Künftig haben Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch darauf, Elektrogeräte auch lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist vom Hersteller reparieren zu lassen.

Wer ein Elektrogerät reparieren lässt, erhält zwölf zusätzliche Monate Gewährleistung – und zwar bei allen Geräten. (Foto: © Elnur/123RF.com)

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Die Reparatur-Revolution "light" kommt

Reparieren statt wegwerfen! Nach dieser Devise hat die EU jetzt das Recht auf Reparatur eingeführt. Aus der Handwerks-Praxis gibt es Lob, aber auch Kritik. Wir erklären die Details.

Wer kennt das nicht: Das Handy fällt einem aus der Hand und – zack! – hat das Display einen Sprung. Und wer hat sich noch nicht darüber geärgert, dass der Einbau eines neuen Displays kompliziert und teuer oder sogar ganz unmöglich ist?

Informationselektroniker Steffen Vangerow hat die Probe aufs Exempel gemacht: Er wollte bei zwei fabrikneuen IPhones das Display des jeweils anderen einbauen. Das wäre technisch kein Problem für ihn. Aber es ging trotzdem nicht, weil eine Software in den Apple-Geräten verhindert, dass nicht nur fremde, sondern auch Original-Ersatzteile nicht verbaut werden können. "Die Hersteller enteignen uns quasi durch ihre Softwareblockaden", ärgert sich der Reparatur-Experte. "Denn die Software gehört weiter ihnen, auch wenn der Kunde das Gerät gekauft hat." Begründet hat der IT-Konzern dies mit Sicherheitsbedenken. Das war nicht immer so: "Gerade im Bereich Smartphones konnte man früher einfach alles austauschen und einen Ersatzartikel einbauen. Darauf hat zuerst Apple mit den Softwareblockaden reagiert, diese wurden dann immer mehr ausgeweitet", weiß Vangerow.

Das Ende der Reparatur-Blockaden

Aber genau das soll sich bald ändern: Die EU hat im Juli 2024 das Recht auf Reparatur beschlossen. "Nach der neuen Regelung muss der Hersteller die Teile per Software freischalten, auch bei gebrauchten oder wiederaufbereiteten Originalteilen", erklärt Vangerow. Der Handwerker und Mitgründer des "Runden Tisches Reparatur" war kurz vor der Trilog-Verhandlung zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament in Brüssel. Dort haben er und der Digitalisierungsausschuss der IHK Reutlingen sich mit diversen Politikern getroffen, um die Forderungen der Reparierenden einzubringen. Der Runde Tisch Reparatur ist der Lobbyverband der Reparateure und bildet bei dem Thema eine Allianz mit den Umweltverbänden.

Mit dem Ergebnis der EU ist Vangerow aber nur teilweise zufrieden. "Einige unserer grundsätzlichen Forderungen sind leider nicht in die EU-Richtlinie aufgenommen worden. Mir persönlich wäre eine Regelung der Ersatzteilpreise wichtig gewesen", erklärt er. "Die Hersteller müssen zwar jetzt für bestimmte Produkte die Ersatzteile vorhalten, können sie aber immer noch beliebig teuer machen." Oft steht nämlich der Preis für ein Ersatzteil in keinem Verhältnis zum Materialpreis oder Komplettgerät. 200 Euro für ein neues Display sind keine Seltenheit, selbst wenn das ganze Handy genau so viel gekostet hat.

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Schlupflöcher für die Industrie

Außerdem hat die EU noch Schlupflöcher für die Industrie gelassen: "Bestimmte Teile kann der Hersteller durch Designvorschriften schützen und dadurch den Import verhindern. Oft ist die Suche nach einem Ersatzteil sehr aufwendig und dadurch wirtschaftlich sinnlos", bedauert der Reparatur-Experte. "Die Rechte zum geistigen Eigentum werden hier zweckentfremdet, um den Kunden Geld aus der Tasche zu ziehen."

Das Recht auf Reparatur und das reformierte Kaufrecht in der Übersicht Foto: © DHBDas Recht auf Reparatur und das reformierte Kaufrecht in der Übersicht Foto: © DHB

Was genau beinhaltet das neue Recht auf Reparatur? Künftig haben Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch darauf, Elektrogeräte auch lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist vom Hersteller reparieren zu lassen. Dieses Recht betrifft aber nur bestimmte Produkte: Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlgeräte, Staubsauger, Mobiltelefone, Tablets, Schweißgeräte, Displays, Server und Datenspeicher sowie Akkus von E-Bikes und Scootern.

