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HWK Koblenz | Dezember 2024
Die meisten "Landesbesten" kommen von der HwK Koblenz
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt zeichnete jahrgangsbeste Absolventen von Meister- und Fortbildungsprüfungen aus.
Produkte und Dienstleistungen von Handwerkern werden auch über Plattformen vermittelt. Das Ludwig-Fröhler-Institut hat sich über 100 handwerksrelevante Online-Portale angeschaut. (Foto: © ferli /123RF.com)
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Geschäfte werden zunehmend im Internet getätigt. Über Plattformen kommen die Kunden auch mit Handwerkern in Kontakt. Das Ludwig-Fröhler-Institut hat Daten zu über 100 relevanten Portalen für Handwerker gesammelt und ausgewertet.
Ein Handwerker ist heutzutage schnell gefunden. Eben das Smartphone gezückt, die Suchmaschine befragt und in Sekundenbruchteilen spuckt sie seitenweise passende Treffer aus. "Für 98 Prozent der Privatleute ist Google das Zutrittstor zum Internet", schätzt Johannes Trenkle. Für Handwerksbetriebe sei es deshalb nahezu eine Pflicht, online präsent zu sein. "Das ist aus meiner Sicht inzwischen wichtiger als der Eintrag im örtlichen Telefonbuch", meint der wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktorand am Ludwig-Fröhler-Institut (LFI).
Doch nicht nur das Informations-, sondern auch das Kaufverhalten verändert sich. Der Onlinehandel wächst kontinuierlich. Inzwischen wird ein Zehntel des Einzelhandelsumsatzes über das Internet erwirtschaftet. Plattformen werden dabei immer wichtiger. "Von den zehn Prozent des Online-Umsatzes entfällt schätzungsweise die Hälfte alleine auf Amazon." Neben dem Onlineversandhändler gibt es noch zahlreiche andere, die für das Handwerk wichtig sind oder sein könnten. Johannes Trenkle hat mit einem Team von Forscherkollegen Daten zu über 100 Plattformen gesammelt und ausgewertet.
Sie gliedern sich in sechs Typen auf. Fünf davon sind Transaktionsplattformen. Sie unterscheiden sich darin, wie frei der Unternehmer handeln kann und inwiefern er selbst als Unternehmer gegenüber den Kunden in Erscheinung tritt. Relativ locker ist die Anbindung an Werbeplattformen. Dazu zählen etwa Instagram, Pinterest oder Wirsindhandwerk.
Etwas strenger geht es in Sachen Auftragserlangung bei Onlineshops zu. Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Amazon, Ebay und Materialrest24. Die größte Gruppe bilden die sogenannten Partnervermittler. Darin sind mehr als 40 Plattformen vertreten. Zu ihnen zählen etwa Blauarbeit, MyHammer, Check24 oder Verivox. Sie greifen stärker in den Prozess der Auftragserlangung ein als die Onlineshops, indem sie das Angebot und den Preis eines Produkts oder einer Dienstleistung beeinflussen, mitunter sogar festlegen.
Unter den Typ vier fallen "Infrastrukturanbieter". Bekannte Namen sind Vaillant mit seinem Angebot heizungonline oder Helpling. Sie greifen vergleichsweise wenig in den Prozess der Auftragserlangung ein, der Handwerker behält volle Kontrolle über seinen Preis. Dafür beschneiden sie aber die unternehmerische Eigenständigkeit des Handwerkers mit Blick auf angebotene Produkte oder Services. Am stärksten regulieren die sogenannten Franchiser. Dazu gehören unter anderem Banovo, Homebell oder Myster. Neben den fünf Transaktionsplattformen werden noch Betriebe mit Plattformcharakter aufgeführt, die in der Regel aber nur mit fest angestellten Handwerkern arbeiten.
In der Ausarbeitung des LFI werden dem halben Dutzend an Plattformtypen die fünf Lebensphasen eines Betriebs – Gründung, Existenzsicherung, Reife, Expansion und Sättigung – gegenübergestellt. Anhand eines Ampelsystems lässt sich ablesen, welcher Plattformtyp für welche Lebensphase infrage kommt. Die Auswahl ist groß. Um sich darin nicht zu verlieren, ist eine Strategie erforderlich. "Als Handwerker muss ich mir ehrlich die Frage beantworten, was ich will", sagt Johannes Trenkle.
Wer aggressiv wachsen möchte, müsse mehrere Plattformen bespielen. Ist nur ein kleiner Auftragsüberhang das Ziel, reiche es aus, seine Kapazitäten bei einem Anbieter einzustellen. Für die Imagepflege, Produktwerbung oder Mitarbeiterakquise eigne sich dagegen eher die Präsenz in den sozialen Medien.
Um die richtige Strategie zu finden, kann sich ein Anruf bei der Handwerkskammer lohnen. Deren umfangreiches und meist kostenloses Beratungsangebot wird seit einiger Zeit durch Digitalexperten wie die Beauftragten für Innovation und Technik (BIT) oder Digi-BITs ergänzt. Sie besitzen in der Regel auch das nötige Know-how, wie eine Internetpräsenz aufgebaut und effizient genutzt wird.
Genau damit müssten die meisten Betriebe wohl erst einmal beginnen. Denn aus einer aktuellen Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen geht hervor, dass nur 30 Prozent eine Homepage haben; lediglich 10 bis 15 Prozent sind in den sozialen Medien aktiv.
Die LFI-Studie als PDF-DateiPlattformen hatten im Handwerk keinen guten Start. "Mit seinen Rückwärtsauktionen hat MyHammer den Begriff zu Anfang verbrannt, dabei haben sie ihr Geschäftsmodell schon vor bald zehn Jahren grundlegend geändert", sagt Johannes Trenkle. Mit Blick auf die wachsende Bedeutung und Vielfalt der Modelle wäre es nun an der Zeit, die ablehnende oder gleichgültige Haltung zu überdenken. "Jeder Wirtschaftszweig muss sich gegenüber Plattformen im Internet positionieren – auch das Handwerk."
Noch sind die Auftragsbücher vieler Betriebe gut gefüllt. Doch das dürfte nicht immer so bleiben. "Handwerker sollten die gute wirtschaftliche Lage nutzen, um Erfahrungen mit einer oder mehreren Plattformen zu sammeln, so dass sie vorbereitet sind, wenn sich die Konjunktur eintrübt", rät Forscher Johannes Trenkle.
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