Brüssel: Alles ist Plastik!
Das "Art & Design Atomium Museum" (ADAM) präsentiert in der Ausstellung "Plasticarium" spektakuläre Kunststoff-Design-Entwürfe aus den Sechzigerjahren bis heute.
Hier kommen Pop-Art-Liebhaber und Nostalgiker auf ihre Kosten! Gleich im Eingangsbereich der rund 1.500 Quadrameter großen Ausstellung "Plasticarium" steht eine Reihe des stapelbaren ABS-Kunststoffklassikers "Universale". Den entwarf der Mailänder Architekt und Industriedesigner Joe C. Colombo (1930-1971) im Jahr 1965.
Am Anfang war der Universale
Der "Universale" war es, der den belgischen Sammler Philippe Decelle 1987 auf den Plan rief, fortan Haushaltsgegenstände, Möbel und Pop-Art aus Plastik zu sammeln, die mit völlig neuen Formen und Farben in der zweiten Häfte des vergangenen Jahrhunderts ihren weltweiten Siegeszug antraten. Den Colombo-Stuhl hatte Decelle auf dem Sperrmüll entdeckt. Seine Leidenschaft war geweckt, im Laufe der Jahre wurde die Sammlung Decelle immer größer. Der Platz in einem Brüsseler Wohnhaus, in dem er seine Exponate stapelte, allerdings immer weniger, nur vereinzelt erhielten Besucher Zugang zu seinem außergewöhnlichen Plastik-Schatz.
Als die Platznot zu groß wurde, beschloss Decelle, seine rund 1300 Objekte zählende Sammlung – zumeist Kunststoff-Design, vor allem Pop-Möbel aus den Jahren des Plastik-Booms zwischen 1960 und 1973 – als Dauerleihgabe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit Dezember 2015 ist die Sammlung Decelle Bestandteil des ebenfalls 2015 eröffneten Museums "Art & Design Atomium Museum" (ADAM). Das widmet sich der Kunst und dem Design des 20. und 21. Jahrhunderts und hat sein Zuhause unweit des weltbekannten Atomiums gefunden.
Die einzigartigen Originale touren um die Welt
Die Sammlung Decelle erweiterte das ADAM mit dem Zukauf von rund 700 Plastik-Objekten im zeitgenössischen Design, aus Platzgründen kann aber nur ein Viertel aller Exponate ausgestellt werden. So behilft man sich damit, die Ausstellungsgegenstände des "Plasticariums" immer mal wieder auszutauschen, zumal einige der einzigartigen Originale an die großen Museen der Welt ausgeliehen werden. So etwa an das MoMA in New York, an die Tate Modern in London oder auch ans Centre Georges Pompidou in Paris.
Zeitreise mit nostalgischen Gefühlen
Der Rundgang durch das "Plasticarium" mutet wie eine Zeitreise an, Staunen und nostalgische Gefühle sind garantiert. Vorbei an legendären Vignelli-Geschirr aus Melamin, 1964 von dem italienischen Designer-Paar Lella und Massimo Vignelli 1964 nach dem Besuch einer Fabrik für Klarsichtkunststoff entworfen und von der US-Firma Heller seit 1971 produziert, öffnet sich eine große Halle voller Alltagsgegenstände in allen Formen und Farben, die die Fantasie beflügeln. Darunter Kunststoff-Stühle von Luigi Colani und Günter Belzigs "Floris Collection" (1967), Braun-Kofferradios von Dieter Rams, der wie eine Plastik anmutende Sessel "Éléphant" von Bernard Rancillac oder Apples erster "iMac Bondi Blue", 1998 von Jonathan Ive mit einem halbdurchscheinenden Gehäuse aus Polycarbonat entworfen.
Decelles Lieblingsstück
Eine besonders exponierte Stellung genießt der Schaukelstuhl "Dondola", den Cesare Leonardi und Franca Stagi 1969 entwarfen, denn "er ist das ausgewiesene Lieblingsstück von Sammler Decelle", wie Museumsmitarbeiterin Inge Van Eycken anmerkt. Ebenso futuristisch mutet Maurice Calkas Schreibtisch-Stuhl-Kombination "P.G.D." an, während Shiro Kuramatas Stuhl "Miss Blanche" mit seinen in den durchsichtigen Kunststoff eingelassenen Rosen beinahe schon wieder klassisch wirkt.
Für die enorme Wertsteigerung der Kunststoff-Möbel ist "Miss Blanche" übrigens ein sehr gutes Beispiel, der Stuhl wurde bei Christies in London im Oktober 1997 für sage und schreibe 86.000 US-Dollar versteigert. Wie sagte schon der große Andy Warhol: "Everthing’s plastic, but I love plastic. I want to be plastic."
Info: Art & Design Atomium Museum (ADAM), Belgiëplein, 1020 Brüssel, Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr, außer Dienstag. Kontakt: +32 2 669 49 29, info@adamuseum.be, Tickets: +32 (0)2 475 47 64.
Neben der Dauerausstellung "Plasticarium" präsentiert das ADAM zahlreiche sehenswerte Einzelausstellungen.
Zur Dauerausstellung "Plasticarium" ist ein sehens- wie lesenswerter Katalog erschienen: Katalog ADAM, Art & Design Atomium Museum The Plastic Collection, mit Texten von Anne Bony, Alexandra Midal & Richard Thommeret, 216 Seiten mit mehr als 300 farbigen Abbildungen. Text in vier Sprachen (französisch, niederländisch, englisch und deutsch), Preis: 24 Euro, ISBN: 978-2-87572-015-3, eine Zusammenarbeit von CFC-Éditions und ADAM.
Text:
Jürgen Ulbrich /
handwerksblatt.de
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