Verschiedene Kanäle auf Social Media zu bespielen, ist kein Kinderspiel. Um sich neues Material für "Dach PRO" auszudenken und zu produzieren, sprechen Selim Fritz und Florian Fugmann nahezu ständig miteinander. Kein Wunder, dass ihnen ihre Partnerinnen dafür manchmal auf's Dach steigen wollen.
DHB: Sag mal Flo, du warst für das Interview ja eigentlich gar nicht eingeplant. Erzähl: Wer bist du? Was machst du?
Florian: Ich heiße Florian Fugmann, 31 Jahre jung, selbstständiger Mediengestalter und der Webdecker vom Team. Von mir kommen die Texte, Logos, Grafiken und seit einer Weile alles an Videoschnitt, was nicht mal eben auf dem Handy zu machen ist.
DHB: Woher kennst du Selim?
Florian: Aus meinem Ausbildungsbetrieb. Nach meiner Lehre zum Mediengestalter habe ich noch eine Ausbildung zum Dachdecker gemacht. Selim war mein Vorarbeiter. Christian und Jan, die inzwischen bei Selim beschäftigt sind, kenne ich ebenfalls von dort. Wir sind quasi alle aus derselben Schmiede. Als Selim sich nach der Meisterschule selbstständig gemacht hat, hat er mich angesprochen: "Hey, Flo, du kannst doch Logos und Webseiten bauen. Machst du das für mich?" Später kamen noch der YouTube-Kanal, Instagram und TikTok dazu. "Dach PRO" ist quasi ein Joint Venture aus Fritz Bedachungen und meiner eigenen Firma. Und wenn Not am Mann ist, springe ich auch noch als 450-Euro-Kraft ein. Du siehst: Wir kennen uns schon sehr lange und haben auch schon die eine oder andere Baustelle zusammen gerockt – sowohl analog als auch digital.
DHB: Kristijan Cacic aka der @insta_llateur hat euch als Interviewpartner empfohlen. Räumlich und vom Gewerk her liegt ihr aber eher weiter auseinander. Kristijan macht schöne Bäder in Berlin, du Selim, machst schöne Dächer rund um Troisdorf. Wie seid ihr aufeinander gestoßen?
Selim: Über Instagram. Wir schauen uns regelmäßig seine Stories an. Kristijan ist ein cooler Typ, immer gut drauf und bei seinem Content kriegt man einfach gute Laune. Ansonsten schreiben wir uns manchmal über WhatsApp oder wir telefonieren miteinander.
Florian: Kristijan ist einfach ein sehr markanter Charakter. Persönlich haben wir uns beim Baufluencer-Forum auf der "bautec" in Berlin kennengelernt. Da hat sich dann auch herausgestellt, dass Selim und Kristijan aus demselben Viertel in Berlin kommen. Da war der Draht noch mal ein ganz anderer.
DHB: Schauen wir mal auf eure Präsenz in den Sozialen Medien. Wie hat sich das alles entwickelt?
Selim: Ich habe während meiner Lehre auf YouTube nach hilfreichen Videos zum Thema Dachdecker gesucht, aber nie was gefunden. Als ich dann meinen Meister in der Tasche hatte, hab ich dann einfach einen eigenen Kanal auf YouTube aufgemacht und den "Dach PRO" genannt. Neben meiner täglichen Arbeit, den Baustellen, Terminen bei Kunden und dem Schreiben von Angeboten habe ich dann angefangen Videos zu drehen. Geschnitten wurde die nach Feierabend. Los ging es anfangs mit einem Mitarbeiter, aber als es mehr Leute wurden, habe ich mich dann dazu entschieden, mich mehr auf YouTube zu konzentrieren. Ab da an wurden regelmäßig Videos produziert.
Florian: Los ging es auf YouTube im Februar 2017. Aber richtig gezündet hat es dort erst ab September 2017 mit dem "8 Typen von Dachdeckern"-Video. Mit Instagram haben wir im September 2018 angefangen und auf TikTok gibt es uns seit März 2019.
DHB: Das Ganze läuft unter dem Namen "Dach PRO". Zu den beliebtesten Formaten gehört "Der Praktikant". Einige Folgen wurden mehr als 600.000 Mal aufgerufen. Was hat es damit auf sich?
Selim: Wir wollten den Beruf des Dachdeckers mal aus der Ego-Perspektive zeigen. Die typischen Sachen, die wir selbst als Praktikanten oder mit unseren Praktikanten auf realen Baustellen erlebt haben. Das spielen wir nach.
