Seit Wochen herrschte zwischen dem Altgesellen und dem jungen Kollegen Funkstille. Die beiden sollten eigentlich ein Team in dem kleinen Glaserbetrieb bilden. Sie sprachen sich aber weder bei Terminen ab noch redeten sie überhaupt ein Wort miteinander.
Der Jüngere schottete sich ab, der 30 Jahre ältere Kollege fing an, hinter dessen Rücken zu lästern. Der ratlose Betriebsinhaber wollte das nicht länger mit ansehen. Er wandte sich an die Handwerkskammer Münster. Dort bietet die Abteilung Betriebsberatung seit 13 Jahren auch Wirtschaftsmediation an.
"Dass man nicht miteinander, sondern übereinander spricht, ist ein typisches Problem in Betrieben", berichtet Julia Gerke, Juristin und Mediatorin bei der HWK Münster. In der Mediation kann jeder seinen Standpunkt vertreten. In den meisten Fällen findet sich rasch eine Lösung, die für beide Seiten passt.
Es wird eine Lösung gefunden, die für beide Seiten passt
Konflikte kommen in den besten Familien(-Betrieben) vor. Oft gelangt er an einen Punkt, an dem die Situation festgefahren ist. Sei es, dass es zwischen Kollegen knirscht oder es einen Konflikt zwischen dem Senior- und dem Juniorchef gibt, dass sich der Meister nicht genug wertgeschätzt fühlt oder der Azubi mit dem Ausbilder nicht klar kommt.
Streitigkeiten mit Kunden landen schnell beim Anwalt. Streit im Betrieb endet im schlimmsten Fall mit einer Kündigung.
Was viele nicht wissen: Ein neutraler Mediator kann helfen, die Wogen zu glätten. "Selbst heftig zerstrittene Parteien, die noch in getrennten Autos zum Gesprächstermin angereist sind, gehen partnerschaftlich zurück", sagt Gerke.
Nicht nur bei der Handwerkskammer Münster gibt es das Mediationsangebot: Etwa 80 Betriebsberater in der Handwerksorganisation, bei Kammern und Fachverbänden haben die 120 Unterrichtsstunden umfassende Weiterbildung durchlaufen, erklärt Rolf Papenfuß, Referatsleiter beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Bei firmeninternen Problemen, etwa bei einer Nachfolge oder wenn zwei Chefs getrennte Wege gehen möchten, können die Beteiligten das Moderationsangebot der Kammer kostenfrei nutzen. "Wichtig ist natürlich, dass die Zerstrittenen bereit sind, miteinander zu sprechen", betont Julia Gerke.
Gespräche auf neutralem Boden
Die Gespräche finden auf neutralem Boden statt, zum Beispiel in einem Besprechungsraum der Handwerkskammer. Eine Mediation ist immer freiwillig und alles, was hier auf den Tisch kommt, wird zudem streng vertraulich behandelt.
So viel darf Gerke aber verraten: "Sehr häufig geht es um Generationenkonflikte, etwa bei der Betriebsübergabe. Der Senior tut sich zum Beispiel schwer mit Veränderungen. Er möchte das, was er über die Jahre aufgebaut hat, bewahren." Der Nachfolger, egal ob aus der Familie oder nicht, möchte seine eigenen Ideen verwirklichen.
Gefühlsausbrüche sind erlaubt
"Beide Seiten haben aber nie darüber gesprochen, sondern stillschweigend erwartet, dass der andere das genauso sieht." Im Mediationsgespräch ist dann die Gelegenheit, ihre Position darzulegen. "Da darf man auch mal Dampf ablassen", betont Gerke.
Gefühlsausbrüche seien erlaubt. "Das zeigt ja, dass man für die Sache brennt." Nur bei Beleidigungen gehen Mediatoren dazwischen. Die Anwesenheit eines neutralen Fremden könne aber dafür sorgen, dass die Beteiligten, die vorher hochemotional waren, ruhig miteinander darüber sprechen, wo es drückt und kneift.
Eine gewisse Kompromissbereitschaft gehöre natürlich dazu. Immer öfter würden Chefs im Handwerk das Mediationsangebot auch nutzen, wenn sie Konflikte mit einem Mitarbeiter haben. "In Zeiten des Fachkräftemangels ist den Firmeninhabern natürlich sehr daran gelegen, ihre Leute zu halten."
Dauer: Wie lange der Prozess im Einzelfall dauert, bis beide Seiten eine zukunftsfähige Lösung erarbeitet haben, hängt immer von den beteiligten Konfliktparteien und von der Art des Problems ab. Das kann schon beim ersten Gespräch der Fall sein, manchmal auch erst nach dem dritten oder vierten Treffen.
Das Tempo aus der Diskussion rausnehmen
Bei Konflikten mit Kunden kann eine Mediation langwierige Gerichtsprozesse von bis zu zwei Jahren vermeiden. Die Kosten übernimmt in diesen Fällen meist die Rechtsschutzversicherung des Kunden.
Rainer Kirschbaum betreibt in Voerde am Niederrhein in zweiter Generation einen Parketthandel. Die modernen Ausstellungsräume seines Unternehmens werden auch von etwa 90 Handwerkern für Beratungsgespräche genutzt. Sie haben dazu eigene Zugangscodes für die Eingangstür und können die Ausstellung rund um die Uhr nutzen.
Rainer Kirschbaum ist Unternehmer, vereidigter Sachverständiger und Mediator Foto: © Kirsten Freund / DHBSeit 16 Jahren ist Kirschbaum vereidigter Sachverständiger für Parkett und Holzböden. Durch die Gutachtertätigkeit und die enge Zusammenarbeit mit den Parkettlegern und Architekten hat er auch viele Konflikte erlebt.
"Als Sachverständiger habe ich etliche Gerichtsakten gesehen, bei denen ich mich gefragt habe, ob man das Problem mit gesundem Menschenverstand nicht viel schneller und besser hätte lösen können." Vor zwei Jahren bildete er sich deshalb sich an der FOM Hochschule in Essen zum Mediator weiter.
Inmitten der Parkettausstellung gibt es eine gemütliche Sofalandschaft. Hier treffen sich Kunden, Handwerker, Subunternehmer und Architekten zum Mediationsgespräch.
"Ein Mindestmaß an Höflichkeit setze ich voraus"
Rainer Kirschbaum moderiert, arbeitet mit Mediationskarten und notiert die Positionen der zerstrittenen Parteien auf einem Flipchart. "Die Tatsache, dass man sich überhaupt dazu überwunden hat, an der Mediation teilzunehmen, nimmt dem Ganzen die Schärfe", meint der Unternehmer. "Ein Mindestmaß an Höflichkeit setze ich voraus."
Mit seiner ruhigen Art gelingt es ihm, die Interessen und Argumente der Konfliktpartner zu übersetzen und das Tempo aus der Diskussion rauszunehmen und letztlich den Gang zum Gericht zu verhindern.
Es muss nicht immer ein Happy End sein
Übrigens kann eine Wirtschaftsmediation auch damit enden, dass man getrennte Wege geht, betont Mediatorin Julia Gerke. "Das Ergebnis muss immer für beide Parteien passen. Und manchmal ist eine einvernehmliche Trennung einfach die bessere Lösung. Es muss nicht immer ein Happy End sein."
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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