Warum denn in die Ferne schweifen …
Entdeckungen vor der Haustür: Die Museumsdörfer Baruther Glashütte (Teltow Fläming) und Lehde (Spreewald) bieten mehr als nur nostalgischen Rückblick. Sie schlagen den Bogen von der Vergangenheit ins Heute.
Wenn er aus dem Schmelzofen einen Klumpen der zähflüssigen, 1.200°C-heißen Masse entnimmt, kräftig in die lange Glasmacherpfeife hineinpustet, mit Metallwerkzeugen hantiert, und es entsteht im Handumdrehen eine Vase, dann ist dem vorführenden Glasmacher die Bewunderung der Besucher gewiss. In der Glashütte von Baruth gibt es regelmäßig diese Schauvorführungen, und Frank Schmidt ist einer der Akteure, die auch gern von ihrer Arbeit erzählen: "Man braucht Mordsgeduld ... muss die Hitze vertragen" und wohl auch Enthusiast sein, um wie er als Glasmacher seit 30 Jahren bei der Stange zu bleiben. In ganz Deutschland gibt es derzeit nur drei Lehrlinge, erzählt er. Davon einen in der Glashütte Baruth und das ist eine junge Frau!
300 Jahre Glashütte Baruth
Die Baruther Glashütte feiert in diesem Jahr ihr 300-jähriges Bestehen. Seit 1716 wird hier, 60 Kilometer südlich von Berlin, Glas hergestellt. In dem waldreichen Ort wurde jedoch nicht nur gearbeitet, sondern zugleich gelebt. Um 1840 entstanden acht Mehrfamilienhäuser für die Arbeiter, nicht zuletzt, um sie an den Betrieb zu binden. In diesen Häusern wird heute wieder gewohnt und gearbeitet, wenn sie nicht gerade Herberge oder Gästewohnung sind. In einem Gebäude befindet sich die Kunstglaserei von Markus Kutscha. In einem anderen arbeitet Glasbläser Toni Rentsch, der an seinem Brenner aus farbigen Glasröhren Figuren, Vasen, Öllampen und anderes formt. Töpfermeister Axel Rottstock fertigt in seiner Werkstatt hochwertige Gebrauchskeramik. Vor der Tür seiner "Pott-Teria" steht der Arbeitstisch "Matsch-Feld", wo jeder mal einen Tonklumpe in die Hand nehmen und sein gestalterisches Geschick testen kann.
Zahlreiche Sonderausstellungen vom Gebrauchsglas über historische Trinkgläser bis hin zu modernem Glasdesign (gemeinsam mit der Burg Giebichenstein Halle) sind im Jubiläumsjahr in Baruth zu sehen. Darüber sollte man nicht die Galerie im Packschuppen oder die Dauerausstellung über den berühmtesten Sohn des Ortes, Reinhold Burger (1866-1954), den vielseitigen Glastechniker und Erfinder der Thermosflasche, verpassen.
Mehr als Kahnpartie – der Spreewald
Kahntouren durch die romantischen Fließe gehören genauso zum Spreewald-Besuch wie die Verkostung der warenrechtlich geschützten Spreewaldgurken. Es lohnt sich jedoch, einmal aus dem Kahn zu steigen und eine kleine Reise durch die Kulturgeschichte dieser einmaligen Region zu unternehmen. Museumsdirektor Stefan Heinz und sein Team haben das von Kulturland Brandenburg initiierte Themenjahr "Handwerk zwischen gestern und übermorgen" zum Anlass genommen, um die Ausstellungen im Freilandmuseum Lehde und im Lübbenauer Spreewald-Museum komplett zu überarbeiten. Anfassen, probieren, mitmachen – darauf wird jetzt verstärkt gesetzt. Teig kneten beim Bäcker, einen Leisten als 3-D-Puzzle beim Schuhmacher herstellen, Fellstücke beim Kürschner zusammenfügen, aus Einzelfäden einen Strick beim Seiler drehen ...
Jüngere Besucher finden unter dem Zeichen des Milchkruges kindgerechte Extratexte zu den Exponaten. Wassermann Lischko, die neue Symbolfigur, erklärt die Sagenwelt des Spreewaldes. Brandneu sind zudem zwölf Filme mit echten Handwerkern der Region, die eigens für die Ausstellungen produziert wurden. In jeweils ca. fünf Minuten stellen unter anderem ein Böttcher, ein Kahnbauer oder eine Haubensteckerin ihren Beruf in ihrer Werkstatt vor und ermöglichen so einen Blick ins echte, heutige Handwerkerleben.
Immaterielles Kulturerbe
Die manuelle Fertigung von mundgeblasenem Hohl- und Flachglas wurde im Dezember 2015 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Trägergruppen sind:
• Museum und Glasstudio Baruther Glashütte
• LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim
• Glashütte Lamberts Waldsassen GmbH
Museumsdorf Glashütte Baruth 15837 Baruth
Sonderausstellung: Glasdesign aus Halle (bis 13.11.2016)
www.museumsdorf-glashuette.de
Freilandmuseum Lehde 03222 Lehde, Spreewald Spreewald-Museum 03222 Lübbenau, Topfmarkt 12
www.museum-osl.de
www.museums-entdecker.de
Fotos: Ute Maciejok
Text:
Ute Maciejok /
handwerksblatt.de
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