Florian: Das Format ist eine Art Satire, eine überspitzte Darstellungen der eigenen Erfahrungen. Es tauchen auch die verschiedenen Vorarbeitertypen auf, an die man als Praktikant geraten kann. Der eine ist eher verständlich und total motiviert, etwas beizubringen. Der andere ist permanent verzweifelt, weil der Praktikant schon wieder irgendwelchen Mist gebaut hat.
DHB: Die "Praktikanten"-Videos sind verhältnismäßig lang und nicht jeder hat nach einem harten Arbeitstag vielleicht die Ausdauer, eine Viertelstunde zuzuschauen. Hat es euch überrascht, dass besonders Kollegen aus dem Handwerk sie feiern?
Florian: Ja und nein. Ja, weil wir wissen, wie schwierig Handwerker sein können. Stichwort: Handwerkerehre. Nein, weil es vieles gibt, in dem sich Handwerker wiederfinden können. Mit dem Praktikanten können sich viele identifizieren, weil sie vielleicht selbst mal als Jugendliche in einem Praktikum ähnliche Situationen erlebt haben, also so ein bisschen in Erinnerung schwelgen. Ganz, ganz viele dürften das aber auch aus der Perspektive des Gesellen oder des Meisters sehen, der sich dermaßen über den Praktikanten aufregt, dass er am liebsten das Werkzeug nach ihm schmeißen möchte.
DHB: Wie unterscheidet sich der Content auf Instagram und TikTok?
Selim: Über TikTok sprechen wir die jüngste Zielgruppe an. Das ist mehr Comedy. Meistens habe ich auf der Baustelle eine Idee. Dann drehen wir spontan einen kleinen Clip. Das Ganze schneide ich direkt auf dem Handy, unterlege es mit Musik, beschreibe es kurz und schicke es raus.
Bei Instagram sind wir die "Dach PROs". Da sind wir auf die eigenen Jungs fixiert. Auf der Baustelle versuche ich, möglichst professionelle Fotos hinzubekommen. Die schicke ich dann Flo, er bearbeitet sie, setzt die Logos drauf, schreibt die Texte dazu und dann gehen die auf Instagram raus.
DHB: Welche Rolle spielt YouTube?
Florian: Das nutzen wir für lustigere Projekte, die auch mal länger dauern, siehe "Der Praktikant" oder "Typen von…", wo wir die verschiedenen Typen von Dachdeckern beim Schweißen oder Abdecken zeigen. Außerdem hat YouTube den Vorteil, dass man die Videos über das Smartphone, den SmartTV, die Konsole oder am PC gucken kann. Theoretisch könnten wir die Filme auch auf Instagram TV zeigen, aber das würde die Leute nur ans Handy binden.
DHB: Könnt ihr den Content auf den verschiedenen Plattformen eigentlich miteinander verknüpfen?
Selim: Wir wägen permanent ab, was bei TikTok, YouTube oder Instagram reinpasst. Flo und ich sind ständig in Kontakt. Entweder treffen wir uns im Büro, telefonieren auf der Fahrt zum Kunden oder wir skypen miteinander.
Florian: Zwischen YouTube und TikTok ist die Schnittmenge eher klein, weil wir unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Auch wenn inzwischen mehr ältere Leute bei TikTok sind, ist die Plattform an sich doch sehr stark auf das junge Publikum ausgerichtet. Natürlich könnten wir einem 13-Jährigen zeigen, wie ein Gauben- oder Wangenanschluss gemacht wird, aber das ist wenig zielführend. TikTok steht für Unterhaltung.
Selim: Eine Verknüpfung kriegen wir eher für YouTube und Instagram hin. Das Praktikanten-Material zum Beispiel können wir in kurz auf Instagram online setzen, um hier Leute zu erreichen, die uns vielleicht noch gar nicht kennen und die so zu YouTube kommen.
DHB: Pflegt ihr alle Kanäle gleichstark?
Selim: YouTube haben wir in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt. So ein Praktikanten-Video zu produzieren, ist sehr aufwändig. Alleine für den Schnitt brauchen wir deutlich mehr Zeit. Es muss die Baustelle passen, der Kunde muss uns eine Drehgenehmigung geben, die Sicherheitsvorkehrungen müssen stimmen und wir wollen uns natürlich auch nicht ständig wiederholen. Inzwischen gibt es 15 Teile der Praktikanten-Videos. Niemand möchte sehen, wie wir das vierte Dachfenster einbauen oder die zehnte Dachrinne montieren.
