Lebens- und liebenswert. So präsentiert sich Hessens Landeshauptstadt den Besuchern. Sternekoch Anthony Sarpong ist hier aufgewachsen. Bei seiner Reise zeigt er seine Lieblingsorte.
Die heißen Quellen sind ein Geschenk der Natur an die Wiesbadener. Die "Aquae Mattiacorum", die Quellen der Mattiaker, lockten bereits im 6. Jahrhundert die Römer in die Stadt. 828 n. Chr. erstmals als Wisibada erwähnt, erlebte die hessische Hauptstadt im 18. Jahrhundert einen ersten großen Aufschwung.
Wiesbadens Vorzüge
Der europäische Adel und berühmte Persönlichkeiten wie der russische Dichter Fjodor Dostojewski und Otto von Bismarck waren oft und gerne zu Gast. Prachtbauten des Historismus und Klassizismus sowie Jugendstilelemente überraschen immer noch mit einer lässigen Schönheit. Wer nach Wiesbaden reist, erlebt einen urigen, gemütlichen Mix aus Kultur, Natur und Kulinarik, in dessen Zentrum das Wasser und der Wein stehen. Sternekoch Anthony besuchte dieses Mal eine Stadt, in der er als Kind aufgewachsen ist und seinen Beruf gelernt hat.
Mit rund 275.000 Einwohnern gehört Wiesbaden zu den ältesten Kurbädern Deutschlands. 26 heiße Thermalquellen lockten schon im 19. Jahrhundert Erholungssuchende in die Stadt. Neben dem bereits erwähnten Schriftsteller Dostojewski, Opernsänger Enrico Caruso, diverser Kaiser zog es auch menschenscheue Kaiserin Sisi immer wieder nach Wiesbaden und zu den Thermalquellen. Der Legende zufolge soll übrigens Dostojewski all sein Hab und Gut in dem hiesigen Casino verspielt haben. Es wird vermutet, dass dieser Verlust immerhin eine Inspiration für seinen Roman "Der Spieler" gewesen sein könnte.
Wahrzeichen und Gesundbrunnen zugleich ist der Kochbrunnen am Kranzplatz. Er ist die bekannteste Thermalquelle. Hier lassen sich auch die Sinterablagerungen erkennen. In der Römerzeit bekannt als "Mattiakische Kugeln" wurden sie zum Färben von Haaren benutzt. Mit acht Jahren kam Anthony Sarpong mit seiner Familie aus Ghana nach Wiesbaden. Gemeinsam mit seinem Freund und Berufsschullehrer Markus Jäger begibt sich der Sternekoch auf eine Zeitreise. Startpunkt ist die Domäne Mechthildshausen vor den Toren der Stadt.
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Anthony Sarpongs Anfänge
Zu Zeiten des römischen Reiches war die Domäne Gerichtsstätte des Kaisers. Heute gehört das 185 Hektar große Gelände zu den größten Landgütern Hessens. Gearbeitet wird nach organisch-biologischen Grundsätzen. Neben dem Obst- und Gemüseanbau werden Rinder, Schweine und Geflügel gezüchtet. Für Anthony ein besonders interessanter Ort. Ausgezeichnet mit einem Grünen Stern möchte er von Simon Engelberger mehr über das Konzept erfahren. Der Koch leitet auf der Domäne die Lehrküche. In verschiedenen Jugendwerkstätten werden junge Menschen ausgebildet. Hier trifft Anthony seinen Freund Markus Jäger. Der ausgebildete Koch und Berufsschullehrer der Louise-Schröder-Schule begleitet Anthony bei seiner Tour durch Wiesbaden. Dazu gehört auch ein Besuch in der Schule und ein Treffen mit der früheren Berufsschullehrerin.
"Der Start", sagt der Sternekoch lachend "war, glaube ich, etwas holprig." In der Lehrküche der Louise-Schröder-Schule traf er Berufsschullehrerin Lore Bankowsky-Pötz. Mit Verständnis und Geduld hat sie es geschafft, dass Anthony weiter die Schule besuchte und auch seine Ausbildung im Crowne Plaza beendet hat. "Wann ich den Schalter umgelegt habe und zu den besten Köchen der Welt zählen wollte, weiß ich eigentlich nicht mehr", sagt der Sternekoch. Lore Bankowsky-Pötz ist heute mächtig stolz auf ihren damaligen Schüler. Noch stolzer wäre sie, wenn Anthony als Spitzengastronom in seine deutsche Heimatstadt zurückkehren würde. Doch erst einmal heißt es: weiter geht‘s auf eine persönliche und emotionale Erinnerungstour. Dazu gehört auf jeden Fall der Besuch des Wochenmarktes.
Herzstück der Stadt ist das Rathaus. Das weithin sichtbare rote Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Georg von Hauberrisser im Stil der Neorenaissance erbaut. Gleich dahinter findet jeden Mittwoch und Samstag der Wochenmarkt auf dem Dern'schen Gelände statt. Die Händler präsentieren ein Höchstmaß an Frische und Qualität. Die Produkte stammen aus der Region und dem Umland. Natürlich sind auch Bio-Erzeugnisse zu finden. Wie die von Christoph Ries von der Gärtnerei Emmelheinz. Das Unternehmen hat sich auf die Züchtung spezieller Tomaten spezialisiert. Ergänzt um Stände mit köstlichen, regionalen Spezialitäten ist der Markt für jeden Besucher ein Erlebnis. Vor allem am Wochenende laden die Stände bei der einen oder anderen Kostprobe zum Verweilen und Naschen ein.
