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HWK Trier | November 2024
Ruhe und Geduld sind seine Geheimwaffen
Der Lehrling des Monats der Handwerkskammer Trier heißt Jonas Bastgen. Er ist der einzige Büchsenmacherlehrling in der Region Trier.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sagt: "Wir alle brauchen gute handwerklichen Betriebe in allen Lebensbereichen, jeden Tag." (Foto: © Staatskanzlei RLP / Kay)
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November 2024
Ministerpräsident Alexander Schweitzer spricht im Interview mit dem Handwerksblatt über die zentrale Rolle des Handwerks bei der Energiewende, über Erleichterungen bei Bauvorschriften und warum es sich für junge Leute lohnt, ins Handwerk zu gehen.
Deutsches Handwerksblatt (DHB): Herr Ministerpräsident, auch als Arbeitsminister hatten Sie immer ein offenes Ohr für die Themen des Handwerks, waren auf ganz unterschiedlichen Ebenen auch mit den rheinland-pfälzischen Handwerkskammern in engem Austausch. Wie sehen Sie selbst die Möglichkeiten, dies als Ministerpräsident fortzusetzen?
Alexander Schweitzer: Wir alle brauchen gute handwerklichen Betriebe in allen Lebensbereichen, jeden Tag. Wir haben als Landesregierung immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Transformation unserer Arbeits- und Lebenswelt nur gemeinsam mit unseren Partnern erfolgreich gestalten können. Zu diesen wichtigen Partnerinnen und Partnern gehören insbesondere auch die Handwerkskammern. Die Transformationsagentur Rheinland-Pfalz kooperiert deshalb intensiv mit dem Handwerk und den Handwerkskammern.
Gerade bei der Einführung zukunftsweisender Technologien gilt es, die Handwerksbetriebe möglichst gut zu unterstützen, denn auch sie sind bereits voll in der Digitalisierung angekommen. Die Transformationsagentur versteht sich hierbei vor allem als "Lotse im Wandel". Sie soll zuhören, beraten und die Beschäftigten und Unternehmen gezielt mit den passenden Ansprechpartnern verbinden.
Das Handwerk übernimmt außerdem eine wichtige Rolle im ökologischen Wandel. Den dringend erforderlichen Übergang hin zu einer klimaverträglichen Ökonomie werden wir nur mit Hilfe des Handwerks und gut ausgebildeten Fachkräften schaffen können. Egal ob es um Häuserdämmung, Wärmepumpen oder um Photovoltaik geht: Klimaschutz geht nicht ohne das Handwerk. Auch ich persönlich schätze das Handwerk sehr. Ohne die gute Leistung unserer handwerklichen Betriebe würde das alltägliche Leben von uns allen nicht wie gewohnt weitergehen können.
DHB: Die Landesregierung hat gerade eine große Bürokratieabbau-Offensive gestartet. Handwerksbetriebe sind oft überproportional von Bürokratie betroffen. Laut Umfragen verbringen sie damit im Schnitt zwölf Stunden in der Woche oder am Wochenende. Wie genau wollen Sie die kleineren Firmen entlasten, die keine eigenen Abteilungen für die Bewältigung der Bürokratie haben?
Alexander Schweitzer: Der Abbau unnötiger Bürokratie ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Unser Bürokratieabbau-Projekt bezieht sich auf viele Lebensbereiche. Da, wo wir als Landesregierung für Verwaltungsvorschriften zuständig sind, wollen wir diese vereinfachen, um die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft, die kommunale Ebene und die Landesbehörden zu entlasten. Das Maßnahmenpaket umfasst Vereinfachungen in Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren, den Ausbau der Möglichkeit, Online-Anträge zu stellen, sowie die Überprüfung bestehender Normen und Vorschriften. Bis Mitte 2025 sollen die Entlastungen greifen.
Gerade für kleine Betriebe, wie es Handwerksunternehmen oft sind, ist Bürokratieabbau ein Riesenthema. Mit dem aktuellen Bürokratieentlastungsgesetz des Bundes wurden die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt. Das reduziert schon mal etwas den Papierkram, aber reicht natürlich bei weitem nicht aus.
Was viele Handwerksbetriebe beklagen, sind die Meldungen zum statistischen Landes- und Bundesamt, die sich teilweise inhaltlich sogar überschneiden. Hier sind wir als Landesregierung dran, aber wir stellen alle fest: Bürokratie, die sich in Jahrzehnten aufgebaut hat, kriegen wir nicht von heute auf morgen vom Tisch. Das ist ein Prozess und kostet Zeit.
