Alter Kalauer und gleichzeitig sensibelstes Thema rund ums E-Auto: die Reichweitenangst. Dabei ist sie ein Relikt der Vergangenheit.

Alter Kalauer und gleichzeitig sensibelstes Thema rund ums E-Auto: die Reichweitenangst. Dabei ist sie ein Relikt der Vergangenheit. (Foto: © stockshoppe/123RF.com)

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Stromautos: Sauber, leise und umweltfreundlich

Jeder kennt sie, kaum einer fährt sie – Autos mit Elektromotor. Doch wer bereit ist, Neues auszuprobieren, dem bieten sie eine spannende Mobilitätsalternative zum Verbrennungsmotor.

Du hast ein Elektroauto? Hoffentlich ist dein Kabel auch lang genug! Noch immer müssen sich Fahrer von Stromern diesen alten Kalauer anhören, der mit einem der sensibelsten Themen spielt: der Reichweitenangst. Die Furcht, mit einem E-Auto unterwegs liegen zu bleiben, weil der Kraftstoff ausgegangen ist. Das Problem: Mit einem Kanister in der Hand konnte der Fahrer eines Diesels oder Benziners zur nächsten Tankstelle laufen, Sprit abzapfen und sein Fahrzeug mit neuer Energie füttern. Den Batteriepack eines Elektroautos kann keiner mal eben zur nächsten Steckdose mitnehmen oder – wie vom Smartphone oder Tablet gewohnt – mit einem Powershot via USB-Kabel neuen Strom in den Akku laden. Wer liegen bleibt, hat also ein echtes Problem.

Dabei ist die Reichweitenangst ein Relikt der Vergangenheit, die schon damals unbegründet war. Das beweist die Statistik. 2013 fuhr jeder Pkw im Schnitt 14.259 Kilometer, jedes Nutzfahrzeug bis 3,5 Tonnen 19.008 Kilometer, so das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in einer im Sommer 2015 vorgestellten Studie (neuere Zahlen liegen nicht vor). Umgerechnet auf die einzelnen Tage, fuhr ein Pkw-Fahrer im Schnitt gut 39 Kilometer, der Lenker eines Nfz brachte es auf rund 52 Kilometer pro Tag. Selbst wer nur 220 Arbeitstage als Autonutzung rechnet, kommt auf tägliche Fahrtstrecken von nur 65 bzw. 86,4 Kilometern – schon damals weit unter den Reichweiten der Batterien der verfügbaren Stromer. Und genau daran hat die Autoindustrie weiter gearbeitet. Im Jahr 2017 haben sämtliche Anbieter die Reichweite dank besserer, leistungsstärkerer Batterien im Schnitt um ein Drittel in die Höhe geschraubt.

2017 ist ein Wendepunkt

Doch nicht nur in Sachen Reichweite wird das Jahr 2017 zum Wendepunkt. Die Modellvielfalt reiner Elektrofahrzeuge wird deutlich breiter. Das gilt nicht nur im Pkw-, sondern auch gerade für den Nutzfahrzeugbereich. Vor allem Unternehmer, die hohe Nutzlasten transportieren müssen, können sich über eine deutliche Angebotsausweitung freuen. Renault hat nach dem sehr erfolgreichen Stadttransporter Kangoo Z. E. für Jahresende den Renault Master angekündigt, VW Nfz will zum Herbst hin die E-Version seines Crafter in die Läden bringen. Denn für hohe Nutzlasten war bislang außer dem Iveco Daily (bis 5,2 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht) und dem Fuso Canter kaum etwas zu bekommen. 70 Exemplare vom elektrischen Daily haben sich hierzulande verkauft, was in seiner Klasse automatisch Marktführerschaft bedeutet.

Dass es nicht mehr waren, hat mehrere Gründe, die generell für alle Elektroautos gelten. So scheiterte es oft an der Verfügbarkeit. Gerade im Nutzfahrzeug-Segment sind viele der ersten Modelle nicht über das Stadium eines Pilotprojekts hinweggekommen. Vornehmlich von Groß- und Flottenkunden eingesetzt, dienten sie wie etwa der Mercedes-Benz Vito E-Cell nur der Sammlung weiterer Erkenntnisse. Der an Elektromobilität interessierte Betrieb kam erst gar nicht an ein Exemplar heran. Und auch die im Herbst 2016 angekündigte Kleinserie des Fuso eCanter für 2017 umfasst gerade mal 150 Exemplare – für ganz Europa. Auch sie gehen nur an ausgewählte Kunden.