Traditionscafé Maldaner
Ein Tipp: Lassen Sie Platz für eine weitere Wiesbadener Spezialität: die legendäre Maldaner Schnitte! Es ist ein Novum: Die Konditorei des Café Maldaner in der Marktstraße ist selbst für Wiesbadenern ein verbotener Raum. Seit ihrer Gründung im Jahr1859 durfte kein Fremder je die Küche betreten. Für Anthony machen die Inhaber Renate Schulz-Winkel und Michael Schulz eine große Ausnahme. Der Sternekoch trifft Konditormeister Markus Poiger im Heiligtum des Traditionscafés. Seit über 20 sorgt Poiger mit seiner handwerklichen Arbeit für die süßen Momente der Caféhausbesucher.
Im Café Maldaner selbst präsentiert die Theke die ganze Pracht köstlicher Obst- und Sahnetorten. Stilvoll gekleidete Mitarbeiter servieren nicht nur Apfelstrudel, Sachertorte oder Waffeln. Erzählt werden gerne liebenswerte Geschichten und Geschichtchen über das Café, die Besucher und die Stadt Wiesbaden. Das Café mit 300 Sitzplätzen ist ein Mix aus elegantem Interieur im Biedermeierstil. Renate Schulz-Winkel und Michael Schulz geht es um den Erhalt der feinen Caféhaus-Traditionen. Dank des Ambientes und der feinen Cafékultur wurde das Café Maldaner zurecht im Jahr 2011 zum Wiener Kaffeehaus gekürt. Damit ist es das einzige Wiener Kaffeehaus außerhalb Österreichs in ganz Europa.
Nur wenige Gehminuten vom zentral gelegenen Café führt Sohn Sebastian Schulz in der Maldaner Kaffeerösterei die Tradition des Caféhauses weiter. Fair. Nachhaltig und sehr transparent werden in der Rösterei rund drei Tonnen Kaffeebohnen geröstet. Alle Produkte stammen von kleinen Farmen direkt vom Anbieter. Mittwochs ist immer Fancy-Day. Dann röstet der leidenschaftliche Kaffeeexperte von schokoladig bis floral fruchtig ausgefallene Kaffeesorten. "Absolut verrückt", zeigt sich Anthony begeistert von der Idee und der Vielfalt der Kaffeearomen.
Berühmte Gäste
Illustre Gäste, unterhaltsame Anekdoten – auch das Hotel Nassauer Hof steht seit über 200 Jahren für historische Begegnungen und bewegende Momente. Vom Treffen zwischen Kaiser Wilhelm II und Zar Nikolaus II über Besuche von Karl Lagerfeld, Audrey Hepburn und Otto Waalkesbis hin zu den regelmäßigen Aufenthalten "Seiner Heiligkeit" des XIV. Dalai Lama blickte Hoteldirektor Jakob Stöhrer mit Anthony auf die glanzvollen Momente bis in die heutige Zeit. Das Grand Hotel steht für Gastfreundschaft mit all seinen Annehmlichkeiten eines luxuriösen Ambientes im Herzen der hessischen Landeshauptstadt. Ente gut, alles gut, bietet das direkt anschließende Restaurant "Ente" eine kulinarische Spezialität, die wiederum Kaiserin Sissi zu schätzen wusste.
Talfahrt am Neroberg
Wiesbaden ist aber nicht nur eine kulturelle oder kulinarische Episode. Umgeben vom Rheingau ist es eine Region, die Natur erlebbar macht. Wie ein Ausflug auf den Neroberg zeigt. Die Nerobergbahn ist das schrägste Wahrzeichen der Stadt. Eröffnet im Jahr 1888, legt die Zahnspangenbahn mit einer raffinierten Technik jedes Jahr Tausende Kilometer zurück. Auch wenn 1888 das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit so gut wie keine Rolle gespielt haben mag, entschieden sich die Wiesbadener als Kurstadt schon damals für einen geräusch- und schadstoffarmen Antrieb. Dabei wird der zum Tal fahrende Wagen an der Bergstation mit bis zu 7.000 Litern Wasser gefüllt. An einem Stahlseil zieht er so den anderen Wagen bergauf. Unten angekommen, wird das Wasser abgelassen und wieder bergauf gepumpt. Ein besonderes Vergnügen, ganz ohne Energieverbrauch.
Der Neroberg ist der Hausberg der Wiesbadener und ein beliebtes Ausflugsziel. Mit einem Rundumblick wird ein weiterer Vorteil Wiesbadens klar. Auf 245 Metern Höhe wächst hier unter Federführung der Hessischen Staatsgüter der Neroberger Wein. Vom Neroberg-Tempel haben Besucher einen Ausblick auf die ganze Stadt. In einer sogenannten "Erlebnismulde" finden im Sommer Kleinkunstaufführungen statt. Nur ein paar Schritte weiter befindet sich das Weinlokal Chateau Nero von Linda Zimmermann und Boris Royko. Der direkt angrenzende Weinberg wird vom Kloster Eberbach bewirtschaftet. Mit Blick auf den Weinberg lässt sich hier das vielfältige Angebot des Rheingauer Weingutes ausgezeichnet probieren.
Der Besuch in Wiesbaden und Rheingau geht für Anthony Sarpong langsam zu Ende. Mit ein wenig Wehmut in der Stimme lautet die Empfehlung vom Küchenchef: "Kommt nach Wiesbaden! Es gibt hier noch viel, viel mehr zu erleben als das, was ich Euch gezeigt habe." Dabei denkt er sicherlich an die vielen kleinen Cafés und Bars entlang kleiner Gassen, die Entdeckung historischer Bauten, die beliebte Rheingauer Wein Woche und zahlreiche beschauliche Plätze, umgeben von einer grünen Landschaft. Auf nach Wiesbaden!
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