Finanzierung in der Krise: überzeugend ins Kreditgespräch
Die jahrelange Tiefzinsphase, die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine verändern auch die Kreditvergabepolitik der Banken und Sparkassen. Unternehmen mit Finanzierungsbedarf können sich aber darauf einstellen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Banken und Kredite: Was Handwerker wissen müssen
Nachdem im Corona-Sommer 2021 die Kreditnachfrage kleiner und mittlerer Unternehmen einen Tiefpunkt erreicht hat, beobachten Experten allmählich eine Trendwende. Im ersten Quartal 2022 führte nach einer KfW-ifo-Umfrage wieder mehr als ein Fünftel der befragten Mittelständler Kreditverhandlungen mit Banken. Insgesamt bleibt das Interesse an Bankfinanzierungen unter den kleinen und mittleren Unternehmen allerdings nach wie vor gering. Der Zugang zu Krediten hat sich für diejenigen Mittelständler, die ein Darlehen nachgefragt haben, im ersten Quartal verbessert.
Ob sich die Entspannung beim Kreditzugang fortsetzen wird, sei angesichts der aktuellen Lage allerdings fraglich, erklärt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. "Der Krieg mitten in Europa schwächt die Konjunktur über eine massive Verteuerung der Energie, die Verschärfung von Materialengpässen und bringt enorme Unsicherheit. Daher ist von einer Neubewertung der Ausfallrisiken durch die Finanzinstitute und einer Anpassung der Kreditvergabepolitik auszugehen."
Risikobereitschaft der Banken und Sparkassen im Kreditgeschäft geht zurück
Das bedeutet: Die Kreditgeber werden die Messlatte für positive Kreditentscheidungen noch höher legen. Zu der Corona-Krise und dem Krieg in der Ukraine hinzu kommt, dass die Kreditinstitute steigende Risikokosten bei seit Jahren rückläufiger Ertragslage durch die Tiefzinsphase der EZB verkraften müssen.
Carl-Dietrich Sander berät seit über 20 Jahren Handwerker und andere Mittelständler zu Finanzierungsthemen. Foto: © Carl-Dietrich Sander / privat"Damit werden viele Banken und Sparkassen ihre Risikobereitschaft im Kreditgeschäft zurücknehmen", ist Finanzierungsexperte Carl-Dietrich Sander überzeugt. Sander berät seit mehr als zwei Jahrzehnten Handwerker und andere mittelständische Unternehmen zu Liquidität und Finanzierung. In der aktuellen Situation gehe es für Unternehmen darum, dass sie sich auf die veränderte Situation in der Kommunikation mit den Banken einstellen.
Mehr denn je sei es wichtig, mehrere Hausbankbeziehungen aufzubauen und sich auch nach Alternativen umzuschauen, um die Finanzierung breiter aufzustellen. "Das ist heute einfacher als je zuvor. Vor allem im Internet sind die Finanzierungsangebote deutlich umfangreicher geworden."
Trotz oder vielleicht sogar wegen des inzwischen großen und teilweise unüberschaubaren Angebots arbeiten viele Handwerker bis heute mit nur einer einzigen kreditgebenden Hausbank zusammen. Weil man sich kennt und vertraut.
"Wenn man aber in der jetzigen Situation der Banken einen Investitionskredit benötigt und dann feststellen muss, dass die Hausbank deutlich zurückhaltender geworden ist, ist das keine gute Ausgangslage", sagt KMU-Berater Sander. Er rät dazu, eine zweite Hausbankbeziehung in Zeiten aufzubauen, in denen es keinen akuten Finanzierungsbedarf gibt. "Banker schätzen es, wenn sich Handwerker mit Voraussicht mit diesen Themen beschäftigen und nicht erst dann, wenn es eng wird."
