Videoüberwachung: Der Chef darf sich Zeit lassen
Das Bundesarbeitsgericht hat die Regeln für Videoüberwachung von Mitarbeitern gelockert. Arbeitgeber dürfen auch alte Aufnahmen verwenden, wenn sie aus einer offenen Überwachung stammen.
Videoaufzeichnungen von offen angebrachten Kameras – beispielsweise in Geschäften – müssen nicht täglich kontrolliert werden, um als Beleg für den Griff einer Mitarbeiterin in die Kasse zu dienen. Der Arbeitgeber darf mit der Auswertung der Videos solange warten, "bis er dafür einen berechtigten Anlass" hat, urteilte das Bundesarbeitsgericht.
Videoüberwachung sei dann möglich, "wenn sie streng verdachtsbezogen erfolgt und dann nur in einer begrenzten Zeit", sagte eine Sprecherin des Gerichts. "Sie muss die absolute Ausnahme sein."
Der Fall
Der Inhaber eines Tabak- und Zeitschriftenladens hatte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sich gegen Diebstähle sowohl von Kunden als auch von Arbeitnehmern schützen. Im dritten Quartal 2016 stellte er ein Minus in der Kasse fest. Im August 2016 sah er auf den Videoaufzeichnungen, dass sich seine Mitarbeiterin an zwei Tagen im Februar 2016 an der Registrierkasse vergriffen hatte. Er kündigte ihr daraufhin fristlos.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte die Kündigung der Frau aufgehoben. Die Videoaufzeichnungen hätten nach dem Datenschutzgesetz längst gelöscht sein müssen und dürften daher nicht verwertet werden, war die Begründung. Das ergebe sich zum einen aus datenschutzrechtlichen Aspekten und zum anderen aus dem Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Arbeitgeber durfte warten
Das Urteil: Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben. Der Arbeitgeber musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Die Bilder seien nicht "durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig", erklärte der Senat. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das muss nun klären, ob es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt hat. Dann wäre die Auswertung der Videos nach dem Bundesdatenschutzgesetz zulässig gewesen und hätte nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin verletzt.
Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der Daten nicht entgegen.
Das Landesarbeitsgericht Hamm muss nun neu verhandeln.
Das BAG ließ zumindest in seiner Pressemitteilung offen, wie lange die Daten gespeichert werden dürfen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018, Az. 2 AZR 133/18
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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