DHB: Im offiziellen Online-Auftritt von Fritz Bedachungen wird nur auf die eher seriösen Inhalte bei YouTube, Facebook und Instagram verlinkt. Ist das so gewollt?
Florian: Ja, das haben wir bewusst getrennt. Auf der einen Seite gibt es die Firma Fritz Bedachungen, auf der anderen die Unterhaltungskanäle von "Dach PRO". Bei dem einen wird auf praxisbezogene Videos verwiesen. Bei dem anderen zeigen wir unsere Spaß-Videos, in denen viel Stuss erzählt und herumgeblödelt wird. Würden wir die Inhalte vermischen, wäre der Kunde nur irritiert oder es könnte der Eindruck entstehen, dass Fritz Bedachungen tatsächlich so arbeitet, wie es in den Praktikanten-Videos rüberkommt.
Selim: Wir leisten saubere und fachgerechte Arbeit – keinen Pfusch. Das kann man in den Praxis-Videos auf YouTube sehen. Von dort aus kommen auch manche Kunden zu "Dach PRO" und werden echte Fans. Einer von ihnen möchte jetzt sein 360 Quadratmeter großes Dach mit einem "Dach PRO"-Schriftzug decken lassen. Das ist natürlich eine große Ehre für uns, aber auch schöne Werbung. Den Schriftzug wird man dann sogar noch auf Google Maps sehen können.
DHB: Welche Mission verfolgt ihr mit den sehr breit gestreuten Inhalten und Kanälen?
Florian: Das ist schwierig zu beantworten. Mission klingt so, als hätten wir von Anfang an ein festes Ziel verfolgt. Das haben wir aber nicht. Alles ist natürlich gewachsen. Unser Anspruch war und ist es in erster Linie zu unterhalten, aber eben auch zu informieren. Wir haben Spaß daran mit den alten, eingestaubten Handwerksbildern aufzuräumen und Alternativen zu zeigen, achten aber zum Beispiel bei den Praxis-Videos auch darauf, dass wir uns selber und andere Betriebe nicht arbeitslos machen. Mit der Zeit kam dann noch die Nachwuchskomponente dazu.
DHB: In Sachen Nachwuchswerbung engagieren sich doch aber auch schon die Handwerksorganisationen …
Florian: An genau diesen haben wir uns aber immer so ein bisschen gestoßen. Die Kampagnen transportieren das Bild des Handwerks, wie es sein soll. Das ist richtig und wichtig. Wir unterscheiden uns aber dadurch, dass wir den "Ist-Zustand" zeigen, wie es täglich auf Baustellen zugeht und was ständig in irgendeiner Form passiert. Allein durch unsere Wortwahl und den Umgang fallen wir hier schon auf. Wir nutzen Provokation, um damit ein jüngeres Publikum zu erreichen, das keinen Bezug mehr zum Handwerk hat. Wenn sich nur einer die Videos anschaut und danach sagt "Boah, ich möchte gerne Dachdecker werden" oder zumindest die Neugierde geweckt ist, ist das ein Erfolg für alle. Ich bin mir sicher, dass es Firmenchefs oder Innungsvorstände gibt, die das anders sehen, aber wir sind nur die andere Seite derselben Medaille.
DHB: Bietet Social Media auch die Chance, sich als guter Ausbilder oder Arbeitgeber zu präsentieren?
Selim: Ganz klar. Wir zeigen wer, wir sind und dass wir versuchen, es anders zu machen. Dass es bei uns sauber und gepflegt ist. Hier geht man vernünftig mit dem anderen um und schreit sich nicht die ganze Zeit an. Solche Leute will ich gar nicht erst in meiner Firma haben. Ich respektiere alle Mitarbeiter und unterstütze sie – auch im privaten. Das spricht sich rum. Es nützt aber auch nichts, wenn man nur so tut als ob. Man muss es auch wirklich machen.
DHB: Habt ihr bei den Bewerbungen denn schon zählbaren Erfolg?
Selim: Einer unserer Lehrlinge ist über eine Empfehlung zu uns gekommen. Sein ehemaliger Chef ist Fan von "Dach Pro". Weil er selbst nicht ausbilden kann, hat er ihm geraten, zu uns zu gehen. Ansonsten ist einer unserer Mitarbeiter über Instagram, ein anderer über YouTube zu uns gekommen.