Noch offene Fragen

"Wir bezweifeln, dass sich durch die neue Regelung in der Praxis viel ändern wird, denn der Anwendungsbereich ist durch die Begrenzung auf wenige Produkte zu schmal", sagt Katrin Meyer, Koordinatorin und Leiterin der Geschäftsstelle des Runden Tisches Reparatur. "Ein echtes Recht auf Reparatur, wie wir es verstehen, wäre es gewesen, wenn es für alle Produkte einen Zugang zu allen Ersatzteilen sowie allen reparaturbezogenen Informationen gegeben hätte." Und nur für die Produktgruppen, die unter die Ökodesign-Verordnung fallen, haben die Hersteller auch die Pflicht, Informationen für eine längere Zeit bereitzustellen. Meyer hätte sich auch gewünscht, dass die EU-Kommission definiert, was ein ‚angemessener Preis‘ für ein Ersatzteil ist. Laut Studien liegt die Schmerzgrenze der Verbraucher für eine Reparatur bei etwa 30 Prozent des Neupreises. "Das bedeutet, dass Ersatzteile höchstens etwa 20 Prozent kosten können, wenn noch Personal- und Transportkosten dazukommen", so Meyer.

Auch andere Fragen lässt die EU-Richtlinie offen. "Kundinnen und Kunden können künftig viele Jahre nach dem Kauf zum Beispiel einer Waschmaschine vom Hersteller eine Reparatur verlangen, auch wenn die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen ist, es sei denn, die Reparatur ist unmöglich", erklärt Christian Reuter, Jurist und Referatsleiter beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). "Da ist jedoch die Frage: Was genau heißt ‚unmöglich‘? Hier werden wohl die Gerichte für Klarheit sorgen müssen. Genau wie bei der Frage, was ein ‚angemessener Preis‘ für eine Reparatur oder ein Ersatzteil ist."

Als weitere Maßnahmen des Rechts auf Reparatur will die EU eine Reparatur-Plattform einrichten, die den Menschen den schnellsten Weg zu Reparaturwerkstätten, Repaircafés und Verkäufern überholter Waren in ihrer Nähe zeigt. Und alle Mitgliedsstaaten sollen mindestens eine nationale Fördermaßnahme, etwa einen Reparaturbonus, einführen.

Auch Rechte der Käufer werden gestärkt

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält die EU-Richtlinie für einen guten ersten Schritt. Er fordert die Bundesregierung auf, die Umsetzung zügig anzugehen und noch in dieser Legislaturperiode einen bundesweiten Reparaturbonus einzuführen. Solche Boni gibt es bereits in Thüringen, Sachsen, Österreich und Frankreich.

Flankiert wird das Recht auf Reparatur von gestärkten Käuferrechten. Denn auch die EU-Warenkauf-Richtlinie wurde reformiert und bestimmt nun: Wer ein Elektrogerät reparieren lässt, erhält zwölf zusätzliche Monate Gewährleistung – und zwar für jede Art von Gerät, nicht nur solche der Ökodesign-Verordnung. Gewährleistung bedeutet, dass der Verkäufer bei Mängeln haftet und gegebenenfalls Rückerstattung oder Preisminderung schuldet.

Über die ausgedehnte Gewährleistungsfrist ist der ZDH nicht begeistert, weil dadurch Handwerksbetriebe, die Elektrogeräte verkaufen, länger in die Pflicht genommen werden als bisher. "Die kleinen Betriebe können aber diese Situation finanziell nicht so leicht abfedern wie die großen, marktmächtigen Konzerne", kritisiert Jurist Reuter. "Insofern trifft sie das Haftungsrisiko der verlängerten Gewährleistung nach einer Reparatur härter." 

Bürokratiebelastung für das Handwerk verhindert

Froh ist man bei der Handwerksorganisation aber darüber, dass man eine weitere Bürokratiebelastung der Betriebe verhindern konnte. Laut der ursprünglichen Fassung der EU-Richtlinie sollten alle Reparierenden verpflichtet werden, den Kunden ein Informations-Formular mit den Reparaturbedingungen auszuhändigen. In der endgültigen Fassung ist die Verwendung des neuen Formulars für Reparaturbetriebe nunmehr freiwillig – ein Erfolg der Lobbyarbeit des Handwerks. "Noch mehr Bürokratie ist das Letzte, was die Unternehmen und Betriebe jetzt brauchen", betont Reuter.

