Zahntechniker: Bürokratie gefährdet Unternehmensnachfolge
Zahntechniker leiden unter einer enormen Bürokratie. Allein die Dokumentationspflichten für Zahnersatz sind immens. Das könnte die junge Generation von einer Nachfolge abhalten, weiß Zahntechnikermeister Dominik Kruchen aus eigener Erfahrung.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Bürokratiewahnsinn im Handwerk
Als in den 90er Jahren die erste EU-Richtline für Medizinprodukte verabschiedet wurde, da bekam Zahntechnikermeister Dominik Kruchen eine Ahnung davon, welche Bürokratiewelle auf die Branche zurollen würde. Vor fünf Jahren ist dann die jüngste Medizinprodukteverordnung in Kraft getreten, und die hat es in sich. Jedes einzelne in Zahnprothesen verarbeitete Material muss von den Dentallaboren für jede Anfertigung exakt dokumentiert werden. Neben den verwendeten Werkstoffen auch die beteiligten Mitarbeiter und die benutzen Geräte.
Dominik Kruchen ist Präsident des Verbands der Deutschen Zahntechniker-Innungen (VDZI) Foto: © VDZI"Wir fotografieren jede Chargennummer und halten sie in einem Spezialprogramm fest", sagt der Präsident des Verbandes der Deutschen Zahntechniker-Innungen VDZI. Das soll der Chargenrückverfolgung dienen. Die strenge EU-Richtlinie ist eine Folge des damaligen Skandals um mangelhafte Brustimplantate.
Ob das vergleichbar ist, zweifelt der Unternehmer aus Düsseldorf (Kruchen Zahntechnik GmbH) an. "Ich habe in meinen 30 Jahren Berufstätigkeit noch nie erlebt, dass die Charge einer Krone oder Brücke zurückverfolgt werden musste."
Ein weiteres Ärgernis für die zahntechnischen Labore sind die "Klinischen Bewertungen für Sonderanfertiger". Sie würden keinen Mehrwert in der Versorgung bringen. Bei einem Parlamentarischen Abend der Gesundheitshandwerke im vergangenen November in Berlin bat der Verbandspräsident Gesundheitspolitiker darum, sich auf europäischer Ebene für die Rücknahme "dieser unsinnigen Anforderung für Kleinbetriebe" auszusprechen.
Drei von zehn Mitarbeitern kümmern sich um Verwaltungsaufgaben
Drei Mitarbeiter aus seinem zehnköpfigen Team seien ausschließlich mit Verwaltungsaufgeben beschäftigt, erzählt Dominik Kruchen. Es seien nicht unbedingt die Auflagen, die Kruchen ärgern. Vieles davon diene der Sicherheit und dem Arbeitsschutz. "Aber die Dokumentationspflichten zeugen von einem Misstrauen gegenüber den Unternehmern."
Von der Unterweisung der Mitarbeiter, über die Arbeitszeiten bis hin zum Umgang mit gefährlichen Stoffen oder der Abfallentsorgung – alles muss erfasst werden. Tochter Linda Kruchen ist ebenfalls Zahntechnikermeisterin. Ob sie einmal den Betrieb übernehmen wird, weiß sie noch nicht. "Sie liebt ihre Arbeit, aber der Verwaltungskram, der schreckt sie ab."
Umfrage zur Bürokratiebelastung im Handwerk
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat gemeinsam mit den 53 Handwerkskammern 2023 eine Umfrage zur "Bürokratiebelastung im Handwerk" durchgeführt. Die Ergebnisse sind eindeutig: die Bürokratielasten steigen und rauben den Handwerkern Zeit für ihre eigentliche Arbeit.
74 Prozent der teilnehmenden Handwerksbetriebe gaben an, dass der zu erfüllende Bürokratieaufwand in den letzten fünf Jahren gestiegen ist. Allen voran waren Betriebe der Gesundheitshandwerke besonders betroffen. 94 Prozent von ihnen meldeten eine zunehmende Belastung, gefolgt von den Lebensmittelhandwerken (Bäcker, Fleischer, Konditoren etc.) mit 86 Prozent. Das sind die zentralen Umfrageergebnisse.
- Für 74 Prozent der teilnehmenden Handwerksbetriebe ist der Bürokratieaufwand in den letzten fünf Jahren gestiegen.
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Ständige Anpassungen an neue gesetzliche Regelungen sind für 76 Prozent der Handwerksbetriebe der größte Belastungsfaktor, gefolgt vom Aufwand zur Erfüllung von Nachweis- und Dokumentationspflichten (54 Prozent).
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58 Prozent der Betriebe geben an, dass die Selbständigkeit im Handwerk infolge der Bürokratiebelastung zunehmend unattraktiv ist.
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Von 68 Prozent der Handwerksbetriebe, die digital mit Behörden kommunizieren, wird der digitale Austausch als Entlastung empfunden.
- 35 Prozent der Betriebe kommunizieren mit Behörden jedoch nicht digital. Maßgeblicher Grund: Es fehlt an digitalen Kommunikationskanälen der Behörden.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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