Die fantastische Welt von Heinz Herschel. (Foto: © Matthias David)

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Ein verschlossenes Künstlerleben

Panorama

Heinz Henschel führte ein rätselhaftes Leben. Erst nach seinem Tod wird das einzigartige künstlerische Talent des Handwerkers und Autodidakten entdeckt. Seine Werke sind jetzt in Kevelaer zu sehen.

Foto: © Matthias DavidWer war Heinz Henschel? "Das weiß niemand." Das sagt Matthias David. Früher IT-Spezialist. Heute Henschel-Experte. Über viele Jahre leben David und der gelernte Schlosser Tür an Tür auf der Max-Planck-Straße in Dülken. "Heinz war immer ein sehr geselliger Mensch. Er war in vielen Vereinen tätig. Er war freundlich. Er hatte Humor", beschreibt ihn sein früherer Wegbegleiter.

Hinter der verschlossen Türe

Ging es jedoch um seine Malerei, wurde der aus Schlesien stammende Henschel zum Einsiedler und zog sich aus der Gesellschaft zurück. "So, jetzt möchte ich wieder in meine Wohnung und malen. Macht ihr mal hier alleine weiter", erinnert sich David an die Worte seines Freundes zurück. "Wir wussten natürlich, dass Heinz malt. Freunde und Nachbarn haben alle einen kleinen Henschel zu Hause an der Wand hängen. Damit hat er nicht gegeizt." 

In den letzten Lebensjahren entsteht zwischen Matthias David und Heinz Henschel eine intensive Zusammenarbeit. "Heinz hatte sich mehr und mehr dem Gedanken an eine eigene Ausstellung geöffnet. Er fing an, seine Bilder zu rahmen und Transportboxen für seine Werke zu bauen." Nach einer Krebsdiagnose bleibt dem unentdeckten Künstler nur noch ein halbes Jahr, sein Lebenswerk zu ordnen. Er bestimmt Matthias David zu seinem Nachlassverwalter.


Alle Spuren verwischt

Im Jahr 2016 stirbt Heinz Henschel mit 77 Jahren und hinterlässt viele Fragen. "Über sein Leben hat er keinerlei Belege hinterlassen. Akribisch hat er seine Spuren verwischt", sagt David. So gibt es keinen einzigen Hinweis über Versicherungen, Krankheitsdiagnose, kein Nachweis über Waltraud, mit der er kurz verheiratet war. In einer Nachtschicht sichtet er jedoch über 1.200 Aquarelle, Bleistiftzeichnungen, Collagen und Arbeiten mit Filzstift, Buntstift und Tusche, die der Handwerker in über fünfzig Jahren hinter der verschlossenen Wohnungstüre malte.

 

Experte bestätigt das hohe Niveau der Kunstwerke

Ein Kunstsachverständiger bestätigt Matthias David die hohe Qualität der Kunstwerke. "Ich habe versprochen, dass Heinz Henschel posthum die Ehre erfährt, die ihm eigentlich zu Lebzeiten gebührt hätte. Mit der Ausstellung im Niederrheinischen Kunstmuseum in Kevelaer habe ich das Versprechen eingelöst", freut er sich. Dabei ist der 50-Jährige immer wieder überrascht, wie groß das Interesse der Medien und der Besucher aus ganz Deutschland ist. Gerade erst wurde die Ausstellung "Wanderer zwischen den Welten" um sechs Wochen verlängert.

Foto: © Matthias David
"Es ist einzigartig, was er machte", bestätigt auch Veronika Hebben das künstlerische Talent des Autodidakten. Die Kuratorin wählte rund 120 Arbeiten für die Ausstellung am Niederrhein aus. Die Arbeiten zeugen nicht nur von einem sicheren Gespür für Farbe. "Es ist vermutlich sein handwerkliches Verständnis, warum er so präzise und detailreich arbeiten konnte. Dadurch steigert sich die Qualität seiner Maltechnik. Das ist künstlerisch sehr, sehr hochwertig." Für Veronika Hebben ein Indiz, dass sich Heinz Henschel kunstwissenschaftliches und kunsthistorisches Wissen angeeignet haben muss. Zudem zeugen viele Bücher davon, dass der Schlosser intensive Studien betrieb, bevor er mit einem neuen Werk begann.


"Keiner weiß, wer ich bin"

Einen Aha-Effekt erleben Matthias David und Tochter Amelie, als sie in den Bildern eine Symbolsprache entdecken. "Keiner weiß, wer ich bin", entschlüsselt Amelie David nach langem Studium einen der vielen Sprüche. "Heinz hat jedem Buchstaben des Alphabets, Bindewörtern oder Personalpronomen ein eigenes Symbol zugeordnet", erklärt Henschel-Kenner David. Und Veronika Hebben ergänzt: "Das passt sehr gut zu seinen Fantasiewelten. Er taucht in seinen Arbeiten in eine andere Welt. Er erschafft neue Welten. Eben ein Wanderer zwischen den Welten."

Zeitgenössischer Künstler zwischen den Welten

Henschel einen bestimmten Kunststil zuordnen, das möchte die Kuratorin nicht. "Er ist ein zeitgenössischer Künstler, ein leidenschaftlicher Handwerker mit einer großen Liebe zur Kunst." Schiffe, Porträts, Landschaften oder Tierdarstellungen: Henschel zog es vor, unter Zuhilfenahme einer Lupe zu arbeiten. Bei einer Entdeckungstour erhalten daher auch Besucher Gelegenheit, die Exponate noch bis zum 13. Mai unter die Lupe zu nehmen. "Wer eine eigene Lupe mitbringt, ist klar im Vorteil", freut sich das Museum über den ungebrochenen Besucheransturm.

Und, was würde Heinz zu alldem sagen? "Er würde wahrscheinlich vor dem Museum auf einer Parkbank sitzen, schauen, wie die Leute reingehen und dann zufrieden nach Hause gehen", sagt Matthias David über den rätselhaften Menschen Heinz Henschel. Aber zumindest durch seine Bilder kann die Nachwelt jetzt tief in seine Seele schauen. Auch wenn die Entdeckungsreise noch lange nicht zu Ende ist.

Wanderer zwischen den Welten – Heinz Henschel
Niederrheinisches Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte
Hauptstraße 18, 47623 Kevelaer
Eintritt: 4 Euro
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 
Die Uhrzeiten entnehmen Sie bitte der Homepage.

Das Team Henschel wird auch in Zukunft weiter auf das Lebenswerk von Heinz Henschel aufmerksam machen. Die Werke werden nicht verkauft. Museen und Kunstliebhaber sollen aus dem Gesamtwerk schöpfen können. Wer jedoch möchte, dass "Heinz Henschel" einmal in der eigenen Region ausgestellt wird, kann sich an das Team Henschel per Mail wenden.info@heinzhenschel.de

Text: / handwerksblatt.de