Florian: Über "Dach Pro" kriegen wir sehr viele Anfragen rein à la "Hey, yo, ich bin Azubi, habe gerade Mega-Stress in meinem Betrieb und würde gerne zu euch wechseln, weil bei euch das Arbeitsklima cool ist" oder "Hey, ich bin gerade noch in meiner Ausbildung, würde aber gerne in vier oder fünf Jahren zu euch wechseln". Speziell bei Instagram werden wir sehr oft gefragt, ob man bei uns ein Praktikum oder eine Ausbildung machen kann. Da müssen wir aber auch aufpassen. Will er zu Fritz Bedachungen kommen, weil er Interesse am Handwerk hat oder nur weil er eine Rampensau ist und vorne in den YouTube-Videos mitspielen möchte?
DHB: Werden alle Mitarbeiter in die Produktion der Beiträge eingebunden?
Selim: Nein. Die Lehrlinge haben Welpenschutz. Vor und hinter der Kamera stehen momentan vier Gesellen. Die sind damit aber quasi aufgewachsen. Es ist kein Problem, wenn jemand nicht aktiv in den Videos mitspielen möchte, aber er muss unterschreiben, dass er in den Filmen zu sehen sein kann.
DHB: Wie regelt ihr das denn datenschutzrechtlich?
Florian: Es gibt eine entsprechende Passage im Arbeitsvertrag. Wer bei Fritz Bedachungen anfängt, muss sich prinzipiell damit einverstanden erklären, in den Beiträgen von "Dach PRO" auftauchen zu können. Allerdings schauen wir uns auch erst einmal an, wie sich ein Mitarbeiter entwickelt. Neue Leute, die in den Videos mitspielen möchten, halten wir so lange aus dem Kanal raus, bis klar ist, dass sie längerfristig bleiben und vom Typ her ins Format passen. Es gibt nichts Schlimmeres als wenn einer in 20 YouTube-Videos mitspielt, von der Community angenommen wird und dann plötzlich weg ist. Das führt nur zu unangenehmen Fragen.
Selim: Inzwischen sind wir sehr vorsichtig geworden, weil wir genau das schon erlebt haben. Allerdings sage ich den neuen Leuten auch: Passt auf, wir machen hier nicht nur Videos, sondern es wird auch noch ganz normal gearbeitet!
DHB: Das war es schon fast. Bleibt noch die Frage, wen ich als Nächstes interviewen soll und warum.
Florian: Ich würde dir das ZEP-Team empfehlen. Das ist eine sehr seriöse und modern aufgestellte Dachdeckerei und Zimmerei. Von Eugen Penner und seinen Leuten könnten sich einige Betriebe eine Scheibe abschneiden. Ich glaube, die sind von der Innung als innovativster Betrieb ausgezeichnet worden. Das ZEP-Team ist auf Instagram sehr aktiv. Die posten jeden Tag etwas und hauen gute Stories raus.
Selim: Ja, wir sind Fans vom ZEP-Team. Eugen Penner ist ein Super-Typ. Er hat an die 20 Leute. Die haben ein Super-Arbeitsklima. Ich war noch vor kurzem bei denen in Bielefeld. Da wurde sogar gegrillt und habe eine Massage bekommen.
Florian: Ansonsten fällt mir noch Martin Buck von SpenglerTV ein. Der ist auch YouTuber.
DHB: Ich habe doch noch was. Ihr sagtet vorhin, dass ihr ständig miteinander kommuniziert. Was halten denn eure Partnerinnen von diesem sehr engen Kontakt?
(schallendes Gelächter von beiden)
Selim: Eigentlich sind Flo und ich verheiratet.
Florian: Es ist eine Beziehung. Es ist ganz klar eine Beziehung. Aber im Ernst. Manchmal bleibt tatsächlich wenig Zeit für Privates. Da mussten wir beide auch schon Lehrgeld bezahlen. Das muss sich mit den Partnerinnen entsprechend einpegeln.
Selim: Sie stehen aber hinter uns. Und wir passen gut aufeinander auf. Manchmal hängt der Flo elf, zwölf Stunden am PC, um ein Video zu schneiden. Dann werde ich schon mal böse: "Komm, is ma jut jetzt. Mach ma Feierabend." Und wenn das nicht hilft, rufen die Frauen an: "Reicht jetzt langsam, kommt endlich nach Hause!"
Steckbrief
Name: Selim Fritz
Alter: 33 Jahre
Abschluss: Meister
Gewerk: Dachdecker
Betrieb: Fritz Bedachungen
Ort: Troisdorf
Mitarbeiter: 12
Internetauftritt: fritz-bedachungen.de
Influencer im Handwerk #002 Zum Interview mit Kristijan Cacic geht's hier.
Influencer im Handwerk #004,5Zum Interview mit Eugen Penner und Carsten Stork geht's hier.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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