Wie geht es nun weiter? Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt ist die Richtlinie am 30. Juli 2024 in Kraft getreten. Die Mitgliedsstaaten bis zum 31. Juli 2026 Zeit, um sie in ihre nationalen Gesetze umzusetzen. Die EU hat in diesem Zusammenhang auch die Ökodesign-Verordnung reformiert. Darin kann die Kommission zukünftig weitere Geräte aufnehmen und Vorgaben zu deren Reparierbarkeit machen.

Reparierende fordern Ausweitung

Der Runde Tisch Reparatur will sich für eine Stärkung des Reparaturrechts und für seine Ausweitung auf andere Geräteklassen stark machen. "Wir werden die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht begleiten und weitere Gespräche mit den Politikern führen", erklärt Katrin Meyer. Und Vangerow hat eine Idee, wo es idealerweise hingehen soll: "Wir müssen die Industrie dazu zu bewegen, gemeinsame Standards festzulegen", formuliert er sein Ziel. "Dazu muss ein Einverständnis der Hersteller untereinander herbeigeführt werden. Dann könnte man beispielsweise einen fremden Akku in ein IPhone einbauen."

Problem Fachkräftemangel

Beide sehen aber noch eine ganz andere Herausforderung bei der Umsetzung der Richtlinie: den Fachkräftemangel. Denn was nutzt das schönste Recht auf Reparatur, wenn es niemanden gibt, der die Geräte reparieren kann? Das Problem führt aber auch zu neuen Synergie-Effekten: Die Industrie kann kaum noch eigene Werkstätten vorhalten und muss deshalb mit den Reparatur-Handwerkern zusammenarbeiten. "Gerade bei weißer Ware kommen schon viele Hersteller auf uns zu, weil sie aus Personalmangel keine Kundendienstniederlassungen mehr gründen können", berichtet Vangerow.

Beim Thema Kooperation hat er eine weitere positive Erfahrung gemacht: In Brüssel und in den deutschen Gremien wurde er herzlich willkommen geheißen. "Die Politiker freuen sich sehr, wenn ein Handwerker aus der Praxis kommt, um mit ihnen zu sprechen. Ich war wirklich überrascht, wie viele offene Türen ich einrenne", berichtet der Informationselektroniker. Die Forschung lädt ihn ebenfalls oft ein. Das macht ihm und seinen Mitstreitern Mut, sich weiter für ihre Sache einzusetzen. Vielleicht ist dies auch ein Appell an alle Kollegen, sich für die eigenen Wünsche zu engagieren. Denn die Politik braucht die Hilfe der Praxis, um lebensnahe Entscheidungen zu treffen. "Dadurch findet man Gehör und das macht viel Spaß", ist Vangerows Fazit.

Die Berater in den Handwerkskammern helfen Ihnen bei Rechtsfragen gerne weiter!

Was nicht umgesetzt wurde Der erste Entwurf der EU-Richtlinie enthielt noch stärkere Rechte für die Verbraucher. Diese wurden aber bei den Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament fallengelassen:

• Das Recht des Verbrauchers, einen Gewährleistungsanspruch direkt beim Hersteller geltend zu machen.
• Der zwingende Vorrang einer Reparatur gegenüber einem Ersatzprodukt.
• Das Recht für unabhängige Werkstätten, Reparaturen im Rahmen der Gewährleistung durchzuführen.
• Der Zugang zu allen Ersatzteilen für alle Produkte und allen reparaturbezogenen Informationen sowie Werkzeugen, einschließlich Diagnoseinstrumenten – für einen Zeitraum, der mindestens der voraussichtlichen Lebensdauer des Produkts entspricht.
• Die Verpflichtung der Hersteller, alle reparaturbezogenen Informationen – etwa Reparatur- und Ersatzteilpreise – auf ihren Websites zu veröffentlichen.
• Die Möglichkeit für den Gesetzgeber, weitere Produkte in die Liste aufzunehmen, auch wenn sie nicht unter das Ökodesign oder andere Anforderungen fallen.
• Das Formular für Reparaturinformationen (mit Angaben zu Preis und Dauer der Reparatur) ist nur freiwillig, nicht zwingend.

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Text: / handwerksblatt.de

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