Gestresste Menschen haben oft das Gefühl, ihrer Situation komplett ausgeliefert zu sein und nichts daran ändern zu können.

Gestresste Menschen haben oft das Gefühl, ihrer Situation komplett ausgeliefert zu sein und nichts daran ändern zu können. (Foto: © ndphoto/123RF.com)

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Betriebsführung

Jahresendspurt, Fachkräftemangel, das Hin und Her in der Politik: Handwerker müssen derzeit viele Probleme bewältigen – zusätzlich zum Arbeitsalltag. Damit das nicht zum Burn-Out führt, erklärt eine Expertin, was jeder für sich tun kann.

Ob Angestellter, Solounternehmer oder Führungskraft an der Spitze großer Unternehmen – fast alle der mehr als fünf Millionen Handwerkerinnen und Handwerker in Deutschland haben eines gemeinsam: Sie stehen unter großem Stress. Schuld daran sind enge Zeitpläne, hohe Erwartungen, Fachkräftemangel und Lieferengpässe, aber auch ständig wechselnde politische Rahmenbedingungen. Kein Wunder, dass immer mehr von ihnen krank werden – körperlich und psychisch. Höchste Zeit für mehr Selbstfürsorge.

Das klingt gut, aber wer hat schon Zeit für Yoga oder einen Waldspaziergang? Und mal ehrlich, was hilft das schönste Schaumbad gegen Trumps Wahlsieg und die Angst vor den Folgen, wenn das eigene Geschäft direkt oder indirekt vom amerikanischen Markt abhängt? Was nützt regelmäßiges Joggen, wenn der endlich gefundene neue Geselle doch wieder abgesagt hat? Auf den ersten Blick, nichts. Bei der Selbstfürsorge geht es nicht um die Lösung betrieblicher Probleme, sondern um den Umgang mit ihnen. Es geht um die innere Haltung und die eigenen Kraftquellen.

Schluss mit der Selbstausbeutung!

Sind wir selbst gut in unserer Kraft, machen uns die Probleme zumindest nicht mehr so viel aus und wir finden auch leichter gute Lösungen. "Ich hatte keine Zeit und kein Geld, um zu tanken", soll ein liegengebliebener Autofahrer dem ADAC-Abschleppdienst gesagt haben. So ist es auch mit uns. Ohne immer wieder aufzutanken, werden wir unsere Ziele nicht erreichen. Wir sollten also immer mal wieder prüfen, wie voll unser Energie-Tank ist und entsprechend tätig werden. Wenn wir in gutem Kontakt zu uns selbst sind, lassen wir uns nicht mehr unbemerkt in eine Spirale der Selbstausbeutung hineinziehen. Wir hören auf, immer mehr Aufgaben zu übernehmen und erkennen psychische Ermüdung früh genug, um bewusst gegenzusteuern.

Die eigenen Kraftquellen kennen und nutzen

Ganzheitliche Selbstfürsorge bedeutet, einen Arbeits- und Lebensstil zu entwickeln, der mehr Kraft gibt, als er nimmt. Sonst drohen Burn-out und Depression. Chronischer Stress ist deshalb so gefährlich, weil er unseren Blick verengt. Gestresste Menschen haben oft das Gefühl, ihrer Situation komplett ausgeliefert zu sein und nichts daran ändern zu können. Hinzu kommen in der Welt der Viel- und Alleskönner meist enorm hohe Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit und Perfektion. Dabei sind wir keine Superhelden, die jederzeit das Unmögliche schaffen und unendlich viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen können.

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Anders als bei Werkstücken ist Perfektion eine Falle, wenn es um die eigene Person geht. Das zu erkennen, ist gelebter Selbstschutz. Ganzheitliche Selbstfürsorge bedeutet in erster Linie, sich selbst wieder wahrzunehmen und zum Experten für das eigene Wohlbefinden zu werden. Wer in Kontakt ist mit seinen Gefühlen und Gedanken, aber auch mit der Realität - die Welt hängt nicht von uns ab - kann sich um sich selbst kümmern. Wir können den Ausgang von Wahlen nicht beeinflussen oder Kriege beenden, aber wir können unser Leben beeinflussen und unsere Gefühle und Gedanken steuern. Das bedeutet auch, dass wir für die Gestaltung unseres Lebens und für unsere mentale Hygiene verantwortlich sind.

Große und kleine Maßnahmen für mehr Energie

Und was ist nun mit den Selfcare-Klassikern wie Yoga, Waldspaziergang und Sport? Sie können zu unseren Kraftquellen im fordernden Alltag gehören. Aber Achtung: Die Betonung liegt auf dem Wörtchen "können". Aus der Yogastunde am Mittwochabend wird ein lästiges To-do und damit ein neuer Stressfaktor, wenn mir Yoga keine Freude macht. Der eine powert sich beim Handball aus, die andere entspannt im Tangokurs und der dritte meditiert regelmäßig – wichtig ist, die eigenen Ressourcen zu kennen und zu wissen, was wann hilft.

Ein Bild macht es deutlich. Stellen Sie sich einen antiken Apothekerschrank vor. Die Schubfächer haben drei Größen, klein, mittel und groß. In die kleinen kommen Kraftquellen, die nur wenig Zeit in Anspruch nehmen: ein lustiges Gespräch mit einem Lieblingskollegen in der Teeküche, ein gezieltes Ausatmen an der frischen Luft, um spontanen Ärger loszulassen. In den mittelgroßen Schubladen liegen Ressourcen, die nach etwas mehr Zeit verlangen: das Handballtraining, ein Kinoabend oder eine Runde auf dem Motorrad.

Die größten Fächer schließlich sind für aufwendigere Booster wie einen Kurzurlaub ohne Diensttelefon oder den Besuch eines mehrtägigen Festivals reserviert. Es bleibt jedem Menschen selbst überlassen, womit er seinen Schrank bestückt – wichtig ist, dass die Schubladen gut gefüllt sind und im richtigen Moment geöffnet werden können. Selbstfürsorge ist wie ein Handwerk, das mit den passenden Werkzeugen zur persönlichen Meisterschaft führen kann. Wer es beherrscht, schenkt sich selbst die beste Grundlage für Gesundheit und Lebensqualität. 

Die Autorin Kara Pientka ist Geschäftsführerin, Senior-Coach und Senior-Lehr-Coach am INHESA - Institut für Health & Selfcare

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Text: / handwerksblatt.de

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