Wer kündigt, muss es auch ernst meinen
Ein Arbeitgeber bot einem gekündigten Mitarbeiter an, während des Kündigungsprozesses weiterzuarbeiten. Gleichzeitig bezeichnete er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar. Das ist ein widersprüchliches Verhalten, urteilte das Bundesarbeitsgericht.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Kündigung: So geht’s richtig
Hält ein Arbeitgeber die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses für unzumutbar und kündigt dem Arbeitnehmer fristlos, bietet aber gleichzeitig an, ihn während des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen, verhält er sich widersprüchlich. Das Weiterbeschäftigungsangebot sei offensichtlich nicht ernst gemeint gewesen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Dadurch gerät der Chef in Annahmeverzug, auch ohne, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit anbietet.
Der Fall
Ein technischer Leiter wurde fristlos gekündigt, gleichzeitig bot ihm der Arbeitgeber einen neuen Job mit geringerer Vergütung an. Falls der Mann die Kündigung ablehne, sollte er bis zum Ende der Kündigungsfrist trotzdem weiter zur Arbeit erscheinen, stand in dem Schreiben. Der Mann lehnte ab und kam nicht mehr in den Betrieb. Der Chef kündigte ihm erneut fristlos und forderte anschließend wiederum das Erscheinen des Mannes am Arbeitsplatz bis zum Auslaufen der Frist.
In dem folgenden Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen unwirksam waren. Weil ihm der Arbeitgeber für den Monat der Kündigung viel weniger Gehalt gezahlt hatte und er erst drei Monate später eine neue Stelle fand, klagte der Mann die Differenz ein. Er begründete dies damit, dass der Arbeitgeber sich im Annahmeverzug befunden habe.
Im Verfahren hatte der Arbeitgeber eingewandt, die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei ihm nicht mehr zumutbar gewesen. Der Mann sei nicht leistungswillig gewesen.
Das Urteil
Das Bundesarbeitsgericht stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers. Das Unternehmen habe sich wegen der unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Der Gekündigte habe hier seine Arbeit auch nicht anbieten müssen, um seinen Leistungswillen zu zeigen.
Grund dafür sei das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers: Dadurch, dass er selbst betont hatte, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Mannes unzumutbar sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er ihm kein ernstgemeintes Angebot der Weiterbeschäftigung unterbreitet habe. Die Ablehnung eines solchen "Angebots" lasse nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers schließen, erklärten die Richter. Der Arbeitgeber musste das restliche Gehalt nachzahlen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. März 2023, Az. 5 AZR 255/22
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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