Corona: Die Bundesnotbremse kommt
Die von der Bundesregierung angestoßene Änderung des Infektionsschutzgesetzes hat Bundestag und Bundesrat passiert. Das Handwerk ist unzufrieden mit den Regelungen.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie setzt die Bundesregierung auf einheitliche Regeln. Das geänderte Infektionsschutzgesetz sieht bundesweit verbindliche Regeln vor, wann es zu einem Lockdown kommen soll und wann es Lockerungen der Beschränkungen geben muss. Eigentlich hatten Bund und Länder bereits beschlossen, ab einem gewissen Inzidenzwert die Notbremse zu ziehen und damit strengere Regeln für Wirtschaft und Bürger durchzusetzen. Jedoch: Nicht jedes Bundesland hat mitgemacht mit und einige gingen im Hinblick auf den Mix von Beschränkungen und Lockerungen eigene Wege, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Richtig erfolgreich war das bisher nicht. In Deutschland rollt die dritte Infektionswelle und die Zahlen steigen derzeit weiter. Nachdem das Bundeskabinett die Reform des Infektionsschutzgesetzes beschlossen hatte, hat jetzt auch der Bundestag den Gesetzentwurf mit einigen Änderungen verabschiedet. Der Bundesrat hatte keine Einwände und damit kann das Gesetz in Kraft treten. Das Gesetz ist die Grundlage für die sogenannte Bundesnotbremse, die die einzelnen Bundesländer verpflichtet, ab bestimmten Inzidenzwerten Corona-Maßnahmen auch wirklich umzusetzen.
Testpflicht auf Kosten der Betriebe
Themen-SpecialIn unserem Themen-Special "Corona-Schutz im Betrieb" finden Sie ausführliche Informationen zu Arbeitsschutzmaßnahmen und rechtlichen Apekten.Ein Teil der Notbremse ist die Testpflicht für Unternehmen, die bereits mit einer Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung seit dem 20. April und mindestens bis zum 30. Juni gilt. Demnach sind Unternehmen verpflichtet, ihren Beschäftigten, die nicht von Zuhause aus arbeiten, auf eigene Kosten mindestens einen Corona-Test pro Woche anzubieten. Mitarbeiter, die wegen häufiger Kundenkontakte oder der Ausführung körpernaher Dienstleistungen besonders gefährdet sind, müssen zweimal wöchentlich ein Testangebot erhalten. Bald sollen es generell zwei Tests wöchentlich sein. Weitere Corona-Arbeitsschutzregeln betreffen die Pflicht Homeoffice anzubieten, Hygienepläne, Mindestabstände, Maskenpflicht, regelmäßiges Lüften und Regeln zur Kontaktvermeidung.
Das neu gestaltete Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs geöffnet bleiben dürfen. Alle anderen müssen schließen. Davon unberührt bleiben Augenoptiker und Hörgeräteakustiker. Körpernahe Dienstleistungen sollen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken in Anspruch genommen werden. Ausnahme: der Friseurbesuch und Fußpflege. Kunden müssen hierzu einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen. Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 150 bleibt das Terminshopping erlaubt. Fahrrad- und Autowerkstätten betrifft das nicht, sie bleiben auch dann geöffnet. Das Abholen bestellter Ware bleibt unabhängig vom Inzidenzwert möglich. Gastronomie und Hotellerie, Freizeit- und Kultureinrichtungen sollen bei einer Inzidenz über 100 schließen.
Das Handwerk übt Kritik
Ab einer Inzidenz von 165 sollen Schulen zum Distanzunterricht übergehen, die Regelbetreuung in den Kitas wird dann untersagt. Ausnahmen können für Abschlussklassen und Förderschulen gelten. Schon ab einem Wert von 100 treten Ausgangssperren in Kraft. Dann dürfen Bürger zwischen 22 und 5 Uhr nur noch das Haus verlassen, wenn gute Gründe dafür vorliegen. Dazu gehören etwa der Weg zur Arbeit oder medizinische Gründe. Es gelten außerdem strenge Kontaktbeschränkungen. Sowohl öffentlich als auch im privaten Bereich dürfen sich die Angehörigen eines Haushaltes nur mit einem weiteren Menschen treffen.
Hans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/SchueringDas Handwerk hält die Bundesnotbremse für "unzulänglich". Bundesweit einheitliche Kriterien seien zwar richtig, aber es bleibe problematisch, dass nur die Inzidenz im betreffenden Landkreis entscheidend dafür ist, ob die Notbremse mit den damit verbundenen, teilweise sehr umfänglichen Grundrechtseingriffen gezogen werden muss, erklärte Hans Peter Wollseifer. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks bemängelt die zu ungenau formulierten Regelungen. Sie seien interpretationsanfällig und führten zu unterschiedlichen Auslegungen vor Ort.
"Gesetz bringt keine Klarheit"
"Damit bringt auch das novellierte Infektionsschutzgesetz nicht die Klarheit und Planungssicherheit, die viele unserer Handwerksbetriebe – und besonders die überregional tätigen Betriebe – erhofft hatten, und die sie in diesen ohnehin ungewissen Zeiten so dringend brauchen." Trotz der für die Betroffenen oft unklaren Vorgaben drohten bei Nichteinhaltung der Regeln erhebliche Bußgelder oder Strafen.
"Wir erwarten zudem, dass einige Regelungen im novellierten Infektionsschutzgesetz mittels der anstehenden Bundesverordnungen unbedingt korrigiert werden", forderte Wollseifer. Die Ausnahme von Schließungsvorgaben für Friseure und Fußpflegesalons müsse auch für Kosmetiksalons gelten. Dem Kfz-Handwerk mit seinen ausgefeilten Hygienekonzepten solle endlich eine Öffnung seiner großflächigen Autohäuser erlaubt werden. Geöffnet bleiben müssten zudem Ladenlokale von den Handwerksbetrieben, die ihre Leistung nur bei geöffneten Ladenlokalen erbringen können.
Begrenzung des Kundenzugangs korrigieren
Die Bundesnotbremse dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass bislang gültige Regelungen hinfällig werden. Wollseifer: "Kleine Ladengeschäfte mit Thekenverkauf, wie sie beispielsweise in den Lebensmittelhandwerken die Regel sind, müssen auch weiter ohne starre Quadratmetervorgabe offen bleiben, solange sie zwischen den Kunden einen Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleisten. Daher muss die jetzt vorgesehene Begrenzung des Kundenzugangs auf einen Kunden beziehungsweise eine Kundin je 20 Quadratmeter unbedingt korrigiert werden."
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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