Lebensmittel: Schwächerer Schutz durch TTIP?
Minister Christian Schmidt stößt eine Diskussion über geschützte Herkunftsbezeichnungen regionaler Spezialitäten im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) an. Das Handwerk pocht darauf, die Bezeichungen auch weiterhin zu schützen.
Gibt es bald in den USA hergestellte Schwarzwälder Schinken, Dresdner Christstollen oder Dortmunder Bier in der Europäischen Union zu kaufen? Müssen Hersteller regionaler Spezialitäten damit rechnen durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) die ihnen vorbehaltenen Rechte zu verlieren? Solche Fragen stellten sich viele, nachdem sich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel angedeutet hatte. Er sagte: "Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit den riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen." Die hier geltenden EU-Regeln seien sehr bürokratisch und ohnehin würden auch Spezialtäten geschützt, deren Grundstoffe gar nicht nur in ihren Heimatregionen hergestellt würden.
Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Sie kam unter anderem aus der Lebensmittelwirtschaft, von den Grünen und auch aus dem Handwerk: "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Lebensmittelstandards bei den TTIP-Verhandlungen aufgeweicht werden", sagte Georg Schlagbauer, Präsident des Bayerischen Handwerkstags. Der Minister ruderte daraufhin wieder zurück. Er wolle die Herkunftsbezeichnungen nicht abschaffen. Die Qualität der deutschen Produkte werde weltweit geschätzt. "Unser Ziel muss sein, die größtmögliche Transparenz für den Verbraucher herzustellen. Das gilt auch beim Prinzip der geschützten Herkunftskennzeichnung, die dem Schutz und der Förderung traditioneller und regionaler Lebensmittel dient. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Schutz unserer europäischen Spezialitäten konsequent und transparent durchgesetzt wird", stellt er auf der Website des Landwirtschaftsministeriums klar.
Der Deutsche Fleischer-Verband sieht keine wirkliche Gefahr
Auch die Europäische Kommission erklärt in einer Pressemitteilung: "Die EU-Kommission will den Schutz geografischer Ursprungsangaben durch das transatlantische Handelsabkommen TTIP mit den USA verbessern, nicht verschlechtern." Das gehe auch klar aus dem TTIP-Verhandlungsmandat hervor, das die Mitgliedsstaaten der Kommission erteilt haben: "Die Verhandlungen zielen darauf ab, durch das Abkommen für einen besseren Schutz und eine stärkere Anerkennung der geografischen Angaben der EU zu sorgen", heiße es darin. Der Schutz geografischer Bezeichnungen sei eine der Prioritäten bei den Verhandlungen mit den USA.
Der Deutsche Fleischer-Verband (DFV) sieht in dem Freihandelsabkommen keine Bedrohung für regionale Spezialitäten. Der Schutz regionaler Spezialitäten sei grundsätzlich sinnvoll und sollte nicht untergraben werden. "Problematisch finden wir in diesem Zusammenhang aber eher die massenhafte industrielle Produktion solch geschützter Lebensmittel innerhalb Europas, weniger den Import aus Übersee. Daher glauben wir nicht, dass von der TTIP wirkliche Gefahren für regionale, handwerklich hergestellte Lebensmittel ausgehen. Im Gegenteil, für manche Fleischer, die ihre Spezialitäten an Freunde und Kenner in den Vereinigten Staaten liefern, dürfte ein Freihandelsabkommen sogar Vorteile bieten", so ein Sprecher des DFV.
Bäckerhandwerk: "Verbraucher darf nicht getäuscht werden"
"Bei dem geplantem TTIP-Abkommen muss gewährleistet sein, dass der Verbraucher nicht getäuscht wird", betont Peter Becker. "So müssen nach dem EU-Recht geschützte geografische Ursprungsbezeichnungen, wie etwa Dresdner Stollen, Lübecker Marzipan, Bayrische Brezn oder westfälischer Pumpernickel, auch weiterhin aus diesen Regionen stammen", so der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Ein viel größeres Problem sehe der Verband in der grünen Gentechnik, die in den USA deutlich liberaler als innerhalb der EU angewendet und vermarktet werde. Becker: "Solange die Akzeptanz der grünen Gentechnik in Deutschland fehlt, muss die Bundesregierung für einen wirksamen, auch wenn es zugegebenermaßen immer schwieriger wird, Schutz sorgen."
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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