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Hoher Preis ist Grund für mäßigen Absatz

Ein Grund für den bislang eher mäßigen Absatz von Elektromobilen ist der hohe Anschaffungspreis. Allerdings sinken die Preise allmählich. Foto: © nito500/123RF.com Ein Grund für den bislang eher mäßigen Absatz von Elektromobilen ist der hohe Anschaffungspreis. Allerdings sinken die Preise allmählich. Foto: © nito500/123RF.com

Kleinstserien gibt es auch im Pkw-Bereich und dürfte zumindest 2017 noch Problem bleiben, das aber dank wachsender Modellvielfalt kleiner wird. Der mit viel Getöse um seine Reichweite von 500 Kilometern angekündigte Opel Ampera kommt in diesem Jahr auch nur in dreistelligen Stückzahlen auf den deutschen Markt.

Zweiter, mitentscheidender Grund für die bislang mäßigen Verkäufe war und ist der Preis. Auch wenn gerne die Hersteller die geringeren Kraftstoffkosten – ein Drittel der gesamten Fahrzeugkosten gehen auf das Konto des Benzins – für die Wirtschaftlichkeit der Stromer herausstellen: Sie sind immer noch teuer. Etwa der erste elektrische Iveco Daily. Er kostete bescheidene 130.000 Euro, für einen vergleichbaren Daily fiel die Eins weg. Selbst ein kleiner Pkw wie ein Renault Zoe schlägt mit rund 24.000 Euro zu Buche, die sich auf 30.000 Euro erhöhen, wenn der Käufer die Batterie sein eigen nennen will. Ein vergleichbarer Pkw mit Verbrenner wie der Clio kostet in der Standardausführung rund 15.000 Euro.

Elektroautos sind gut fürs Image

Immerhin: Die Preise schrumpfen allmählich. Dazu trägt zum einen die Förderung bei, zum anderen können die Hersteller durch größere Stückzahlen kostengünstiger produzieren. In Kombination mit im Preis sinkenden Batterien kommen damit die Stromer auf lange Sicht auf einen im Vergleich zu Verbrennern wettbewerbsfähigen Preis.

Was bislang aber nicht in Cent und Euro aufzuwiegen ist: Mit einem Elektroauto verbessern Unternehmer ihr Image. Abseits der Diskussion, dass ein E-Auto nur dann wirklich sauber fährt, wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt, gelten deren Fahrer als modern, fortschrittlich und umweltbewusst. Und nicht selten ergibt sich daraus ein Gesprächseinstieg, der positiv stimmt und Gutes für den weiteren Verlauf verspricht.

Steckdose immer in der Nähe

Damit die Batterie einen nie im Stich lässt gilt: Bei der Parkplatzsuche muss man darauf achten, dass eine Steckdose in der Nähe ist. Foto: Milosh Kojadinovich Damit die Batterie einen nie im Stich lässt gilt: Bei der Parkplatzsuche muss man darauf achten, dass eine Steckdose in der Nähe ist. Foto: Milosh Kojadinovich

Fahrer und Besitzer von Stromern müssen aber auch bereit sein, sich auf die neue Mobilität einzulassen und von geliebten Gewohnheiten Abschied nehmen. Die wichtigste Regel: Egal wo der Wagen einen Parkplatz findet – er sollte immer sofort an eine Steckdose, um erst gar nicht in knappe Reichweiten zu gelangen. Und für längere Strecken zählt auch eine genauere Planung dazu, wo sich im Bedarfsfall Strom abzapfen lässt. Ein Problem? Nein, ist es nicht, sondern lediglich eine Art der Mobilität. Wer einmal mit einem Stromer länger unterwegs ist, hat sich schnell auf die neuen Gegebenheiten eingestellt und kann tatsächlich sauber, umweltfreundlich und vor allem flott unterwegs sein.

Denn auch das bieten Stromer: Fahrspaß! Denn Elektromotoren haben einen riesigen Vorteil gegenüber Verbrennern. Benziner und Diesel können ihre höchste Power nur in einem bestimmten Drehzahlbereich auf die Straße werfen. Anders die E-Motoren: Sie bieten volle Leistung von der ersten Umdrehung bis zum Schluss. Bei der Anfahrt vor einen roten Ampel können dann nur noch die Supersportler mithalten ...

Text: / handwerksblatt.de

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