Zur Person Seit dem 10. Juli 2024 ist Alexander Schweitzer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Der 1973 geborene Jurist und SPD-Politiker war zuvor Arbeits- und Sozialminister im Kabinett von Malu Dreyer. Der Südpfälzer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
DHB: Sie haben in dem Zusammenhang auch Vereinfachungen im Bauordnungsrecht angekündigt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Außerdem werden die Schwellenwerte bei der Vergabe angehoben. Beides dürfte das Baugewerbe gerne hören. Wie ist da der Zeitplan und gibt es erste Reaktionen aus dem Handwerk?
Alexander Schweitzer: Der Ministerrat hat Ende Oktober dem Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung zugestimmt. Die geplante Anpassung erleichtert den Um- und Ausbau bestehender Gebäude und fördert Investitionen in den Neubau. Damit setzt die Landesregierung erste Maßnahmen aus dem Bürokratie-Abbau-Paket um: Entbürokratisierung und Beschleunigung des Bauens.
Mit der Gesetzesnovelle reagieren wir auf die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und in der Immobilien- und Bauwirtschaft. Durch die Vereinfachung des Bauordnungsrechts sollen Kosten gesenkt und die Umsetzung von Bauvorhaben erleichtert werden. Im November wird die Verbändeanhörung gestartet. Die abschließende Behandlung im Ministerrat sowie die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag ist im Frühjahr 2025 geplant.
Darüber hinaus hat der Landtag gerade die sogenannte kleine Bauvorlageberechtigung beschlossen. Nun können auch Handwerkerinnen und Handwerker, die Meister bestimmter Fachrichtungen sind und Erfahrung haben, Planungen für kleinere Bauvorhaben übernehmen, eigenständig Bauunterlagen erarbeiten und bei der Bauverwaltung einreichen. Die Einführung der kleinen Bauvorlageberechtigung trägt der Qualifikation berufserfahrener Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister Rechnung.
Was die Anhebung der Schwellenwerte bei Vergaben angeht, so werden die Auftragswertgrenzen für nichtöffentliche Vergabeverfahren über Liefer- und Dienstleistungen von bisher 40.000 bzw. 80.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben. Bei Bauleistungen soll die Verfahrensart der Freihändigen Vergabe ebenfalls nun bis 100.000 Euro in Anspruch genommen werden können statt wie bisher bis 40.000 Euro. Für Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb wird die Wertgrenze für die Vergabe eines Gewerkes auf 250.000 Euro angehoben; im Rahmen des öffentlichen Wohnungsbaus sind befristet sogar eine Million Euro vorgesehen. Es erfolgt noch das übliche Beteiligungsverfahren und dann könnten die neuen Wertgrenzen zu Beginn des neuen Jahres wirksam werden.
DHB: Neben der Bürokratie sind der Fachkräftemangel und Azubi-Mangel ein drängendes Thema im Handwerk. In Nordrhein-Westfalen hat das Arbeitsministerium gerade angekündigt, dass eine gesetzliche Verankerung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung angestrebt wird. Wie werden Sie das Handwerk dabei unterstützen?
Alexander Schweitzer: Wir unterstützen in RLP bereits seit einigen Jahren die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in der Praxis, denn es nützt ja nichts, Gleichwertigkeit in einem Gesetz zu verankern, wenn sie in der Realität nicht gelebt wird. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir ganz gezielt darauf aufmerksam machen, wie groß die Chancen im Handwerk sind, wenn man sich in der Ausbildung und danach engagiert. Sie können in vielen Gewerken nach der Gesellin oder dem Gesellen direkt den Meister draufsetzen und so in relativ kürzer Zeit eine sehr hohe Qualifikation erlangen, sowohl was ihr Gewerk angeht als auch die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse.
Und wenn Sie dann vergleichen, wie ein junger Mann oder eine junge Frau mit 25 dasteht, welche Möglichkeiten es gibt, auch finanziell mit dem Weg in die Selbstständigkeit, dann ist das absolut gleichwertig, wenn nicht sogar besser im Vergleich zu einem Studium. Darauf machen wir aufmerksam, in vielen Veranstaltungen. Auch über Kampagnen.
So läuft beispielsweise beim rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium eine "Elternkampagne", die speziell die Eltern als wichtigste Berater der Jugendlichen bei ihrer Berufswahl anspricht. Mit der "Imagekampagne Klimahandwerk" macht das Wirtschaftsministerium zudem auf die Möglichkeiten aufmerksam, ganz praktisch etwas für den Klimaschutz zu tun und sich für die Energiewende einzubringen. Das Handwerk kann ein sehr konstruktiver Beitrag sein, das Klima zu schützen und die Energiewende voranzubringen. Auch das wollen wir den Jugendlichen vermitteln, denn auch das kann motivieren.
