Berufskrankheit: Blasenkrebs eines Mechanikers
Der Umgang mit Kraftstoffen und Motoröl ist Grund für den Blasentumor eines Kfz-Mechanikers. Das hat das Landessozialgericht in Hessen entschieden. Es erkannte eine Berufskrankheit an.
Berufskrankheiten sind über die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt. Hierzu zählt nach der BK Nr. 1301 auch ein Blasentumor durch aromatische Amine wie dem o-Toluidin. War ein Kfz-Mechaniker diesem Gefahrstoff in relevantem Umfang ausgesetzt, ist seine Krebserkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen.
Der Fall
Ein Mann aus dem Hochtaunus-Kreis absolvierte ab 1977 eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung und arbeitete anschließend als Kundendienstberater und Kfz-Mechaniker, später auch als Werkstattmeister. Im Alter von 38 Jahren wurde bei ihm ein Blasentumor diagnostiziert.
Der Präventionsdienst stellte fest, dass in den Jahren bis 1994 in Ottokraftstoffen (Normal und Super) Bleiverbindungen eingesetzt wurden, die regelmäßig zur Kennzeichnung den Farbstoff Sudan Rot enthielten. Hierbei handelt es sich um einen Azofarbstoff, aus welchem Gefahrstoff o-Toluidin freigesetzt werden kann.
Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung einer Berufskrankheit ab
Die Berufsgenossenschaft lehnte jedoch eine Anerkennung als Berufskrankheit wegen einer zu geringen Exposition ab. Ein Sachverständigengutachten habe ergeben, dass bei Kfz-Mechanikern keine Risikoverdopplung vorläge.
Im gerichtlichen Verfahren wurde ein toxikologisches Gutachten eingeholt, wonach die Exposition des Kfz-Mechanikers gegenüber kanzerogenen Aminen mit hoher Wahrscheinlichkeit den Harnblasenkrebs verursacht habe.
Das Urteil
Das Hessische Landessozialgericht verurteilte die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass der Gefahrstoff o-Toluidin den Blasenkrebs des Kfz-Mechanikers verursacht habe.
o-Toluidin ist als krebserzeugender Arbeitsstoff einzustufen
Der Gefahrstoff o-Toluidin gehöre zu den Stoffen, denen im Hinblick auf ihr kanzerogenes Potenzial die größte Bedeutung zugemessen werde. Nach Abschnitt III der MAK-Werte-Liste sei dieses Amin in die Kategorie 1 und damit als ein gesichert beim Menschen krebserzeugender Arbeitsstoff eingestuft. Dieser Gefahrstoff sei nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis daher generell geeignet, beim Menschen bösartige Neubildungen der Harnwege im Sinne der BK Nr. 1301 zu verursachen.
Auch wenn der Umfang der Gefahrstoff-Exposition des Kfz-Mechanikers nicht mehr genau festzustellen sei, sei in diesem Fall nicht von einer nur geringen Menge auszugehen. Insbesondere für die ersten Jahre der Tätigkeit des Kfz-Mechanikers sei von einer vergleichsweisen höheren Einwirkung auszugehen. Hierbei sei neben dem Kontakt zu Kraftstoffen auch die Exposition gegenüber Motorenöl wegen des besonders hohen Anteils an dem Farbstoff Sudan Rot zu berücksichtigen.
Risikoverdoppelung keine Voraussetzung für Anerkennung als Berufskrankheit
Ferner habe der Verordnungsgeber keinen Schwellenwert festgeschrieben und damit den Gefahrstoff auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft. Auch in der Wissenschaft gebe es keinen Konsens über eine Forderung nach einer Mindest- oder Schwellendosis. Entgegen der Auffassung der Berufsgenossenschaft sei daher eine Risikoverdoppelung nicht Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr. 1301.
Außdem erfülle der Kfz-Mechaniker auch weitere Kriterien, die für einen Zusammenhang der Krebserkrankung und der beruflichen Exposition gegenüber relevanten Gefahrstoffen sprechen würden. So sei er bereits im Alter von 38 Jahren erkrankt, während das mittlere Erkrankungsalter bei Männern 70 Jahre betrage. Auch entspreche die Latenzzeit von 22 Jahren der für beruflich bedingte Harnblasenkarzinome.
Außerberufliche Ursachen seien ferner nicht festzustellen. Insbesondere habe der Kfz-Mechaniker nicht geraucht. Tabakkonsum - das wichtigste Risiko für Harnblasenkrebs - scheide damit als Ursache aus.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. April 2019, Az. L 3 U 48/13
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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