Modewelt: Vom schweren Badehemd zum Fio Dental
Am 5. Juli findet der Tag des Bikinis statt. Wie Frauen sich in über 100 Jahren für eine bequeme Bademode freischwimmen mussten und warum der Bikini Bikini heißt, das erzählt jetzt das erste Bikinimuseum Deutschlands.
Bis zum Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulustrandbikini in den 60er Jahren war es ein langer und gefährlicher Weg für die Frauenwelt, wollte sie einfach wie die Männer an warmen Sommertagen ein kühlendes Bad in bequemer Badekleidung genießen.
Das BikiniARTMuseum in Bad Rappenau erinnert mit rund 1.200 Exponaten an die Geschichte des knappen Zweiteilers. Highlights sind die Stoffstückchen weltberühmter Stars wie Marilyn Monroe, Brigitte Bardot, Elke Sommer und Scarlett Johannson. Ebenso zwölf der 16 Modelle des Bikini-Erfinders Louise Réard. Im Mittelpunkt jedoch steht die Entstehungsgeschichte der Badekultur. Eine Geschichte über Verhaftungen, Skandale und die schrittweise Befreiung der Frau aus einer einengenden und schweren Bademode.
Vom Badehemd zum Fio Dental
Foto: © BikiniARTmuseum, Fotograf Florian Busch Bad RappenauDie ersten Badestuben entstanden im Mittelalter. Zunächst als Körperreinigung gedacht, entwickelten sich die Reinigungsrituale zu feucht-fröhlichen Partys. Es wurde gegessen, getrunken und musiziert. Waren Mann und Frau nicht sowieso nackt, trugen sie ein mit Schnüren befestigtes Tuch, das so gerade das Notwendigste bedeckt.
Pest, Cholera und Syphilis beendeten das bunte Treiben. Bis ins 18. Jahrhundert standen Teilwaschungen auf dem Programm. Unangenehme Gerüche übertünchte der Adel mit Puder und Parfüm. Das einfache Volk ging nach Geschlechtern getrennt zum Waschen in Seen und Flüsse. Man trug schlichte Badehemden, die Knöchel und Handgelenke bedeckten.
Die heilende Wirkung des Wassers und das Kuren
In der Zeit der Aufklärung entdeckten dann die Ärzte die Wirkweise von Gesundheit, Hygiene und Waschen. Das Wasser verlor seinen Schrecken. Erste Seebäder wurden in England geöffnet. Durften die Männer die heilende Wirkung des Wassers nackt genießen, trugen Frauen lange Flanellhemden. Darin eingenäht: schwere Gewichte, damit der Stoff nicht an die Wasseroberfläche gelangen konnte. Im 19. Jahrhundert setzte sich das Kuren durch.
Vermuteten Mediziner damit eine gesundheitsbewusste Qualität im wildbewegten Salzwasser, kostete dieses Badevergnügen so manch einer Frau sogar das Leben. Aus sittlichen Motiven heraus mussten sie in einem mehrteiligen Kostüm aus Wolle, Leinen oder Seide ins Wasser gehen. Es bestand aus Haube, Hut, langärmeliger Bluse, Korsett, einer über den Knöcheln geschnürten Hose sowie aus Strümpfen und Schuhen. Bewegungseinschränkungen und das Gewicht zogen die Frauen unter Wasser.
Schwimmen mit mehreren Stoffschichten
Ein erstes Aufatmen für Badenixen fand Ende des 19. Jahrhunderts statt. Ärmel und Hosenbeine wurden kürzer. Matrosenkragen und Ankermotive waren ab 1880 angesagt. In dieser Zeit erlangte der Schwimmsport unter Männern immer mehr Anhänger. Anfangs ein Tabu, durften sich so langsam auch Frauen im sportlichen Schwimmwettbewerb messen. Aus sittlich-moralischen Gründen aber nur dann, wenn sie sich dafür mit mehreren Stoffschichten bedeckten.
