Branchenbucheinträge: Vertragsfallen sind Betrug
Dem hinterlistigen Täuschen von Selbstständigen, die von den Betreibern von Branchenbüchern in die (Vertrags-)Falle gelockt werden, setzt ein Urteil des Landgerichts Hamburg ein Ende.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Vorsicht, Adressbuch-Abzocke!
Zahlreiche Handwerksbetriebe haben bereits die Machenschaften von (vermeintlichen) Betreibern von Internetseiten oder Herausgebern von sogenannten Branchenbüchern kennengelernt. Oft mit teuren Folgen. Die Masche ist immer die Gleiche: Die Betriebe erhalten unaufgefordert Formulare oder Informationen in denen vermeintlich kostenfreie (Teil-)Leistungen angeboten werden, die bei näherem Hinsehen aber den Abschluss langfristiger Verträge bei einer jährlichen Gebühr im höheren dreistelligen Bereich zur Folge haben.
Ein Datenabgleich wird vorgegaukelt
Das Problem für die Kunden, so Rechtsanwalt Wolf Constantin Bartha von der Kanzlei Meyer-Köring: "Die Vertragskonditionen sind im Prinzip korrekt wiedergegeben und auch tatsächlich in die Angebotsaufmachung integriert. Ein Irrtum oder eine Täuschung durch den Anbietenden drängt sich nicht offensichtlich auf." Die Details, die für den Kunden wichtig sind, seien häufig entweder stark verklausuliert oder aber im Kleingedruckten versteckt. Bartha: "Oft suggerieren die Angebote auch, man befinde sich bereits in Geschäftskontakt und es gehe nur noch um einen Datenabgleich."
Das Landgericht Hamburg schiebt unübersichtlichen Verträgen einen Riegel vor
Das Landgericht Hamburg hat nun mit einem Urteil vom 14. Januar 2011 (309 S66/10) die Berufung des Betreibers eines Internet-Adressregisters zurückgewiesen, der seine Kunden mit unübersichtlichen, scheinbar kostenlosen Dienstleistungsangeboten zum Abschluss eines teuren Vertrages verleitete.
Der Fall
Im konkreten Fall betreibt die Beklagte ein Internet-Adressregister. Die Eintragungen sind überwiegend kostenlos, Hervorhebungen sind gegen Gebühr möglich. Der überwiegende Teil des Registers besteht aus (kostenlosen) Eintragungen von Unternehmen und Organisationen, deren Daten die Beklagte aus öffentlich zugänglichen Quellen entnommen hat. Der Kläger, ein eingetragener Verein, erhielt ein Anschreiben, in dem darum gebeten wurde, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zwecks (regelmäßiger) Aktualisierung zu überprüfen.
Jahresgebühr: 958 Euro netto
"Dem Anschreiben war ein Formular mit diversen Textbausteinen beigefügt, auf dem unter anderem auch die Daten des Klägers schon vorvermerkt waren", erklärt Rechtsanwalt Bartha. Zusätzlich bekam der Kläger die Möglichkeit, drei Suchbegriffe auszuwählen, die das Auffinden der eigenen (Vereins-)Daten durch potentielle Kunden/Mitglieder erleichtern sollte.
Der Preis stand im Kleingedruckten
Wie auch der Kläger sendeten eine große Anzahl von Behörden und Gewerbetreibenden das jeweils auf sie gemünzte Formular unterschrieben in dem Glauben an die Beklagte zurück, es handele sich dabei lediglich um eine kostenlose Datenkorrektur.Nur aus einem kleingedruckten Absatz im unteren Bereich des Formulars ging hervor, dass durch die Eintragung von Suchbegriffen ein "Auftrag" an die Beklagte im Umfang von zwei Jahren Vertragslaufzeit und einem jährlichen Entgelt von 958 Euro netto erteilt würde.
Das Urteil
Das Landgericht Hamburg bescheinigt der Beklagten in strafrechtlicher Hinsicht Betrug, in zivilrechtlicher Hinsicht eine arglistige Täuschung.
Eine Täuschungsabsicht, so die Kammer, werde nicht nur durch das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht, sondern auch durch jedes andere Verhalten zum Ausdruck gebracht, das geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen.
Arglistige Täuschung
Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertragsangebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wähle, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sei, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über die tatsächlichen Angebotsparameter hervorzurufen, könne eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können.
Die Daten waren bereits vorausgefüllt
Ein weiteres Indiz für die Richter war der Umstand, dass die Beklagte das an den Kläger versandte Formular bereits mit dessen Daten vorausgefüllt hat. Eine derartige Vorgehensweise sei geeignet, bei dem Empfänger des Vertragsformulars den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um eine neuartige Geschäftsbeziehung, sondern es solle eine bereits bestehende Vertragsbeziehung aufrechterhalten bzw. verlängert werden.
Unverbindlich klingende Bitte um Korrektur
Gerade wegen der unverbindlich klingenden Bitte um Überprüfung und Korrektur allgemein bekannter Daten sowie aufgrund des Umstandes, dass keiner der Adressaten mit Gesamtkosten von über 1.900 Euro für eine einfache Onlineeintragung rechnen musste, konnte die Beklagte darauf bauen, dass dieser – überhöhte – Preis zumindest von einigen Kunden schlicht übersehen wird. Daher war es vorliegend auch nicht entscheidend, dass der Kläger durch das Überlesen der vollständigen Vertragsparameter selbst fahrlässig gehandelt habe.
Quelle: MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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