Zudem hat das Land die Praktikumswoche geschaffen. Hier können Schülerinnen und Schüler in fünf Tagen fünf verschiedene Gewerke testen. Und es gibt gerade mit Blick auf das Handwerk einen ganzen Baukasten von Förderungen, die gegen den Fachkräftemangel anarbeiten. Aber klar ist auch: Der Fachkräftemangel wird uns einfach aufgrund der Demografie die nächsten Jahre begleiten und jedes Unternehmen tut gut daran, zu schauen, wie es für seine Mitarbeitenden attraktiv sein kann, mit guten Arbeitszeitmodellen, wo es möglich ist, mit adäquater Bezahlung, aber es fallen auch Faktoren, wie die Möglichkeit zu Eigenverantwortung bei der Arbeit oder Weiterbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte und Azubis ins Gewicht. Da müssen sich die Unternehmen auf den Weg machen. Auch Handwerksbetriebe.
DHB: Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft des Handwerks. Hierzu benötigen die Betriebe aber schnelles Internet. Wie wollen Sie den Breitbandausbau beschleunigen und auf welches Zeitfenster können sich Betriebe in den ländlichen Regionen einstellen? Wo stehen wir in RLP aktuell bei diesem Thema?
Alexander Schweitzer: Beim Ausbau des schnellen Internets sind wir in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren entscheidende Schritte vorangekommen. Zwei von drei Unternehmen in Rheinland-Pfalz können bereits Gigabitgeschwindigkeiten nutzen. Jedes vierte Unternehmen kann bereits auf Glasfaser zugreifen, rund die Hälfte der Gewerbegebiete ist bereits an das Glasfasernetz angeschlossen.
Und wir halten weiter Kurs, um unser Gigabitziel zu erreichen: Bis 2030 wollen wir in Rheinland-Pfalz ein flächendeckendes Glasfasernetz etablieren. Daran arbeiten wir gemeinsam mit den Telekommunikationsunternehmen.
Dort, wo es der Markt alleine nicht schafft, flankieren wir die eigenwirtschaftlichen Ausbauaktivitäten durch den geförderten Glasfaserausbau. Aktuell befinden sich 54 Breitbandprojekte in Landkreisen und kreisfreien Städte in der Umsetzung. Nach Abschluss der Maßnahmen werden nicht nur rund 195.000 Haushalte, sondern auch mehr als 18.600 Firmen mit Glasfaser versorgt sein. Um den Gigabitausbau in den Regionen weiter kraftvoll voranzubringen, haben wir in den kommenden Doppelhaushalt ein Volumen von mehr als 300 Millionen Euro eingebracht.
DHB: Die Energiewende kann bekanntlich nur mit den Klimahandwerken umgesetzt werden. Das Handwerk erwartet von der Politik schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie bei der Etablierung der Erneuerbaren Energien. Gibt es dazu auch Bürokratieabbau-Pläne?
Alexander Schweitzer: Unser Ziel ist es, bei der Kommunalen Wärmeplanung die Prozesse durch unter anderem verkürzte und Konvoi-Verfahren soweit zu vereinfachen, dass Kommunen die Kommunale Wärmeplanung zügig umsetzen können und somit die Handwerkerinnen und Handwerker im Bereich Energie- und Wärmetechnik früh Transparenz und Planungssicherheit bezüglich der örtlichen Bedarfe im Bereich der Heizungs- und Klimatechnik erhalten. Darüber hinaus wurde für den Bereich der Erneuerbaren Energien im Koalitionsvertrag vereinbart, die Zuständigkeit für die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen von Windenergieanlagen von den Kommunen auf die beiden Struktur- und Genehmigungsdirektionen zu zentralisieren.
Diese Zentralisierung ist seit dem 1. Juni 2023 umgesetzt. Das bedeutet für Rheinland-Pfalz mit dem dreigliedrigen Behördenaufbau, dass die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen nicht mehr wie bisher von den unteren Immissionsschutzbehörden, sondern von den oberen Immissionsschutzbehörden durchgeführt werden. Bei den oberen Immissionsschutzbehörden wurden neue Teams gegründet, die ausschließlich für die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen zuständig sind. Ziel ist, durch eine Bündelung des Know-Hows eine Standardisierung des Genehmigungsprozesses herzustellen, um zukünftig schnellere Genehmigungsentscheidungen zu erreichen.
Aktuell wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluierung vorbereitet, diese wird voraussichtlich bis Mitte 2025 andauern. Nach der Evaluierung soll geprüft werden, ob eine weitergehende Zentralisierung der Zuständigkeiten von genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zur Beschleunigung auch dieser Genehmigungsverfahren beitragen kann.
Die Fragen stellte Kirsten Freund
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