Auch nach Alternativen zum klassischen Darlehen suchen
Ergänzend dazu sollte man sich über Alternativen zum klassischen Darlehen informieren. "Beispielsweise Leasing oder Factoring. Diese bieten heute sehr viel mehr Flexibilität als noch vor wenigen Jahren." Beim Aufbau einer für den Betrieb passenden Finanzierungslandschaft sei es sinnvoll, eine möglichst breite Palette an Finanzierungsarten zu nutzen. "Auch solche, die sich in den letzten Jahren besonders durch die Portale im Internet stark erweitert haben", sagt Sander. Also Anbieter wie beispielsweise Smava, Auxmoney oder Creditshelf. "Das kostet vielleicht ein bisschen mehr, ist aber eine schnelle und unkomplizierte Alternative."
Wie überzeuge ich die Bankerin oder den Banker?
Das erweiterte Angebot ändert aber nichts daran, dass jeder Unternehmer und jede Unternehmerin eine starke Verhandlungsposition gegenüber seinen Kreditgebern aufbauen muss. Das gilt im Übrigen auch bei Interesse an einem Förderkredit. "Der Handwerker muss seine Verhandlungsposition realistisch einschätzen können, um erfolgreich Kreditgespräche zu führen." Doch wie überzeuge ich den Banker, dass mein Betrieb ein interessanter Kunde wäre?
Die drei entscheidenden Kriterien für eine positive Kreditentscheidung:
1. Ratingnote
Der Unternehmer muss seine Ratingnote kennen und sie einschätzen können. Gleichzeitig sollte er gegebenenfalls an der Verbesserung der eigenen Ratingnote arbeiten und dafür die Ratingkriterien der Bank erfragen.
2. Freie Liquidität
Ein wichtiges Kriterium aus Sicht der Bank ist eine Kapitaldienstfähigkeitsberechnung mit klarer Überdeckung. Das Ergebnis muss positiv sein – also freie Liquidität des Unternehmens ausweisen. Und zwar vergangenheitsbezogen auf der Basis der letzten Jahresabschlüsse und zukunftsbezogen auf der Basis von Zielen und Planrechnungen. "Diese Berechnung zeigt der Bank, ob der Kunde auf Dauer Zins und Tilgung bringen kann", erklärt Sander.
3. Sicherheiten
Im Kreditgespräch muss man Sicherheiten vorweisen können, die von der Bank als werthaltig eingeschätzt werden. Wichtig sei es deshalb, dass man Sicherheiten, bei denen die Darlehen längst abgelaufen sind, von der Bank zurückverlangt, also beispielsweise die Sicherungsübereignung einer Maschine oder eine einzelfallbezogene Bürgschaft. "Da haben viele Betriebe keine Übersicht."
Wofür steht mein Unternehmen eigentlich?
Diese Kriterien beeinflussen die Handlungsposition des Unternehmers, der darüber hinaus im Gespräch deutlich machen muss, wofür sein Unternehmen steht und welches Geschäftsmodell er hat. Das muss er durch entsprechende Unterlagen und Zahlen belegen können. Die Kreditinstitute setzen vor allem ein zeitnahes und aussagefähiges Reporting voraus. Das bedeutet zum Beispiel, dass Unternehmen mit Kreditwunsch den Jahresabschluss für 2021 vorlegen sollten, auch wenn sie den normalerweise erst im Herbst machen.
Sander: "Die Bank entscheidet gerne auf Basis endgültiger Zahlen und das ist der Jahresabschluss, nicht die betriebswirtschaftliche Auswertung. Wenn ich den Jahresabschluss schon früh habe, kann ich mich gegenüber dem Kreditgeber profilieren."
Buchtipp Foto: © NWB VerlagWas können Unternehmen und deren Berater tun, um eine starke Verhandlungsposition gegenüber Kreditgebern aufzubauen? Mit dieser Frage beschäftigt sich KMU-Berater Carl Dietrich Sander seit über 20 Jahren. Sein Handbuch, das im Herbst 2021 in dritter Auflage erschienen ist, behandelt die Themen Finanzierungsbedarf, Rating, Sicherheiten, Preise und Gesprächsführung und verrät auch Bankinterna, damit Unternehmer auf Augenhöhe mit ihren Kreditgebern verhandeln können.
Carl-Dietrich Sander:
Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln
NWB Verlag
574 Seiten, 3. Auflage,
39,90 Euro
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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