"Als die australische Schwimmsportlerin Annette Kellerman 1907 in einem selbst entworfenen kurzen Badeanzug an einem Strand in Boston trainierte, wurde sie kurzerhand von einem Polizisten verhaftet", erzählt Marco Preißer von der stark eingeschränkten Wasserwelt der Wettschwimmerinnen. Erste Luft zum Atmen bekamen die Frauen in den 20ern. Endlich war das Baden von Mann und Frau in einem Gewässer wieder gestattet. Getragen wurden leichte Baumwolljerseys. In der 50er kommt das Sonnenbaden in Mode. Die gesunde Bräune ersetzt die vornehme Blässe. Erste Zweiteiler kamen auf den Markt. Bis dato aber war der Bauchnabel komplett überdeckt.
Zitat "Als die australische Schwimmsportlerin Annette Kellerman 1907 in einem selbst entworfenen kurzen Badeanzug an einem Strand in Boston trainierte, wurde sie kurzerhand von einem Polizisten verhaftet." Marco Preisser, Museumsdirektor
Der kleinste Zweiteiler der Welt
Bis zur figurbetonten Bademode war es für die Frauenwelt ein beschwerlicher Weg. Ab den 60er Jahren konnten Badenixen endlich aufatmen. Foto: © BikiniARTmuseum, Fotograf Florian Busch Bad RappenauEs war der 5. Juli 1946. Wenige Tage zuvor führte die USA im Bikini-Atoll verheerende Atombomben-Tests durch. An diesem Tag stellte der französische Auto- und Bademodedesigner Louis Réard bei einer Miss-Wahl im Pariser Schwimmbad Molitor den kleinsten Zweiteiler der Welt vor. Symbolisch und als Provokation an die Gesellschaft gedacht, assoziierte er die Vorstellung des Bikinis mit der Sprengkraft der Atomversuche. Eine Denkweise, die heute eher Unverständnis hervorruft. Doch der Designer sollte damit recht behalten.
"Der Bikini schlug ein wie eine Bombe", sagt Marco Preißer. Die Nachricht von dem bauchnabelfreien Kleidungsstück ging wie ein Lauffeuer um die Welt. Es war die Nackttänzerin Micheline Bernardini aus dem Casino de Paris, die bereit war, dieses skandalöse Stück von Nichts der Welt vorzustellen.
Der Bikini wird gesellschaftsfähig
Der Bikini war an vielen Badeorten der Welt verboten. 1953 trug erstmals Brigitte Bardot den Bikini während des Filmfestivals in Cannes. 1962, als Ursula Andress als Bondgirl im Film "James Bond 007 jagt Dr. No" einen Bikini trug, war der Zweiteiler für immer gesellschaftsfähig. Immer mehr Frauen wollten Haut und Rundungen zeigen. Vom High Waist Bikini bis zum Fio Dental, dem String-Bikini, ist alles erlaubt. Doch Klischees sind geblieben. Noch immer müssen Frauen unter den Beschränkungen einer Bademode auf der ganzen Welt leiden.
Das BikiniARTMuseum hat sich auf die Fahnen geschrieben dabei zu helfen, die noch immer bestehenden Einschränkungen abzubauen. Mit der Bademodeneschichten möchten die Macher Frauen jedes Alters, jeder Figur oder Herkunft, Einschränkungen oder Behinderungen bestärken, sich von konventionellen Schönheitsidealen ein Stück weit zu trennen. "Frau ist am schönsten, wenn sie sich wohlfühlt und mit sich zufrieden ist", betont Marco Preißer, dass Schönheit grenzenlos ist.
Wussten Sie, …
dass seit dem Jahr 2000 der Bikini populärer als ein Badeanzug ist? Am meisten wird der Bikini in Blau gekauft. Schwarz steht auf Platz zwei. Gelbe Bikinis stehen an letzter Stelle. Von allen Prints sind Blumenmuster besonders beliebt. Mit einem Fio Dental ist in Brasilien eigentlich die Zahnseide gemeint. Im Volksmund dagegen werden damit die String-Bikinis bezeichnet.
Die Auswahl ist groß. So gibt es den High Waist Bikini, den High Neck Bikini, den Triangelbikini, den Push-up-Bikini, den Fringe Bikini, den Halterbikini, dem Bandeau-Bikini, den Tankini oder Monokini. Bei so vielen Modellen sollte doch für jede Frau, die Spaß daran hat, einen Bikini zu tragen, auf jeden Fall etwas dabei sein.
Text:
Brigitte Klefisch /
handwerksblatt.de
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