"Die Stollenzeit ist ein Highlight im Arbeitsjahr"
Der Bäckerpräsident Michael Wippler erklärt im Gespräch, wie ein Bäcker die Adventszeit erlebt und warum das Backen von Stollen vor Weihnachten zugleich anstrengend, aber auch erfüllend ist.
Advent ist die Zeit der Traditionen. In keinem anderen Handwerk geht es so turbulent zu wie im Bäckerhandwerk. In den Wochen vor Weihnachten herrscht in den Backstuben der Deutschen Innungsbäcker Hochbetrieb. Der Stolz vieler Bäcker ist ihr Weihnachtsstollen. Im Interview berichtet Michael Wippler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, aus seinem Advent-Alltag.
Foto: © Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks Wie erlebt ein Deutscher Innungsbäcker die Adventszeit?
Wippler: Für Bäcker ist es körperlich erfahrbar, dass Weihnachten naht: Das Backen der Stollen ist körperlich anstrengend – und zugleich eine wunderbare Arbeit. Sie beschert große Glücksgefühle. Ich bin in einem Bäckerhaushalt aufgewachsen und habe mein ganzes Berufsleben in diesem Handwerk verbracht. Die Stollenzeit ist ein Highlight im Arbeitsjahr. Wenn die Stollen goldbraun aus dem Ofen kommen und mich anlachen, dann ist für mich wieder Kindheit, das ist immer wieder etwas Besonderes.
Worin liegt für Sie der Zauber des Stollens?
Wippler: In einem Stollen werden wertvolle Zutaten verwendet, das Stollenhandwerk ist sehr anspruchsvoll. In der Backstube liegt stets eine gewisse Spannung denn es stellt sich die Frage, ob der Hefeteig richtig geführt wurde. Das weiß man immer erst, wenn man ihn aus dem Ofen gezogen hat.
Wertvolle Zutaten für den Dresdner Stollen
Für Michael Wippler ist die Stollenzeit eine besondere Zeit. Foto: © Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. / Darius Ramazani Was gehört in einen original Dresdner Stollen?
Wippler: Wir sprechen von extrem wertvollen Zutaten. Für mich haben sie eine besondere Bedeutung, denn ich bin in der DDR geboren und komme aus der Mangelwirtschaft. In der DDR war es eine Herausforderung, die Rohstoffe zu organisieren. Heute ist das natürlich viel einfacher. Ein Stollen ist ein ehrliches Lebensmittel. Wichtig ist Butter – und davon nicht zu wenig. Den unvergleichlichen Geschmack bringen die Kuchenfrüchte: Orangeat, Zitronat, Mandeln, denn es braucht nicht nur Süße, sondern auch eine bittere Komponente. Auf keinen Fall darf man Eier, Margarine, Geschmacksverstärker oder gar synthetische Aromen in einen original Dresdner Stollen geben! Das Besondere am Dresdner Stollen ist seine ausgewogene Komposition. Die vielen Kuchenfrüchte sind in ihrer Rezeptur so abgestimmt, dass keine dominiert, wichtig ist das Gesamt-Geschmackserlebnis. Grundsätzlich gibt es allerdings kein Einheitsrezept, sondern einen Rahmen, in dem die Bäcker vom Schutzverband festgelegt haben, was zwingend in den Teig muss und was auf keinen Fall verwendet werden darf. Darüber hinaus trägt ein Stollen immer auch die Handschrift des Bäckermeisters. Die Rezeptur variiert, das Know how kommt dazu und jeder Fachkollege hat seine eigenen Tricks und Kniffe. Ein Stollen ist wie ein Mensch, die sind ja auch nicht alle einheitlich. Jeder Kunde hat seinen Lieblingsbäcker und so soll es auch sein.
Warum braucht der Dresdner Stollen eigentlich einen Schutzverband?
Wippler: Wir müssen seine Qualität hochhalten und ihn vor Fälschungen schützen. Mehr als 115 Bäckereien und Konditoreien aus Dresden und Umgebung müssen alljährlich die Stollenprüfung bestehen. Nur dann erhält ihr feines Gebäck das goldene Siegel, das ist das Qualitätszeichen des Schutzverbandes Dresdner Stollen e.V. Eine unabhängige Fachjury führt die Tests durch. Ich bin Ehrenmitglied im Schutzverband, war früher im Vorstand, beides sind schöne Aufgaben.
Traditionen wichtig für das Lebensgefühl
Finden Sie es schade, dass es den Stollen nur zur Weihnachtszeit gibt?
Wippler: Klare Antwort: Nein! Ich bin ein Stollenliebhaber, aber wenn man von etwas Gutem zu viel isst, stellt sich schnell Übersättigung ein. Der Stollen muss etwas Besonderes sein und bleiben.
Backen Sie schon im Sommer Stollen?
Wippler: Nein, wir würden niemals im August Stollen backen, sondern immer erst ab Oktober. Wir halten viel von Tradition und finden, dass der Stollen in die vierte Jahreszeit gehört. Der Backbeginn ist zwar durch den Schutzverband Dresdner Stollen e.V. nicht geregelt, aber ich finde, er muss ein Saisongebäck bleiben. Das ist wie mit der Erdbeere: Im Juni schmeckt sie am besten.
Warum ist der Advent mit seinen Traditionen für Menschen wichtig?
Wippler: Die Tradition des Weihnachtsstollens gibt Menschen gerade in unserer schnelllebigen Zeit Halt. Traditionen sind für das Lebensgefühl immens wichtig. Für einen Stollen haben die Menschen früher monatelang die wertvollen Rohstoffe zusammengespart und im Winter sind sie dann zum Bäcker gegangen, der ihnen daraus ‚ihren‘ Stollen gebacken hat. Mit dem Stollen holt man sich die Sehnsucht ins Haus, das fehlende Sonnenlicht im Winter sollte mit dem süßen Genuss ausgeglichen werden. Das ist heute noch so wie vor hundert Jahren.
Hintergrund: Die lange Tradition des Stollen
Der Stollen kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Im 14. Jahrhundert erstmals namentlich erwähnt, war er ursprünglich ein Gebildbrot. Dieses sollte einen tragenden Pfosten, also den "Stollen", darstellen und das Jesuskind als wichtigen Pfosten des christlichen Glaubens symbolisieren. So begleitet der Stollen seit Jahrhunderten die Winterzeit und erfreut immer wieder alle großen und kleinen Feinschmecker.
Ein Stollen oder eine Stolle (von althochdeutsch "stollo", "Pfosten", "Stütze") ist ein Kuchen aus schwerem Hefefeinteig. Wertgebende Bestandteile sind Fett und Trockenfrüchte (oft Sultaninen) oder andere Füllungen wie etwa Marzipan oder Mohn. Allgemein werden Stollen ganzjährig hergestellt, traditionell jedoch hat sich der Christstollen als beliebter Kuchen in der Adventszeit durchgesetzt.
Das goldene Siegel des Schutzverbandes Dresdner Stollen e.V. steht für geprüfte und gleichbleibende hohe Qualität. 115 Betriebe sind in diesem Jahr autorisiert, Stollen mit dem begehrten Siegel zu versehen und als echte Dresdner Christstollen zu verkaufen.
Quelle: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben