Arbeiten bis 67: So kann es im Handwerk funktionieren
Da es an Nachwuchs mangelt, sollten Unternehmen so lange wie möglich an erfahrenen älteren Mitarbeitern festhalten. Nicht so einfach in den körperlich anstrengenden Berufen des Handwerks. Hier einige Beispiele, wie das im Betriebsalltag funktionieren kann.
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Nacht- und Wochenendschichten. Zeitdruck. Große Verantwortung und körperliche Anstrengung – das alles fordert seinen Tribut. Das merken die etwa 160 Mitarbeiter der Firma Hering Bau, die im Gleisbau, Fertigteilwerk und in der Montage arbeiten. "Im Gleisbau bilden wir altersgemischte Teams, um die Älteren zu entlasten. Sie werden auch nicht mehr so oft in Nachtschichten eingesetzt", erklärt Personalmanagerin Nicole Trettner.
Der Betrieb hat ein strategisches Gesundheitsmanagement aufgebaut, um die Arbeitsfähigkeit der 300 Mitarbeiter zu fördern. Dazu gehören ein für Reha-Kurse zertifiziertes Gesundheitsstudio, regelmäßige Sportveranstaltungen, ein jährlicher Gesundheitstag, Fitnesschecks für Gleichgewichtssinn, Muskulatur und Kondition, Arbeitsplatzbegehungen, Seminare zu Stressabbau und gesundem Führungsstil sowie kostenloses Bio-Obst und -Gemüse.
Arbeits-Alternativen werden im Betrieb gesucht
Schafft ein älterer Mitarbeiter seine Arbeit körperlich nicht mehr, sucht man nach Alternativen im Betrieb, etwa in einer hoch mechanisierten Produktlinie, wo die Arbeit körperlich weniger anstrengend ist. Bisher habe man fast immer eine Lösung gefunden, so Trettner. Beschäftigte, die arbeitsunfähig geworden sind, werden so früh wie möglich angesprochen, um ihnen die Rückkehr zu erleichtern. Eine ehemalige Betriebsratsvorsitzende macht das, ihr vertrauen die Mitarbeiter. Auch an die Absicherung ist gedacht: mit Lebensarbeitszeitkonten. Für den Übergang in den Ruhestand können Mitarbeiter monatlich einen Betrag vom Bruttolohn einsparen. Wer nicht früher geht, lässt sich das Geld auszahlen.
Mitarbeiter müssen immer wieder an die Gesundheitsvorsorge erinnert werden
Foto: © ginasanders/123RF.comTrotz aller Anstrengungen ist das Thema Gesundheit kein Selbstläufer, die Mitarbeiter müssten immer wieder darauf hingewiesen werden, betont Trettner. Die Erfahrung teilt Natalie Langhof. Sie ist in einem kleinen Betrieb für das vom TÜV-zertifizierte betriebliche Gesundheitsmanagement verantwortlich. Die Firma Oberflächentechnik Hagen hat elf Mitarbeiter. Immer wieder müssten sie daran erinnert werden, im Arbeitsalltag Hilfsmittel zu nutzen. Vorsorge ist wichtig, denn die Beschäftigten in der Produktion bewegen am Tag rund zehn Tonnen, wenn sie die Maschinen füllen.
"Wir wollen unseren Mitarbeitern ein gutes Vorsorgepaket und gesunde Arbeitsplätze bieten", sagt Langhof. Man investiert in zusätzliche Untersuchungen, um die körperliche Belastung festzustellen, in Ergonomie-Schulungen, ein Arbeitsbewältigungscoaching, kostenlose Getränke, Hilfsmittel wie Rückenstützen oder Kniebandagen, eine Mitarbeiterbefragung, um passende Maßnahmen zu ergreifen. Info-Material zu Gesundheitsthemen soll die Eigeninitiative wecken. In einer vom Betriebsarzt ausgesuchten Fitnessstudio-Kette können die Mitarbeiter kostenlos trainieren oder Rückenschule-Kurse besuchen. Eine zusätzliche Krankenversicherung soll ihnen bald ausgewählte IGeL-Leistungen gewähren. "Es ist schwierig, in der Produktion bis 67 zu arbeiten", so Langhof. "Wir wollen unsere Mitarbeiter so gut wie möglich an das Rentenalter heranbringen." Ausweichplätze gäbe es in dem kleinen Betrieb nicht.
Mehr als die Hälfte der Dachdecker schafft es nicht bis zur regulären Altersrente
Felix Moll von der Dachdeckerei Moll in Korschenbroich beschäftigt zehn Mitarbeiter, davon sind vier über 50. Auch er investiert in Fortbildungen, Vorsorgeuntersuchungen und technische Hilfsmittel wie Steckaufzüge. Auch er kennt die Vorteile der älteren Mitarbeiter: ihre Berufserfahrung, ihr Wissen, ihr guter Stand bei den Kunden, ihre Geduld mit den Auszubildenden. Aber er sieht auch Probleme: "Der Preisdruck ist gestiegen, die Qualität zählt immer weniger." Dementsprechend schnell müssten Arbeiten erledigt werden.
Ältere, körperlich eingeschränkte Mitarbeiter könne er nicht mehr bei Neubauten oder Sanierungen einsetzen, sondern nur bei Reparaturen und kleineren Arbeiten. Darunter leide die Konkurrenzfähigkeit. Zwei der älteren Beschäftigten haben Rückenprobleme, einer von ihnen, sein Altgeselle, hatte einen Bandscheibenvorfall. Er ist jetzt 59 Jahre alt. "Ich kenne keinen, der bis 65 auf dem Dach gearbeitet hat", sagt Moll.
Nach einer Studie von map-report schafft es mehr als die Hälfte der Dachdecker nicht bis zur regulären Altersrente. Auch der Altgeselle verhandelt mit der Rentenversicherung, unterstützt von Felix Moll. Er fühlt sich verantwortlich für den Mann, der seit über 30 Jahren im Betrieb ist. Moll wünscht sich eine Förderung für Mitarbeiter, die vorzeitig aus ihrem Beruf aussteigen müssen: "Für jemanden, der 40 Jahre auf dem Dach gearbeitet hat, ist eine Umschulung schwierig."
Text:
Melanie Dorda /
handwerksblatt.de
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