäse sowie einem erfrischenden Bier urig zu. Und im Tirolerhaus auf der Ehrwalder Alm warten Kaiserschmarrn mit Apfelmus und Zwetschken – sicher die bekannteste österreichische Süßspeise – auf willige Abnehmer.
Mit dem E-Mountainbike über Stock und Stein
"Wenn ihr Fahrradfahren könnt, werdet ihr auch mit dem E-Mountainbike zurechtkommen", sagt Georg Mott (60), Gründer und Besitzer von Bikeguiding Zugspitz Arena, der uns auf einen elf Kilometer langen Drei-Seen-Trip mit 458 Metern Auffahrt und Abfahrt begleitet. Der Lermooser Mott ist einer der Pioniere des geführten Fahrrad-Tourismus in der Region, die mit über 100 Touren und einer Gesamtdistanz von etwa 4330 Kilometern mit 100000 Höhenmetern glänzt.
Bikermekka der Alpen
Foto: © Jürgen Ulbrich "Wir haben uns längst zum Bikemekka der Alpen entwickelt und wurden schon mehrfach mit den Prädikaten beste Bike-Region Österreichs und Approved Bike Area ausgezeichnet", erzählt Georg, während wir durchs Lermooser Moos nach Biberwier radeln. Schnell lernt man die drei Stufen des batteriebetriebenen Elektromotors effektiv einzusetzen.
Vorbei an den Loisach Quellen erreichen wir auf dem Blindseeweg die erste schwere Schotter-Steigung zum Mittersee. Mit Unterstützung des Elektroantriebes erklimmen wir selbst diesen steilen Anstieg, ohne absteigen zu müssen! Meine Skepsis gegenüber dem E-Mountainbike weicht einer sich rasch ausbreitenden Euphorie.
Wir radeln weiter zum Weißensee, von dort zum Blindsee, ein beliebter Badetreff, arbeiten uns zum Fernpass hoch, überqueren ihn, um ihn kurze Zeit später nach einem Rundkurs in einem Fahrrad-Tunnel zu unterqueren. Zurück entscheiden wir uns für einen sogenannten Single Trail, den nur die Guides kennen. Die extrem schmale, mit Wurzeln, Steinen und Felsbrocken durchwachsene abschüssige Spur mitten durch den Wald ist Respekt einflößend, doch unbeschadet kommen wir über Biberwier nach Ehrwald zurück.
Auf Deutschlands höchstem Berg
Foto: © Jürgen Ulbrich Die 2962 Meter hohe Zugspitze ist ein Berg der Superlative. Auf dem Gipfel liegt das Münchner Haus, Deutschlands höchste Hütte, an ihr hängt Deutschlands höchster Briefkasten und natürlich beherbergt der Gipfel auch Deutschlands höchsten Biergarten.
Bereits die Fahrt mit der Tiroler Zugspitzbahn von Ehrwald-Obermoos aus ist ein unvergessliches Erlebnis. In weniger als zehn Minuten schwebt die Kabinen-Seilbahn, die 100 Personen Platz bietet, über drei, waghalsig in den Gebirgsstein getriebene Stützen auf den Westgipfel. Dabei überwindet sie schwindelerregende 1725 Meter Höhenunterschied. Auf dem Westgipfel verläuft auch die Grenze zum Freistaat Bayern, an die nur noch das alte Grenzhäuschen und die Hoheitszeichen Tirols und Bayerns erinnern.
Überwältigende Zugspitze
Die Zugspitze präsentiert sich vor nahezu wolkenlosem, blauen Himmel. Überwältigend ist die Aussicht von den Besucherplattformen, rund 240 Berggipfel warten auf Entdeckung, darunter der Großglockner und der Piz Bernina, aber auch der Fernsehturm in München.
Ein Anblick aber ist sehr traurig: Der Schneeferner auf dem Zugspitzplatt unterhalb des Gipfels war einst Deutschlands größter Gletscher. Inzwischen existiert neben kümmerlichen Resten des südlichen Schneeferners nur noch der nördliche Teil, den Spötter als "größeres Eisfeld" bezeichnen. Durch die Klimaerwärmung schmilzt der nördliche Schneeferner weiter, seine Tage sind gezählt. Wenn da der liebe Gott nicht noch einmal eine große Träne verliert …
Anreise
Mit dem Auto aus Richtung
- Innsbruck (75 Kilometer): Von Innsbruck nach Telfs, über Nassenreith und den Fernpass, oder alternativ über Seefeld, Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen, bei Griesen über die österreichische Grenze
- München (110 Kilometer): A 95 bis Garmisch Patenkirchen, bei Griesen über die österreichische Grenze
- Stuttgart (250 Kilometer): A 7 nach Kempten, bei Füssen über die österreichische Grenze, dort weiter Richtung Reutte
Mit dem Zug nach Garmisch-Patenkirchen. Bahnhöfe befinden sich in Ehrwald, Lermoos, Lähn-Wengle, Bichlbach und Heiterwang am See
Mit dem Flugzeug nach Innsbruck, München oder Memmingen (100 Kilometer)
Hotel-Tipp
Das Kinderhotel Alpenrose in Lermoos ist eine der besten Adressen für Urlaub mit mit dem Nachwuchs. Das Angebot umfasst unter anderem Kinderbetreuung durch Pädagog(inn)en, einen Indoor-Spielbereich mit Piratenland, die Wasser-Wunder-Welt mit Indoor, Outdoor-und Solepool sowie einen Spa-Bereich auf 750 Quadratmetern.
Restaurant-Tipp
In seinem Bergfeuer Fondue-Restaurant Berwang bietet Inhaber Peter Lackner in Almhütten-Atmosphäre ein ungewöhnliches Konzept: Hier kann Indoor und Outdoor auf dem Tisch gegrillt werden, Fondue und Tartarenhut gehören ebenso zum Angebot. Und über dem Restaurant vermietet Lackner seine Ferienwohnung Alpenquelle, ein 150 Quadratmeter großes Luxus-Penthouse.
Weitere Infos
Nützlicher Tourenplaner für Sommer- und Winterwanderungen sowie Bike-Trails. E-Mountainbikes verleiht der Fahrrad-Spezialist Nagele
Tiroler Zugspitz Arena
Text:
Jürgen Ulbrich /
handwerksblatt.de
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