Mutterschutz für Selbstständige: Bundesrat fordert Lösungen
Der Bundesrat fordert einen Mutterschutz auch für Selbstständige. Die Bundesregierung soll jetzt passende Instrumente schaffen. Gerade Unternehmerinnen im Handwerk seien besonders betroffen. Tischlermeisterin Johanna Röh kämpft seit zwei Jahren gegen die Chancenungleichheit und für eine Reform.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Frauen im Handwerk
Selbstständige sollen während Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichen Mutterschutzleistungen erhalten wie Arbeitnehmerinnen. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in seiner Sitzung vom 26. April 2024 aufgefordert, für selbstständige Frauen passende Instrumente zu schaffen. Die Entschließung geht auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen und Hamburg zurück.
Noch immer sei der Anteil von Frauen bei Gründungen von Start-Ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen extrem niedrig. Die deutsche Rechtsordnung enthalte Regelungen für schwangere Arbeitnehmerinnen, Beamtinnen und Richterinnen - nicht jedoch für Selbstständige. Es müssten deshalb gleichwertige Verhältnisse in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen werden. Finanziert werden könnte das durch Bundesmittel oder durch Schaffung eines solidarischen Umlagesystems.
Unternehmerinnen im Handwerk sind besonders betroffen
Gerade wenn sie noch jung sind, hätten Unternehmerinnen oft noch keine Rücklagen für eine ausreichende Vorsorge. Ihnen drohten beim Ausfall durch Schwangerschaft und Geburt Auftragseinbußen und Umsatzrückgänge, die bis zur Insolvenz führen könnten. Unternehmerinnen im Handwerk seien besonders betroffen, da die Arbeit oft körperlich belastend und in dieser Lebensphase der Investitionsbedarf besonders hoch sei, so die Länderkammer. Das Thema betrifft aber auch Ärztinnen, Anwältinnen, Designerinnen oder Einzelhändlerinnen.
Tischlermeisterin Johanna Röh hat den Stein ins Rollen gebracht
Der Bundesrat verlangt daher von der Bundesregierung, dass für Gründerinnen und Selbstständige "Instrumente geschaffen werden, die Rückhalt zur Gründung geben und schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern". Die Entschließung wird jetzt der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit den Länderforderungen befasst. "Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht", meldet der Bundesrat. Bis dahin ist eine Schwangerschaft bei vielen Selbstständigen "immer noch ein unkalkulierbares finanzielles Risiko", sagt Tischlermeisterin Johanna Röh (Foto).
Foto: © Die ReedereiDass das Thema jetzt auf höchster politische Ebene diskutiert wird, ist der Unternehmerin aus Alfhausen in Niedersachsen zu verdanken, die während ihrer eigenen Schwangerschaft im Jahr 2022 erfahren musste, dass es keine Absicherung für selbstständige Handwerkerinnen gibt.
"Während ich schwangerschaftsbedingt krankgeschrieben war, konnte ich mich selbst nicht mehr ernähren und die Fixkosten meiner Werkstatt haben sich aufgetürmt. Ich habe hochschwanger noch auf der Baustelle gearbeitet, um im Wochenbett keine Insolvenz zu riskieren. Mein Kinderwunsch wurde zu einem Wettbewerbsnachteil, als ob es ein persönliches Hobby wäre", berichtet sie. (Wie alles begann lesen Sie hier)
Johanna Röh hat daraufhin noch während ihrer Schwangerschaft eine Petition für gleiche Rechte im Mutterschutz für Selbstständige Schwangere gestartet, viele Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden und über 110.000 Unterschriften gesammelt - das höchste Votum im Petitionsausschuss des Bundestags. "Die Botschaft ist einfach", sagt sie. "Der Artikel 6 Absatz 4 GG muss umgesetzt werden: Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft." Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprach sich daraufhin Ende 2022 für den Mutterschutz für Selbstständige aus. Am 18. September 2023 gab es eine öffentliche Anhörung im Bundestag, bei der unter anderem Johanna Röh als Sachverständige gehört wurde.
Auch den Betrieb und die Angestellten mit bedenken
Es sei im Übrigen zu kurz gedacht, wenn man zukünftigen Absicherung der selbstständigen Mütter nur die persönlichen Lebenshaltungskosten im Blick habe. "Was ist mit dem Betrieb und den Angestellten? Diese beim Mutterschutz für Selbstständige nicht mitzudenken, bedeutet die Anforderungen und Lebensrealität der Selbstständigen zu verkennen." Die Unternehmerin hat zwischenzeitlich den Verein "Mutterschutz für Alle" gegründet und wird bei ihrem Anliegen unter anderem vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstützt.
Quellen: Bundesrat; Johanna Röh
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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