Betriebsrat darf Gehaltslisten einsehen
Der Betriebsrat darf auch nach Geltung der DSGVO Einsicht in die Bruttogehaltslisten nehmen. Das ist eine zulässige Datenverarbeitung, meint das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Das aktuelle Datenschutzrecht
Hat der Betriebsrat ein Recht auf Einsicht in die – nicht anonymisierten – Bruttogehaltslisten des Arbeitgebers? Ja, sagt das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen. Dabei musste es erstmalig auch die Vorschriften des neuen Datenschutzrechtes nach der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem neuen Bundesdatenschutzgesetz berücksichtigen. Die Einsicht des Betriebsrates in ungeschwärzte Bruttogehaltslisten sei eine zulässige Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, wenn der Betriebsrat damit die Interessen der Beschäftigten im Sinne seines Mandats erfüllt, entschied das LAG.
Der Fall: Der Betriebsrat hatte verlangt, die Bruttogehaltslisten in nicht anonymisierter Form einzusehen und stützte sich dabei auf sein allgemeines betriebsverfassungsrechtliches Überwachungsrecht aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Um die Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gewährleisten zu können, wollte er die Gehaltslisten ungeschwärzt und nicht anonymisiert erhalten.
Die Arbeitgeberin verweigerte dem Betriebsrat das Einsichtsrecht mit dem Hinweis auf die Bestimmungen des Datenschutzrechts und gewährte lediglich Einblick in anonymisierte Listen.
Zulässige Datenverarbeitung
Die Entscheidung: Nachdem bereits das Arbeitsgericht die Einwände der Arbeitgeberin nicht gelten ließ, wurde ihre Beschwerde vom LAG zurückgewiesen. Weil die Arbeitgeberin ihr Verhalten nach Inkrafttreten der DSGVO fortsetzte, hatte das LAG bei seiner Entscheidung neues Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Im Wesentlichen stützte es sich auf die Urteilsgründe des erstinstanzlichen Arbeitsgerichts, das eine Beschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats befürchtete und meinte, eine Ungleichbehandlung könne auch bei gleicher Bezahlung vorliegen.
Das LAG entschied außerdem, es sei eine zulässige Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, wenn der Betriebsrat Einsicht in nicht anonymisierte Bruttolohnlisten nimmt und damit lediglich entsprechend seinem Mandat die Interessen der Beschäftigten verfolgt. Die Einsicht sei schließlich auch rechtmäßig, weil die Arbeitgeberin einen Rechtsanspruch des Betriebsrates erfüllt. Der Betriebsrat sei zudem nicht "Dritter" im Sinne der DSGVO, soweit er seine gesetzlichen Rechte und Pflichten wahrnehme. Das neue Datenschutzrecht stehe einer Einsicht in ungeschwärzte Gehaltslisten somit nicht entgegen.
Auch das erst kürzlich in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz schränke das Einsichtsrecht des Betriebsrats nicht ein. Der Gesetzgeber habe die Rechtspositionen der Beschäftigten hiermit nicht eingeschränkt, sondern erweitert.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 22. Oktober 2018, Az. 12 TaBV 23/18
Fall liegt beim Bundesarbeitsgericht
Praxistipp von Rechtsanwalt Christian Hrach: "Es ist wichtig, zu wissen, dass – zumindest nach Auffassung des LAG Niedersachsen – wegen des neuen Datenschutzrechts im Hinblick auf die Informationsrechte des Betriebsrats zunächst keine Abweichungen zur alten Rechtslage erkennbar sind. Dem LAG ist zwar grundsätzlich dahingehend zuzustimmen, dass der Betriebsrat auch nach neuem Datenschutzrecht seine Überwachungs- und Informationsrechte wahrnehmen können muss.
Ob hierzu jedoch eine Zuordnung der Bruttogehälter zu den Namen der einzelnen Beschäftigten erforderlich ist, darf mit Blick auf das nun geltende grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vertretbar bezweifelt werden. Schließlich wären Verwerfungen bei der Höhe der Gehälter für den Betriebsrat auch dann erkennbar, wenn der Bruttolohn zunächst lediglich der jeweiligen Stelle zugeordnet wird und die Listen im Übrigen unkenntlich bleiben. In einem zweiten Schritt könnte der Betriebsrat dann vollständige Informationen verlangen. Soweit sich das LAG Niedersachsen auf das erstinstanzliche Urteil stützt, überzeugt die Argumentation, eine Benachteiligung könne auch bei gleicher Bezahlung vorliegen, ohne weitere Begründung nicht.
Die Arbeitgeberin machte die Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig (Az.: 1 ABR 44/18). Möglicherweise wird sich das BAG mit der relevanten Frage auseinandersetzen müssen, ob oder unter welchen Umständen der Betriebsrat 'Dritter' im Sinne der DSGVO ist. Die Entscheidung des BAG bleibt mit Spannung zu erwarten."
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben