Auf der Spur der Keramik im Kannenbäckerland
Der Westerwald nimmt eine bedeutende Stellung in der deutschen Keramikherstellung ein. Das erleben Besucher anschaulich im Keramikmuseum in Höhr-Grenzhausen.
Handwerk ist so alt wie die Menschheit selbst, denn je nach Entwicklungsstand bearbeiteten die Menschen Naturmaterial und schufen daraus Gebrauchsgegenstände für den Alltag. Bereits in Urzeiten nutzten Menschen Lehm und Ton und erfanden um etwa 3000 v. Chr. die Töpferscheibe.
In der Gegenwart ist Keramik aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Wir wohnen in Häusern aus Backsteinen und haben Dächer aus Keramikdachsteinen. Wir essen und trinken aus Steinzeug, wandeln in unseren Häusern über Steingutfliesen und baden in Keramikbadewannen, um nur einige Beispiele anzuführen. Es gibt viele Firmen, die Keramik herstellen, darunter auch noch eine Menge traditionell arbeitender Handwerksbetriebe. Dabei nimmt der Westerwald unter den deutschen Töpferregionen eine bedeutende Stellung in der Keramikherstellung ein.
Besuch im Keramikmuseum ist Kulturerlebnis
Folgt man den Wegweisern der 39 Kilometer langen Kannenbäckerstraße, trifft man auf eine Vielzahl von Töpfereien, in denen noch immer sehr traditionell getöpfert wird. Hier sind die salzglasierten Krüge unter Biertrinkern Kult, die Flöten Klassiker und die grazilen Vasen aus Meisterhand hohe Kunst. Hier lebt und schreibt man Keramikgeschichte. Deshalb sollte ein Besuch im Keramikmuseum Höhr-Grenzhausen, im tönernen Herzen der Kannenbäckerstraße als "Kulturerlebnis" genutzt werden. Dass es hier auch "handgreiflich" zugeht, vermittelt das Museum zum Anfassen. Es zeigt eine Sammlung von historischer und zeitgenössischer Keramik und bietet dabei weit mehr als nur einen Vitrinenblick. Da werden Umwelt und Alltag zur lebendigen Museumspädagogik. So erzählt der "Bembl" von Heinz Schenk, dem einstigen Entertainer, genauso Geschichte, wie die Butterfässer aus Urgroßmutters Zeiten oder die braun glasierten Bartmannskrüge aus früheren Jahrhunderten.
Es sind nicht nur die Anekdoten über Herkunft und Besitzer, die unterhaltsam sind, sondern die Töpfergeschichte selbst. Sie wurde in dieser Region fast ununterbrochen von Generation zu Generation weiter getragen. Was die ältesten Stücke aus der Urnenfelderkultur, die im Raum Vordereifel gefunden worden sind, beweisen. Einige Fundstücke aus dem Großraum Westerwald stammen sogar aus dem Jahre 1.000 vor Christi. Weitere Hinweise auf das alte Keramikhandwerk liefern zusätzlich eine Reihe von Funden aus der Römer- und Keltenzeit. Das bei Erdarbeiten ans Tageslicht geförderte "Protosteinzeug" gibt wesentliche Aufschlüsse. Diese Keramik, welche teils engobiert, teils glasiert ist, ist mit charakteristischen Merkmalen, wie Drehrillen und Wellenfüßen versehen. Gleich zu Beginn des Museumsrundganges werden große und kleine Besucher mit den Grundregeln der Keramik vertraut gemacht. Sie erfahren welche Materialien verwendet werden und welche Hilfsmittel notwendig sind, um ein Gefäß herzustellen, und sie können einen historisch rekonstruierten Brennofen bestaunen.
Dem Meister bei der Arbeit über die Schulter schauen
Der Meister an der Drehscheibe. Foto: © Annchen Witt Besucher, die sich fürs Töpferhandwerk interessieren, sollten außerdem eine Besichtigung beim Töpfermeister Joachim Ermert in der Werkstätte für salzglasiertes Steinzeug in der Töpferei M. Girmscheid in Höhr-Grenzhausen einplanen. Er lässt sich gern bei der Arbeit über die Schulter schauen, schildert die Verarbeitung des Tons, die Tradition des Töpferhandwerkes von den Anfängen bis ins Heute in Zeitraffer und zeigt Schritt für Schritt die gesamte Herstellung.
Die Traditionstöpferei "M. Girmscheid" wurde 1884 von Matthias Girmscheid gegründet und wird heute in seinem Sinn vom Keramikmeister Joachim Ermert geführt. Wie es dazu kam, verrät der Meister, ein hochmotivierter und fachlich kompetenter Handwerker. Sein Vater arbeitete als Schreiner in einer Traditionsfirma, doch schon als heranwachsender Bub interessierte sich Ermert mehr für die Verarbeitung des "weißen Goldes" (Ton). Es faszinierte ihn, wie die Gegenstände mit geschickten Händen geformt wurden und als ein Ganzes entstanden. So war es für ihn nur eine Frage der Zeit bis er mit 15 Jahren die Töpferlehre begann. Emert: "Ich hatte schon immer ein Faible für handwerkliche Gestaltung und wollte mit meinen Händen ein eigenes, fertiges Produkt herstellen." Was aus diesem Wunsch wurde, sehen die Besucher heute, die mit großen Augen jede seiner Bewegungen hautnah verfolgen können. In den großen, hellen Räumen begrüßt Ermert, der 1988 seinen Handwerksmeister machte und seit 1989 als Leiter der Töpferei fungiert, die Umstehenden.
Töpfern mit heimischem Ton
Beliebtes Souvenier: Knoblauchreibe. Foto: © Annchen Witt Er greift einen unförmigen Klumpen und erklärt, das sei zur Herstellung des Steinzeuges ein spezieller, heimischer Ton, der fast vor der Haustür im oberen Westerwald abgebaut werde. Dann hält Ermert einen etwa 20 Millionen Jahre alten Gesteinsbrocken, ein Verwitterungsprodukt, hoch und zeigt auf ein großes Wandbild, welches den terrassenförmigen Abbau des Tons von einst veranschaulicht. Heute werde der Ton aber moderner gestochen, erklärt er. "Ton ist doppelt so schwer wie Wasser. Und 86 Prozent des Westerwaldtones gehen nach Italien zur Fliesenherstellung", so Ermert. Bevor die Tonschicht sichtbar werde, müssten mindestens drei Meter Mutterboden entfernt werden, erzählt Ermert. So brauche es schon Vorarbeiten, bis der Ton hier ankomme und die altbewährte Technik angewendet werden könne, um echtes salzglasiertes Westerwälder Steinzeug herzustellen. Die Mischungsverhältnisse der Zutaten würden wie ein besonderes Rezept geheim gehalten.
Töpfermeister Ermert erläutert den kreativen, handwerklichen Umgang mit dem Ton zur Fertigung: "Als erstes muss der graue Ton gut geknetet und geklopft werden, damit keine Luft mehr in der Masse ist." Danach wird der Tonklumpen auf die Mitte der Töpferscheibe balanciert, dann mit der Hand ausgehöhlt und zwischen den Fingern in die Höhe gezogen, so dass eine gleichmäßige, glatte Wand entsteht. Nun heißt es, Gefäß und Scheibe in Schwung zu halten. Der Töpfer fasst immer wieder in einen Schlicktopf, damit die Hände feucht bleiben und der Formvorgang handlicher vonstattengehen kann. Durch die schnell drehende Töpferscheibe wird die Technik des Hochziehens ermöglicht. Das schnelle Drehen beschleunigt nicht nur den Vorgang, sondern sorgt zudem für regelmäßigere, symmetrische Formen. Im Gegensatz zur althergebrachten Töpferscheibe, die per Fuß "angeschuckt" wurde, wird die Töpferscheibe heutzutage elektrisch betrieben.
Glasur-Technik ist regional gebunden
Foto: © Annchen Witt Faszinierend, wie unter den geschickten Händen Krüge oder Schalen entstehen. Nach der Formgebung werden die Gegenstände mit einem Draht vorsichtig von der Töpferscheibe getrennt und etwa einen Tag zum Trocknen in Regalen abgestellt, bevor sie in die künstlerischen Hände einer kreativen Malerin gehen.
Die Gefäße werden mit natürlichen Farben je nach Auftrag oder Eigenkreation bemalt, bevor sie in dem modernen Brennofen 24 Stunden lang gebrannt werden. Früher bestückte man den Ofen mit Buchenholzscheiten, die einen hohen Heizwert liefern und nur wenig Asche hinterlassen. Heute wird als Brennstoff Gas verwendet. Im Ofen werden die Fertigwaren auf Regale gestellt und bei über 1.200 Grad Celsius unter Zugabe von Kochsalz im offenen Feuer gebrannt. Das Salz schmilzt und zerspringt, sodass etwa 50.000 Salzkristalle um die Gefäße tanzen. Dann steigt ein weißer Rauch auf, ähnlich wie zur Papstwahl, tut der Meister schmunzelnd kund. "So entsteht die berühmte, äußerst robuste und widerstandsfähige Girmscheid-Salzglasur", sagt Ermert, und verrät: "Diese Technik ist regional gebunden, und ich verbrauche fast eine Tonne Salz über das Jahr hinweg". Wichtig sei auch zu wissen, dass in den Öfen früher keine Regale eingelassen waren, sondern die Töpferwaren aufeinander geschichtet wurden, dadurch erkenne man heute die älteren Exemplare. Jedes Teil im Brennofen ist ein Unikat.
Geführte Besichtigungen (20-100 Personen) durch die Töpferei gibt es nach telefonischer Vereinbarung unter 02624 / 7182. Hör-Grenzhausen veranstaltet im Dezember eine Weihnachtslandausstellung, Infos bei der Touristenformation unter Tel: 02624/19433 oder bei der Westerwald-Touristik unter Tel: 02602/3001-10 sowie unter www.hoehr-grenzhausen.de. Empfehlenswerte Hotels: Hotel Heinz – Wellnesshotel, 02624/3033 oder das Westerwald-Sporthotel Zugbrücke Grenzau im idyllischen Brexbachtal mit Schönheits- und Gesundheitsprogrammen, Tel. 02624/1050Fotos: Annchen Witt
Text:
Annchen Witt /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben